Fürsorge des Lehrherrn für das Fortkommen

Hier tritt uns die schon berührte Fürsorge des Lehrherrn für das Fortkommen des Dieners geradezu als Pflicht entgegen! Zugleich aber liefert die Bestimmung, die jedem jungen Kaufmannsgesellen einen zweijährigen Aufenthalt in der Fremde vorschreibt, den Schlüssel für die Stellung des hansischen Kaufmanns*) Jeder musste hinaus, sich in der Welt umsehen und an fremden Märkten unter fremden Völkern Erfahrungen sammeln. Jedoch zunächst nur im Auftrage und für Rechnung seines Herrn, nicht nach eigener Wahl, damit er erst lerne, auf eigenen Füßen zu stehen.

Die Lehrzeit war ohne Frage mitunter recht hart. Der Lehrling musste auch im Haushalt tüchtig zugreifen, „einheizen, Feuer stechen, Haus kehren, Wasser, Wein und Bier holen“, wie es gelegentlich heißt. Überall wird jedoch zugleich Gewicht darauf gelegt, dass der Lehrherr ihn zur Gottesfurcht erziehe und allseitig ausbilde. Denn häufig waren die Lehrjungen noch recht jung und vollendeten sie erst während der Lehrzeit ihre Schulbildung. Wele bat seinen brügger Geschäftsfreund, den späteren Danziger Bürgermeister Philipp Bischof, dessen auch Lubbe gedenkt, er möge den Neffen bei einem Priester oder sonstwo unterbringen, damit er zunächst gründlich Lesen und Schreiben lerne. Nicht minder soll Bischof darauf achten, „dat he in dwange gheholden werde, dat he synen willen nicht en krige. Wes he behoff hevet, fügt er schließlich hinzu, dot wol unde kopet eme unde schrivet up miine rekenscop.“


Der Rostocker Schlu wiederum rühmt seinen Lehrherrn, den Lübecker Herman Tieman, der ihn auf dem Kontor zu Bergen „in guter Zucht und gottesfurcht gehalten, das ich damals den catechismum habe müssen fleissig lernen, auch in der kirchen zu S. Marten offenlich recitert, wie zu der zeit gebreuchlich war. Auch hat er mich dazu gehalten, das ich habe den psalter zum teile auswendich lernen müssen, und habe auch dar beineven andere schöne herrliche Sprüche, derer in die 50 gewesen, na der ordenunge zu tisch beten müssen. Auch da mein herr erfuhr, das ich von der musica wüste, habe ich in der kirchen auf der orgeln mich gebrauchen lassen“**).

*) Wie bereits Siewert bemerkt, der die Lehrlingsordnung in seinen „Rigafahrer in Lübeck“, S. 255, Nr. 24, mitteilt.

**)Sastrow erlebte in dieser Hinsicht viel Verdruss mit Angehörigen. Den einen schickeden sine vormunder nach Danzig an gute leute; er machte es aber, das sie ine widerumb allhier schickeden. Den andern ließ er in Stralsund auf die Schule gehen, aber er missriet gleichfalls, „das ich nur got danckete, das ich seiner los worden bin“.


In diesen wie in sonstigen Mitteilungen dieser Art wird in unseren hansischen Akten des Rechenunterrichts merkwürdiger Weise gar nicht gedacht, wahrend er in den oberdeutschen Auszeichnungen eine bedeutende Rolle spielt. Der Einfluss von Italien, wo die kaufmännische Buchführung bereits im 14. Jahrhundert lehrbuchmäßig behandelt wurde, macht sich auch an dieser Stelle im Süden bemerklich*). Ebensowenig hören wir von der (Erlernung fremder Sprachen, abgesehen vom Latein, obgleich in der Regel jeder Kaufmann sich die Sprache derjenigen Nationen anzueignen gesucht haben wird, mit deren Angehörigen er in geschäftlichen Beziehungen stand**).

*) Die Herrschaft des römischen Zahlensystems, welches von dem arabischen sehr langsam verdrängt wurde, bereitete den Kämmerern wie den Kaufleuten jener Tage gewaltige Schwierigkeiten; sie erklärt die vielen Rechenfehler in den städtischen wie privaten Rechnungen. Als Hilfsmittel kamen im 14. Jahrhundert von Italien her Rechenpfennige (denarii ad computandum) in Gebrauch. Nach dem Norden scheinen sie über Avignon gelangt zu sein. 1354 kauften hamburger Gesandte eine Anzahl von diesen fiktiven Münzen in Avignon; meines Wissens die früheste Erwähnung der „rekelpennige“ im hansischen Gebiet. Vgl. Schrader, Die Rechnungsbücher d. Hamb. Gesandten in Avignon, 1338—1355, S. 33*.

**) Stieda, Zur Sprachenkenntnis der Hanseaten, Hans. Gesch.- Bl. 1884, S. 157 ff., handelt nur von der russischen Sprache.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse