Ludwigslust, Freitag den 30. August 1811
An Karl
— Die Fräulein Bülow ist sehr dankbar und sehr geschmeichelt, dass ihr Bruder Zugang in Deinem Hause findet. Sie sieht es als ein Glück für ihren Bruder an, und hofft, dass es gut auf sein Moralisches wirken soll. Diese schöne Eigenschaft betrachten sie ungefähr wie sonst die Pfaffen, welche die zeitliche und ewige Glückseligkeit gern beisammen gehabt hätten. Eine rechte Seligkeit bei dem Verlust der irdischen Güter können sie sich kaum denken, und diese Art von Heidenbekehrung würde hier schwer halten. Eher würden sie noch ihrem Bonifazius ein Monument errichten, wie ich aus den Zeitungen sehe, dass es der Herzog von Gotha tun will. Ich erinnre mich mit Vergnügen eines schönen Gespräches von Goethe, worin er einen klaren und deutlichen Unterschied zwischen Vernunft und Verstand gemacht hat. Letzterer, worin die Franzosen excellieren, ist etwas sehr Brauchbares und Nützliches, die Vernunft aber erhebt und nähert sich der Gottheit; sie vernachlässigt und verachtet oft die Vorteile des Verstandes und nährt sich dafür von Phantasie. Ich habe noch keinen einzigen Mecklenburger oder auch —burgerin gesehen, die solch eine Nahrung nicht als die loseste Speise gänzlich verwerfen würde; aber durch Verstand ließe sich etwas mit ihnen ausrichten, wenn nicht langgewohnte Ruhe und Trägheit und die damit verknüpften Ausschweifungen sie lähmten. Es macht mir doch oft Spaß, wenn ich unser junges Ehepaar so friedlich beisammen sehe. Der Erbprinz hat wirklich sehr viele Klugheit und Verstand, aber alles, was Phantasie ist, kann er gar nicht genießen. Dennoch vertragen sich die beiden verschiedenen Elemente recht gut, und ich glaube fast, dass es auf diese Art am besten geht. —
— Die Fräulein Bülow ist sehr dankbar und sehr geschmeichelt, dass ihr Bruder Zugang in Deinem Hause findet. Sie sieht es als ein Glück für ihren Bruder an, und hofft, dass es gut auf sein Moralisches wirken soll. Diese schöne Eigenschaft betrachten sie ungefähr wie sonst die Pfaffen, welche die zeitliche und ewige Glückseligkeit gern beisammen gehabt hätten. Eine rechte Seligkeit bei dem Verlust der irdischen Güter können sie sich kaum denken, und diese Art von Heidenbekehrung würde hier schwer halten. Eher würden sie noch ihrem Bonifazius ein Monument errichten, wie ich aus den Zeitungen sehe, dass es der Herzog von Gotha tun will. Ich erinnre mich mit Vergnügen eines schönen Gespräches von Goethe, worin er einen klaren und deutlichen Unterschied zwischen Vernunft und Verstand gemacht hat. Letzterer, worin die Franzosen excellieren, ist etwas sehr Brauchbares und Nützliches, die Vernunft aber erhebt und nähert sich der Gottheit; sie vernachlässigt und verachtet oft die Vorteile des Verstandes und nährt sich dafür von Phantasie. Ich habe noch keinen einzigen Mecklenburger oder auch —burgerin gesehen, die solch eine Nahrung nicht als die loseste Speise gänzlich verwerfen würde; aber durch Verstand ließe sich etwas mit ihnen ausrichten, wenn nicht langgewohnte Ruhe und Trägheit und die damit verknüpften Ausschweifungen sie lähmten. Es macht mir doch oft Spaß, wenn ich unser junges Ehepaar so friedlich beisammen sehe. Der Erbprinz hat wirklich sehr viele Klugheit und Verstand, aber alles, was Phantasie ist, kann er gar nicht genießen. Dennoch vertragen sich die beiden verschiedenen Elemente recht gut, und ich glaube fast, dass es auf diese Art am besten geht. —
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Karl Ludwig von Knebels Briefwechsel mit seiner Schwester Henriette