Räuber und Vitalienbrüder

Die Gefahren, welche das Reisen mit sich brachte, zwangen andererseits den Kaufmann sich mit Waffen und Wehr wohl zu versehen. „Myn wapend alze ik dat pleghe tor zeewart to vorende“ wird in den Testamenten häufig erwähnt, während zu Lande im Parzival Gawein und seine mit Panzer, Schwert und Schild ausgerüsteten Begleiter für Kaufleute angesehen werden. „Das ist oft der Kaufleute Sitte“ heißt es. Und gar mancher Bericht über glücklich abgewehrte Angriffe zu Wasser wie zu Lande bestätigt es, dass der Kaufmann in der Regel ein streitbarer Mann war, der von seinen Waffen auch den entsprechenden Gebrauch zu machen verstand. Er vertraute auf seinen Gott, aber auch auf seine Faust.

Doch darf man diese Unsicherheit der Land- und Wasserstraßen nicht übertreiben. Weder lauerten an jeder Straßenecke oder in jedem Walde Räuber auf, noch hinter jeder Klippe oder in jeder Bucht Vitalienbrüder. Das glückliche Vollbringen der Fahrt war sicherlich die Regel, sonst bliebe es unerklärlich, dass ein Handelsverkehr nicht nur möglich war, sondern auch stetig wachsen konnte.


Von den friedlich und erfolgreich verlaufenen Reisen redete man kaum, um so mehr von den durch Raub und Plackerei betroffenen. In diesen Fällen klagte man laut und vernehmlich, und die Räte der Städte ließen es an Beschwerden und Ersatzforderungen wahrlich nicht fehlen. Mochten diese nun Erfolg haben oder nicht, stets wurde viel Pergament und Papier verbraucht, und die sorgliche Aufbewahrung dieses umfangreichen Schreibwerks in unseren Archiven ist, neben den Aufzeichnungen der städtischen Chronisten, die Ursache, dass wir fast nur die Kehrseiten der Handelsreisen gründlich kennen.

Den Handelsgewinn haben sie im allgemeinen nicht wesentlich zu schmälern vermocht, und sowohl die für viele andauernde Notwendigkeit der Handelsfahrten, als auch die zu allen Zeiten vorhandene Reiselust, ließ selbst gereifte Männer wenn nicht anders zum Pilgerstabe greifen, um dem Einerlei des heimischen Daseins eine Abwechslung zu schaffen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmannsleben zur Zeit der Hanse