Der Kaufleute Aufnahmegebräuche

Lehrjungen und Gesellen waren andrerseits auch bei den Kaufleuten Aufnahmegebräuchen unterworfen, welche sich je nach Ort und Zeit verschieden gestalteten. Am bekanntesten sind darunter die sogenannten Spiele am Kontor zu Bergen, bei welchen „enen vaken de hals und rugge knakede, ok nese unde munt blodete, welkes de nykarners*) alles vor leff nemen mosten“. Ihre Rohheit wird mit Vorliebe immer von neuem beklagt und verurteilt, während die gesamte frühere Zeit sie mit behaglichem Wohlgefallen betrachtet und beurteilt hat**). Sie waren nichts anderes als eine Weise des bekannten Hänselns bei Ausnahme eines Neulings in eine Genossenschaft; derbe Bräuche, die den Eingeweihten ergötzten, weil andere nun auch kosten mussten, was er einst erlitten, während sie dem augenblicklich Gequälten den Trost gaben, durch das Dulden sich ein dauerndes Recht zu erwerben.

Solchen Aufnahmefestlichkeiten begegnen wir bei fast allen genossenschaftlichen Vereinen, bei den Zünften und Gilden wie bei den studentischen Bursen, und überall wird erst in späterer Zeit über Ausartung und Barbarei geklagt. Die Mehrzahl der Spiele von Bergen ist erwiesenermaßen nicht von ungefügen wilden Gesellen im hohen Norden erfunden worden, vielmehr lassen sich Analogien und Reste in den verschiedensten Teilen von Deutschland nachweisen, ja manche sind noch nicht völlig ausgestorben.


Das alte Waterspel lebt abgeblasst in dem Kielholen der Neulinge beim Passieren des Äquators fort; dem „van der hudt werpen“ entspricht das Fuchsprellen der Beanen auf Schulen und Universitäten***), und selbst das unsaubere Beschmieren mit Unrat, Rasieren, Reinigen und Abtrocknen finden wir in den Kreisen der Handwerker und der Studenten fast genau so wie bei den Kaufgesellen von Bergen. Auf Schläge und etwa noch Freibier liefen alle diese Gebräuche für die Neueintretenden hinaus, und ihre Überbleibsel, wie das Misshandeln von neuen Klassenkameraden in geschlossenen Lehranstalten, bewahren das Andenken noch jetzt. Es waren Rohheiten, aber wir müssen sie mit der allgemeinen Übung jener Tage vergleichen, wenn wir billig urteilen wollen. Das damalige Geschlecht verlangte nach einer derberen Kost, und noch 1599 schaute der dänische König Christian IV. mit Wohlbehagen einem Spiele in Bergen zu.

*) Die Neulinge.

**) Vgl. Krause. Zu den Bergenschen Spielen, Hans. Gesch.-Bl. 1880, S. 109 ff.

***) Es war auch bei den Metzgern vielerörtert üblich. Eine hübsche Darstellung gibt der Monogrammist PR bei Schilderung des Schützenfestes zu Zwickau 1578. Reproduziert in Deutsches Leben d. Vergangenheit in Bildern. E. Diederichs Verlag 1907.


Kurz zuvor waren arge Klagen über diese Spiele an die Städte gelangt, auch ältere Männer waren ihnen unterworfen worden, aber die Verbote der Städte wurden nicht beachtet. Viel Papier wurde verschrieben, die Spiele bestanden jedoch fort, bis die dänische Regierung ihnen 1671 ein Ende bereitete.

Gelegentlich dieser Verhandlungen erklärten die Gesellen am Kontor einmal rund heraus, dass Jeder, der in Bergen handeln wolle, „der muste na don, wie sie und andere für gethan hetten. Dan wenn es dahin queme, das die burger aus den stetten und ihre kinder von dem spielen mochten gefreyet werden, so wurden arm gesellen dar nicht gross geachtet sein. Derhalben wolten sie die spil halten, wie sunst lang gescheen were, und wagen alles was daraus entstan kunte.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse