Die Fasttage in der Woche

Doch mehr: nicht nur die Woche als solche, auch die Einteilung der Woche und die Auszeichnung bestimmter Tage und Stunden ist von den Christen übernommen worden*). Die Juden pflegten alle öffentlichen Fasten auf den 2. und 5. Tag (den Montag und Donnerstag) zu legen. Sehr fromme Leute fasteten an diesen beiden Tagen regelmäßig das ganze Jahr hindurch. Der Traktat Taanith spricht davon und Epiphanius bestätigt seine Angabe, wenn er den Pharisäern diese Praxis zuschreibt; auch das Lukasevangelium setzt den Brauch voraus: der Pharisäer im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner rühmt sich: ich faste zweimal in der Woche.

In der Kirche hat von alters her ein analoger Brauch geherrscht: man fastete am 4. und 6. Tag oder am Mittwoch und Freitag. So finden wir es um 200 in Ägypten, für das Clemens Alexandrinus und Origenes zeugen, und in Afrika, für das Tertullian unser Gewährsmann ist; dass die Sitte faktisch viel älter, folgt nicht nur aus diesem Verbreitungsgebiet; schon die Didache schreibt ausdrücklich vor: „ihr sollt nicht mit den Heuchlern fasten; denn sie fasten am zweiten Tage der Woche und am fünften; ihr aber sollt am vierten Tage und am Rüsttag fasten“; vielleicht setzt schon das Herrenwort bei Mc. 2, 20 den Brauch voraus: Marcus schreibt nicht wie Matthaeus, wenn der Bräutigam von ihnen genommen ist, dann werden sie fasten; er schreibt: wenn der Bräutigam von ihnen genommen ist, dann werden sie fasten, an jenem Tage. Die Kirche differenziert sich offenbar ganz bewusst vom Judentum; sie wählt andere Fasttage als die Juden sie haben; aber von der Tatsache der Fasttage und von ihrer Zweizahl kommt sie doch nicht los**).


*) Vgl. E. Schürer Geschichte des jüdischen Volkes II 572 ff. und H. Achelis in der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (im Folgenden RE) V 770 ff., wo auch weitere Literatur. Mit Th. Zahn Geschichte des Sonntags vornehmlich in der alten Kirche 1878 Anm. 22 (wieder abgedruckt in Skizzen aus dem Leben der alten Kirche) aus Tertullian de oratione 19 zu schließen, dass eine Sitte des Fastens am Mittwoch und Freitag damals „im Gesichtskreis des Tertullian überhaupt noch nicht vorhanden war“ will mir nicht nötig und daher nicht richtig erscheinen.

**) Ob es Zufall ist, dass die Christen gerade am Freitag, dem Tag, an dem ebenso wie am Sabbat den Juden das Fasten verboten ist (vgl. Judith 8, 6), fasten, ist kaum zu entscheiden ; das Problem kehrt bei dem späteren römischen Sabbatfasten (vgl. RE3 V 771) wieder; der Gedanke an einen pointierten Protest liegt nicht fern. Im übrigen schreibt E. Schwartz ZNTW VII (1906) 27/28 unter Berufung auf Wellhausen Evang. Marci 20: „Aus den Evangelien geht hervor, dass das Fasten am Montag und Donnerstag speziell bei den Jüngern des Johannes üblich war; von ihnen hat es die Urgemeinde übernommen, ebenso wie das Gemeindegebet.“ Ist das so sicher oder auch nur überwiegend wahrscheinlich? Wirklich beweisen können wir doch immer nur Einflüsse der Synagoge, nicht solche der Johannesjünger auf die christlichen Gemeinden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jüdisches und Heidnisches im Christlichen Kult