Das tägliche Leben des Kaufmanns

Den heimgekehrten jungen Kaufmann erwartete in erster Linie natürlich die Arbeit des Tages in der Schreibstube und in den Räumen des Hauses oder auf den Kaufhöfen, einerlei ob er in das väterliche Geschäft oder in ein anderes eintrat oder sich selbständig machte.

Erklärlicherweise erhalten wir über diese Seite des täglichen Lebens des Einzelnen von den Beteiligten nur spärliche Auskunft, und auch den Handelsbüchern und Handelsbriefen ist hierüber recht wenig zu entnehmen. Weit ergiebiger sind in dieser Hinsicht die bildlichen Darstellungen der alten deutschen Meister des Stichels und des Griffels, wie etwa Jost Ammans „Allegorie von dem Handel“ (1585)*), nur reichen sie zeitlich nicht allzu weit zurück und müssen wir manches der künstlerischen Phantasie zugute halten. Sie schildern in bunter Mannigfaltigkeit neben den Fahrten zu Wasser und zu Lande, An- und Verkauf von Waren aller Art, Empfang und Versand, Ein- und Auspacken, Wiegen und Messen und so fort, am eingehendsten jedoch die Tätigkeit in der Schreibstube. Die Buchhaltung, das Kassageschäft und die Abfertigung von Briefboten werden mit sichtlicher Vorliebe behandelt; ja Amman führt uns in diesem Zusammenhang sogar die Sprachenkenntnis bildlich vor:


Der Sprachen Wissenschaft hab ich,
Drumb fordert auch der Handel mich,
Ich kauff dardurch recht alle Wahr,
Vertreibe ohn Schaden und Gefahr.


So lautet die Erläuterung, mit der Neudörfer in schlechten Reimen den Holzschnitt begleitet.

*) Einen vortrefflichen Abdruck von den Originalholzstöcken in Maihingen veranstaltete 1878 Huttler in München. Weniger gelungene Reproduktionen einzelner Szenen bei Steinhausen, Der Kaufmann (Monograph. z. d. Kulturgesch. II) und a. a. O. Im allgemeinen berücksichtigen die Künstler vorwiegend Süd- und Westdeutschland, und so dürfen auch die Ammanschen kaufmännischen Gewölbe mit ihren Tischen, Stühlen und sonstiger Ausstattung keineswegs auf norddeutsche Verhältnisse übertragen werden. Die meisten der sog. Kleinmeister behandeln in der Hauptsache das gesellige Leben. Vgl. außer den Abbildungen bei Steinhausen (darunter zu S. 64 der Lübecker Marktplatz ca. 1580, leider stark verkleinert), Hirths Kulturhist. Bilderbuch und das bei Diederichs in Jena im Erscheinen begriffene Werk: „Deutsches Leben der Vergangenheit in Bildern“. Bisher drei Lieferungen.

Auf der wundervollen bronzenen Grabtafel des Bürgermeisters Tideman Berk in der Marienkirche zu Lübeck erblicken wir unter den Darstellungen aus dem Erdenleben einen jungen Kaufmann zuerst am Zahltisch, dann die rechte Hand beteuernd an die Brust legend. „Nu pin ic om goed — flau is miin moed“ erklärt das Spruchband*). Und Sorgen aller Art werden gewiss gar manchen oft bedrückt, wohl auch erdrückt haben. Der Durchschnittskaufmann wurde davon wenig angefochten und überarbeitete sich kaum. Der jetzige hastige Geschäftsbetrieb mit Telegrafen und Telefonen war ebenso unbekannt wie das Wort „Zeit ist Geld“. Ähnlich wie die Damen heutzutage bei Auswahl und Ausstattung ihrer Kleidung alles reiflichst erwägen und überlegen, so bedachte auch der mittelalterliche Kaufmann sich bei jedem Geschäft geraume Weile. Feilschende und streitende Geschäftsleute werden uns oft geschildert, und dementsprechend schreibt der Nürnberger Paumgartner seufzend seiner Frau von der Frankfurter Messe aus, „wird noch Schreiens und Zankens genug geben“.

*) Abb. bei Melde, Denkm. bild. Kunst in Lübeck, I, Taf. 5. Darnach stark verkleinert in Bau- u. Denkm. v. Lübeck, II, 395.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse