Neuntes Kapitel - Portaleone. Messer Leon. Elia. Isaak Hamon. Ibn-Jachja. Leon Medigo Abrabanel. Joseph Vecinho. Ibn-Schoschan. Joseph und Mose Hamon.

Auch in Italien waren jüdische Ärzte sehr gesucht. Trotz der alten medizinischen Schule in Salerno gab es wenig geschickte christliche Ärzte, und so standen den jüdischen Heilkünstlern selbst die Häuser der Kirchenfürsten offen. Mit Recht fragte der letzte jüdische Staatsmann auf der pyrenäischen Halbinsel, Isaak Abrabanel, in einem Schreiben an Jechiel von Pisa, worin er sich nach der Lage der italienischen Juden erkundigte, an, ob jüdische Ärzte im römischen Reiche vorhanden seien, und ob die Kardinäle solche hätten, weil sie den Schlüssel zu den Herzen der Grossen besäßen, welche das Geschick der Juden lenkten.

Guglielmo di Portaleone aus Mantua war zuerst Leibarzt des Königs Ferdinand von Neapel und wurde von ihm in den Adelstand erhoben; dann stand er im Dienste des mailändischen Herzogs Galeazzo Sforza und zuletzt wurde er Leibarzt des Herzogs Ludovico Gonzaga. Er wurde Stammvater eines edlen Hauses und geschickter Ärzte in Italien.


Zur Hebung und Ausbreitung der Wissenschaften, welche das Zeitalter der Medicäer so sehr verklärt haben,, hat der Arzt und Rabbiner Messer Leon aus Neapel (1450 — 1490) sehr viel beigetragen, der neben der hebräischen auch die lateinische Literatur gut kannte. Der aristotelischen Schule angehörend, erläuterte er einige Schriften des Aristoteles, verfasste eine Grammatik und Logik und schrieb eine hebräische Rhetorik (Nofet Zufim), in welcher er die Gesetze der Beredsamkeit erforschte und nachwies, dass dieselben Gesetze auch der heiligen Literatur zu Grunde liegen. Diese Freisinnigkeit, die ihn in so kühner Weise die Sprache der Propheten und Psalmisten mit der Cicero’s in Vergleich bringen ließ, beruhte auf seiner Ansicht, dass das Judentum durch Vergleichung mit der Kultur der alten klassischen Literatur nur gewinnen könne, weil erst dadurch dessen Schönheit und Erhabenheit ans Licht träten.

Ein italienischer Arzt und Talmudist, Elia di Ferrara, war es auch, der zu jener Zeit das Rabbinat in Jerusalem erhielt, als er dort eingewandert war, weil in der dortigen Gemeinde, merkwürdig genug, kein Mann von Kenntnissen vorhanden war.

Noch in den letzten Jahrzehnten, in denen es den Juden vergönnt war, auf der pyrenäischen Halbinsel zu leben, haben jüdische Ärzte einen bedeutenden Einfluss daselbst ausgeübt. So war Isaak Hamon Leibarzt eines der letzten granadischen Maurenkönige und genoss hohe Gunst bei Hofe und bei der Bevölkerung.

Zu den Günstlingen Affonso’s V. von Portugal gehörte außer dem berühmten Isaak Abrabanel auch sein Leibarzt Gedalja Ibn-Jachja, der jedoch nach dem Tode des Königs nach Konstantinopel auswanderte. Als Isaak Abrabanel und sein Sohn, der Arzt Juda Leon Medigo Abrabanel, später vor dem despotischen Nachfolger Affonso’s, Joano II., fliehen mussten, behielt der König den Sohn des letzteren als Geisel zurück und ließ ihn taufen. Der Schmerz des Vaters über den lebendigen Tod seines Kindes hat ihm ein schwermütiges Klagelied erpresst, das bis auf unsere Zeit sich erhalten hat.

Als Joano II. Schiffe zur Entdeckung des Seeweges nach Indien aussenden wollte, ließ er eine Art astronomischen Kongress zusammentreten, welcher brauchbare und praktische Sterntafeln ausarbeiten sollte. In diesem Kongress saß neben dem berühmten deutschen Astronomen Martin von Behaim und andern auch ein Jude, der königliche Leibarzt Joseph Vecinho. Der letztere legte den immerwährenden astronomischen Kalender zu Grunde und verbesserte auch das Instrument zur Messung der Sternhöhe (nautisches Astrolabium), das so unentbehrlich für die Schifffahrt war, und wodurch es erst Vasco de Gama möglich geworden ist, den Weg um das Kap der guten Hoffnung zu finden, und vielleicht auch Columbus, einen unbekannten Erdteil zu entdecken.

Nach der vollständigen Vertreibung der Juden von der pyrenäischen Halbinsel finden wir den erwähnten Jehuda Leon Medigo Abrabanel in Genua wieder. Er war sehr vertraut mit der Astronomie, der Mathematik und Metaphysik. Später wurde er dann Leibarzt des spanischen Großkapitäns Gonsaloo de Cordova, des Eroberers und Vizekönigs von Neapel. Als König Fernando, der die Juden aus Spanien verjagt, nach Eroberung des Königreichs Neapel (1504) befohlen hatte, die Juden auch von hier zu verweisen, hat der Gönner Leon Medigo’s diese Maßregel hintertrieben, wobei der Einfluss des letzteren auf ihn wohl auch mitgewirkt haben mag.

Leon Medigo hat die geistvolle Schrift: „Gespräche von der Liebe“ (Dialoghi d’amore) verfasst, ein Wechselgespräch zwischen Philo und seiner Geliebten Sophia über die höchste Bestimmung des Menschen, wobei die Liebe für das Lebensprinzip des Weltalls erklärt wird.

Der zweite von Isaak Abrabanel’s Söhnen, Isaak II., lebte als Arzt zuerst in Reggio, später in Venedig und lies seinen Vater aus Apulien dahin kommen.

Auch nach Jerusalem wanderten spanische Juden und haben die dortige Gemeinde zur neuen Blüte gebracht. Der edle Prediger Obadja di Bertinoro, der ein Schutzengel für die heilige Stadt war, wurde in seinem Streben auf das eifrigste unterstützt von dem spanischen Arzte David Ibn-Schoschan, der, voller Gelehrsamkeit und Adel der Gesinnung, in hohem Ansehen bei der Jerusalemer Gemeinde stand.

Spanische Arzte haben auch in der Türkei, selbst an dem Hofe der Großsultane und bei Wesiren und Paschas, einen weitreichenden Einfluss erlangt. Die geschickten Jünger aus der Schule Salamanca’s wurden wegen ihrer Gewandtheit, ihrer höhern Bildung, ihrer Verschwiegenheit und Klugheit den christlichen, ja sogar den mohammedanischen Ärzten vorgezogen. Sultan Selim hatte zum Leibarzte den aus Granada eingewanderten Joseph Hamon, und dessen Sohn und Enkel nahmen nacheinander dieselbe Stellung ein. Sein Sohn Mose Hamon (1490 — 1565), Leibarzt des klugen Sultan Suleiman, war noch viel angesehener und einflussreicher als der Vater. Aus Persien, wohin er Suleiman auf einem Siegeszuge gefolgt war, brachte er den gelehrten Jakob Tus mit, der den Pentateuch ins Persische übersetzt hat. Diese Übersetzung Hess Mose Hamon später auf eigene Kosten, nebst einer chaldäischen und arabischen Übersetzung drucken. Er galt als Beschützer seiner Stammgenossen und Förderer des Judentums.

In Salonichi wurde die Philosophie und Astronomie besonders von den Ärzten Perachja Kohen, seinem Sohn Daniel Aron Afia und Mose Almosnino gepflegt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juedische Ärzte und ihr Einfluss auf das Judentum.