Die Politik der Illusionen

Die Emanzipation brachte das dritte, modernste Element der jüdischen Politik hervor, eine Richtung, die sich mit der uralten Weisheit der Fleischtöpfe und unserem ererbten Quietismus in überraschender Weise verbindet: die systematische Selbsttäuschung.

Große Ideen bewegten die Völker vom Ende des 18. bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts; Ideen, die zweifellos den Keim der Zukunftsgestaltung der Menschheit in sich tragen. Man träumte nicht nur von der Freiheit aller Völker, nicht nur von ihrer Verbrüderung, sondern von einem Weltbürgertum, das alle politischen und nationalen Schranken überwindet. Mit aller Inbrunst schlossen sich die Juden dieser Strömung an, die den seit jeher von ihnen verfochtenen Idealen entsprach und eine erhebliche Besserung ihrer Lage in Aussicht stellte.


Die Naturwissenschaft und die Soziologie haben mit der Zeit eine Klärung der nebelhaften Gedanken der Encyklopädisten und der Achtundvierziger herbeigeführt. Man erkannte, dass das Weltbürgertum im Sinne einer Völkervermischung eine Utopie sei, da die klimatischen Bedingungen selbst bei Massenkreuzungen stets neue, differenzierte Rassen hervorbringen. Man begriff die außerordentliche Bedeutung dieser durch Rassen und Nationen gegebenen Verschiedenheit der Menschheitsgruppen für die gesamte kulturelle Produktion und so wuchsen aus der modernen Freiheitsbewegung die heutigen Nationalstaaten mit ihrer im Prinzip zum Weltfrieden neigenden Tendenz hervor.

Aber während die anderen Völker diese Entwicklung durchmachten, hielten wir Juden mit aller Zähigkeit an den alten liberalen Schlagworten fest, ja wir trieben sie bis zu ihren letzten, paradoxalen Konsequenzen, weil sie gewissen Ambitionen, die die Gleichberechtigung in uns wachgerufen hatte, entgegenkamen. Mit unendlichem Raffinement haben wir es zuwege gebracht, das zu glauben, was uns schmeichelt.

Es ist Zeit, dass wir diese uns lieb gewordenen geistigen Gewohnheiten, die uns aufs schwerste schädigen, weil sie es uns unmöglich machen, zu der heutigen Völkerentwicklung in richtiger Weise Stellung zu nehmen, aufgeben. Wir müssen es lernen, als moderne Menschen unsere Situation zu begreifen.

Aus politischen und sozialen Notwendigkeiten heraus ist die Anpassung der Juden an die Kultur und die Sitten der sie umgebenden Völker entstanden. Dieses an sich richtige und bis zu einem gewissen Grade unumgängliche Streben nach Assimilation verquickten wir jedoch mit der irrigen, allzu geistigen Auffassung politischer Dinge und so gelangten wir zu der großen Täuschung, dass wir auch im physischen Sinne des Wortes Mitglieder der Nationen seien, in deren Mitte wir leben. Versuchen wir diese Konstruktion zu präzisieren, so gelangen wir zu einem Begriff, gegen den die Vernunft sich sträubt: dem des semitischen Ariers.

Nur auf psychologischem Wege kann diese Tendenz des modernen Juden erklärt werden, etwas durch die Jahrtausende Gegebenes, Unverwischbares, die eigentliche Quelle seines ganzen Wesens: seinen Stammescharakter, durch Phrasen hinwegzujonglieren. Denn vom Standpunkte der Logik bedarf dieses Grundaxiom der heutigen jüdischen Politik: dass die Juden nur in ihrer Religion etwas Gemeinsames besitzen, also eine rein geistige Einheit bilden, kaum einer ernstlichen Erörterung.

Müssen wir es unseren liberalen Illusionisten in Erinnerung bringen, dass es eine anthropologische und physiologische Statistik gibt, die bei den Juden aller Länder, trotz der durch die Vielfältigkeit der Stammestypen und mancherlei Beimischungen veranlassten Verschiedenheiten, gewisse einheitliche Grundzüge feststellt?

Wir würden diesen gebildeten und gewiss auch kunstliebenden Herren folgendes Experiment empfehlen. Sie mögen die Darstellungen unserer ziegelschleppenden Vorfahren auf den ägyptischen Reliefs von Beni-Hassan und die des Königs Jehu, der sich vor Salmanassar III. niederwirft, auf der assyrischen Stele im Britischen Museum betrachten und dann einen vergleichenden Blick auf die Photographien ihrer jüdischen Bekannten werfen. Da würden sie die undiskutierbare Antwort auf die Frage erhalten, ob die physische Einheit der Judenheit — man nenne sie Stamm, Volk, Rasse, wie man will — noch besteht.

Es ist interessant, zu verfolgen, wie unsere Illusionspolitiker sich in die Sophismen hineinspinnen, die ihnen dazu verhelfen sollen, ihre Züge, ihr Blut, ihre Sprechweise, ihre Gebärden, kurz, alles, was die nüchterne Welt als das eigentlich Jüdische bezeichnet, alles was dem Juden unausrottbares Stammesbewusstsein verleiht, als eine Ausgeburt der Fantasie hinzustellen.

„Nur die Religion macht uns zu Juden!“ verkünden sie. Was war denn das Jüdische an einem Heine oder Disraeli, die an der religiösen Gemeinschaft der Juden keinen Teil hatten und doch jüdisch bis in die Fingerspitzen waren? Was trieb sie dazu, ihren Zusammenhang mit dem Judentum in ihren Schriften und Aussprüchen zu betonen? War es nicht ihre Abstammung, das übermächtige Rassenbewusstsein?

„Die ganze Geschichte des Judentums kennt nur eine geistige Macht, die uns zusammenschließt. Der jüdische Geist verpönt die völkertrennende Rassenidee, „Nation“ ist ein unjüdisches Schlagwort!“ Diese Behauptungen beweisen, wie die jüdische Illusionspolitik die fundamentalen Tatsachen der Geschichte auf den Kopf stellen kann. Dass das Judentum seit den Zeiten Abrahams gerade in der organischen, untrennbaren Verbindung von religiöser und nationaler Einheit seinen eigentlichen Charakter fand, der durch die mosaischen Ehegesetze trotz aller periodischen Erschütterungen siegreich gewahrt wurde; dass gerade in dieser Verbindung des Geistigen mit dem Körperlichen die überlegene Weisheit unserer Gesetzgeber und die alles überdauernde, welthistorische Kraft des Judentums liegt; dass die Juden bis zum Anbruch der Emanzipationsepoche mit allen Fasern ihrer Seele an ihrem nationalen Wesen festhielten und ohne dieses ebenso im Menschheitsmeere untergegangen wären, wie unsere modernen „nur-religiösen“ jüdischen Familien — alles das ist jedem so geläufig, dass auch die humanste Theorie es nicht aus der Welt schaffen kann.

Aber richtig! Man hat ja unsere politischen Hoffnungen, alles, was uns zur lebenden Nation stempelt, aus den jüdischen Gebetbüchern gestrichen! Ähnlich wie der Einzeljude, wenn er aus seinen Papieren den jüdischen Ursprung ausgemerzt hat, tatsächlich nicht mehr Jude zu sein glaubt, so glauben die Reformjuden die jüdische Gesamtheit durch einen Strich auf dem Papier ihres Volkscharakters entkleiden zu können. Aber ach! über die Natur lässt sich kein Strich machen. Die jüdische Nation mit ihrem Blut, mit ihren Zügen, mit ihrer ganzen Sonderart besteht und es ist der Gipfel der Selbsttäuschung, sich und anderen das Gegenteil einreden zu wollen.

Auf dieses unhaltbare Paradoxon aber hat die liberale Judenheit ihre ganze politische Haltung gestellt. Denn wir wissen es bereits: ihre großartigen, über Zeit und Raum erhabenen, weltbürgerlichen Anwandlungen sind ihr nur im Verhältnis zu ihrem eigenen Volkstum, dem jüdischen, eigen; nur so weit es sich um dieses handelt, verpönt sie das Nationale als fanatisch, kulturwidrig, reaktionär oder auch — je nachdem — als ultramodern. So wie es sich aber um die deutsche, französische, englische Nationalität u. s. w. handelt, erkennt man plötzlich in der Nation die eigentliche Trägerin des modernen Staats- und Kulturlebens, man will „an dem Schönen eines nationalen Lebens“ teilnehmen und hält es für eine ehrenvolle Pflicht, „zu Gliedern der Nationen“ zu werden.

Ja, wenn das physisch möglich wäre! Eine „jüdische Nation jüdischer Rasse“ wird von den Herren als Unding erklärt; aber eine „deutsche, französische oder englische Nation jüdischer Rasse“ halten sie für plausibel. Die Begriffsverwechslung, die hier unterläuft, liegt auf der Hand. Wir sind wohl deutsche, französische, englische Staatsbürger mosaischen Glaubens und jüdischer Nationalität, aber wir sind nimmermehr Germanen, Gallier, Angelsachsen! Die politische Zugehörigkeit wird mit der Nationalität verwechselt.

Es ist unfassbar, wie Männer, die sonst im politischen Leben ausgezeichnet Bescheid wissen, einen derartigen Lapsus begehen und so eifrig verteidigen können. Jawohl, wir sind Bürger moderner Staaten, komplexer politischer Gebilde, die, unter der Führung einer herrschenden Nationalität, ausnahmslos Gruppen verschiedener Nationen vereinen; ja wohl, wir halten es für eine ehrenvolle Pflicht, gleich unsern Mitbürgern anderer Abstammung an dem Gedeihen des gern einsamen Staates auf allen durch die Konstitution uns eröffneten Feldern mitzuarbeiten; aber wir wollen uns gleich ihnen nicht der politischen Rückgratlosigkeit schuldig machen, unser Volkstum zu verleugnen.

Wer aus aufrichtiger Überzeugung das Paradoxon von dem semitischen Arier aufrecht erhalten will, der möge seine Konsequenzen sich vergegenwärtigen. Der Jude russischer Nation wird von den Russen russischer Nation hinausgepeitscht und muss nach Deutschland ziehen. Hier begründet er eine Industrie, wird zum Steuerzahler und gleichzeitig pflichtgemäß zum Juden deutscher Nation. Die Deutschen deutscher Nation weisen ihn nach einigen Jahren aus, er muss nach London gehen und lebt hier fünf Jahre lang als Vollblut-Engländer jüdischer Rasse, bis ihn die Verhältnisse zwingen, nach Amerika auszuwandern, wo er die amerikanische Nationalität anlegt.

Fühlt man denn nicht das Entwürdigende dieses politischen Maskenspiels?

Wir Juden tragen heute die stolzesten arischen Titel, aber auf unseren Schultern ruht unsichtbar noch die Last jahrtausendelangen Druckes. Wir haben uns noch nicht aufgerichtet. Unser Rücken ist gerade geworden, aber unsere Seele ist noch verkrümmt. Unser verschleierter Blick vermag es nicht zu erkennen, mit welchen Augen unsere arische Umgebung uns betrachtet. Trügen wir den Kopf hoch, hätten wir den Mut, unsere angestammte Nationalität würdevoll zu behaupten, so müsste man uns auch auf unserem Leidenswege über den Erdball Achtung zollen. Aber die semitischen Deutschen mit russischen Namen und jüdischem Akzent, die jüdischen Franzosen mit polnisch-deutschen Namen und deutscher Aussprache, sie bringen den von ihnen umbuhlten Nationen doch immer nur — die Ziegelträger von Beni-Hassan in Erinnerung.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jüdische Realpolitik