Der Rostocker Kaufmann Joachim Schlu (1563-1624)

Aus diesen Worten spricht ein sehr realer Egoismus, aber sie werfen zugleich ein grelles Licht ans die beginnende Verknöcherung des städtischen Wesens und die seit dem 16. Jahrhundert zunehmende Abschließung auch der Erwerbsstände gegen einander. Wie bei dem Landadel das Erfordernis der hohen Ahnenzahlen erst gegen Ausgang des Mittelalters aufkommt, und die Turnierregeln darauf ausgehen, die städtischen Geschlechter vom rittermäßigen Spiel fernzuhalten, so bilden sich auch in den Städten immer deutlicher Unterschiede aus zwischen den verschiedenen Rangstufen der Ehrbarkeit.

Die frühere Zeit war natürlicher und gestattete gleich der Kirche jedem, auch dem Niedrigsten den Aufstieg zu den höheren Schichten. Und dass ein solcher in Bergen auch noch zu Ausgang des 16. Jahrhunderts vielfach eingetreten, bezeugt der schon erwähnte Rostocker Joachim Schlu. Er war 1577 als Knabe nach Bergen gekommen und verfertigte 1606 eine „Comedia von dem frommen gottfürchtigen und gehorsamen Isaac“ zu Ehren des ehrsamen Kaufmanns in Bergen.


In der Widmung berichtet er nun nicht bloß, dass er selbst dem Kontor seine Bildung und Erziehung zu verdanken habe, sondern preist auch die dort herrschende schöne Ordnung „mit ihren von anfang des kuntors gebreuchlichen spielen, welche mit herrlichen comedien und tragedien gezieret werden“, so dass man dort noch verständige Gesellen findet, die sich „üben, wann sie sonsten nicht viel zu thun und nirgents aufzuwarten haben“. Schlu fährt dann fort: „Ist aber manniger unversochter alhie in Teutschlandt, der spöttisch auf des löblichen kuntors kaufgesellen ist, als sollen sie nirgents von wissen sondern mit der fischschrauben ummezugehen, da ich offte das widerspil gehalten und von diesen vorgeschriebenen schönen ordenungen gesagt und offte geredet. Dann es kommen auch auf das löbliche kuntor gar einfeltige geringe baurenkinder, als hie aus Mekelborg, Pomern, Saxen, Westphalen und andern oertern; und wan sie nicht schreiben oder lesen können, werden sie den winter über von den andern fein unterweiset und gelernet, würden also feine und verstendige gesellen daraus, und wan sie da ein Zeitlang verkeret und gehandelt, kommen sie in Teutschland, in die löblichen seestede in schöne gute heuser zu sitzen, und werden vornehme bürger und wolhabende leute daraus, die noch zu hohen emptern kommen und gebraucht werden. Es kommen auch viele ans kontor, die sich hie in Teutschlandt von vater und mutter, auch scholemeistern, nicht wollen zwingen lassen*). Eins teils kommen zu rechte, werden noch gute leute draus; etzliche aber bleiben in ihrem bosen vornehmen und gehen zu gründe und bodem, welches nicht allein zu Bargen sondern auch an andern ländern und oertern geschieht, da handel und wandel auch kaufmanschaft gebrauchet wirt.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse