Achtes Kapitel - Vidal. Jakob von Strassburg. Reuben. Sara. Da Rieti. Ibn-Musa. Joseph Albo. Hekim. Hamou. Bibago.

In Spanien vollzog sich inzwischen ein Akt, der die Einleitung war zum Verderben der dortigen Juden. Auf Veranlassung des Papstes Benedict XIII. und unter seinem Vorsitze hielt sein Leibarzt, der getaufte Jude Josua Lorqui (Geronimo de Santa Fe), mit den gelehrtesten Rabbinern und Schriftgelehrten Aragoniens, an deren Spitze der Arzt Vidal Ben-Benveniste Ibn-Labi aus Saragossa stand, ein Mann von altem Adel und neuhebräischer Dichter, eine Disputation zu Tortosa (1412), Es ist kein geringes Verdienst, dass sich Vidal und seine Genossen von allen den hier auf sie einstürmenden Eindrücken nicht niederbeugen ließen. Wurden doch z. B. die damals zu Tausenden bekehrten Juden nach und nach in den Sitzungssaal geführt, um dort in öffentlicher Versammlung ihr christliches Glaubensbekenntnis abzulegen und dadurch jene Verteidiger des Judentums zu entmutigen. Im Zorne darüber, dass er keinen der jüdischen Notabeln in seinem Glauben schwanken sah, hat Benedict im folgenden Jahre eine judenfeindliche Bulle erlassen, die aber von geringer Wirksamkeit war, da Benedict bald darauf auf dem Concil von Costnitz abgesetzt wurde.

Obwohl es den Juden in Deutschland damals verboten war, als Ärzte zu wirken, so hat es doch solche gegeben; so Jakob von Strassburg, der bis Frankfurt berufen wurde; ferner Reuben, ein Rabbiner in Tirol. Ja, in Würzburg gab es sogar eine jüdische Ärztin Sara, welche durch ihre Praxis ein ausgedehntes Besitztum erworben hat.


Italien hat im Anfange des 15. Jahrhunderts einen jüdischen Dichter erzeugt, den Arzt Mose da Rieti in Perugia, der, wenn er auch an Immanuel Romi nicht heranreicht, doch das Verdienst hat, den Versbau in der neuhebräischen Poesie ausgebildet und in die Klangendungen Wechsel und Mannigfaltigkeit gebracht zu haben. Ein Teil aus da Rieti’s Gedichten ist von den italienischen Juden in ihren Gottesdienst gezogen, und gewisse Abschnitte daraus sind jeden Tag rezitiert worden. In Spanien hat zu derselben Zeit, in welcher der schon genannte Vidal Ben-Benveniste, der in dem Religionsgespräche von Tortosa eine so feste Haltung gezeigt, eine Gegenschrift gegen des Apostaten Geronimo’s Anschuldigungen wider den Talmud (Kodesch ha-Kodaschim) veröffentlichte, der Arzt Chajim Ibn-Musa aus Bejar bei Salamanca, zugleich Verskünstler und Schriftsteller, Streitschriften verfasst, indem er sich besonders darauf legte, die Hauptquelle für die Angriffe der Christen gegen das Judentum, die Schriften des Franciskaners Nicolaus de Lyra, zu verstopfen, nicht bloß die dort aufgeführten Behauptungen zu widerlegen, sondern ihnen vornehmlich den Boden zu entziehen, aus dem sie ihre Nahrung schöpften. Sein Hauptwerk in dieser Richtung trägt den Namen „Schild und Schwert.“

Ihm schloss sich der bereits erwähnte Simon Duran in Algier an, indem er in einer so zu sagen philosophischen Beleuchtung des Judentums auch dem Christentum ein Kapitel widmete, um die Unverbrüchlichkeit der Thora gegen die Einwürfe der Gegner von christlicher und mohammedanischer Seite zu widerlegen. Der Rabbiner von Algier zeigt in diesem Kapitel, betitelt „Bogen und Schild“, eine außerordentliche Belesenheit in der neutestamentlichen Literatur und eine gründliche Vertrautheit mit dem Kirchenglauben, bekämpft beide mit den daraus entnommenen Waffen und übt eine schonungslose Kritik gegen dieselben.

Doch es erstanden zu jener Zeit nicht nur Männer, welche das Judentum gegen die Anläufe des Christentums in Schutz nahmen, es traten auch solche auf, welche es gegen die jüdischen Finsterlinge verteidigten, die alles Licht aus dem Judentum verbannen und den blinden Glauben statt vernünftiger Einsicht begründen wollten. Gegen die Verketzerungssucht der Wissenschaft seitens der Lichtfeinde trat der Arzt Joseph Albo aus Monreal (1380 — 1444) in die Schranken und verfasste eine ausführliche religionsphilosophische Schrift (Ikkarim, Grundlehren), worin er die wesentlichen Glaubenslehren des Judentums von den unwesentlichen zu scheiden und die Grenzlinie zwischen Gläubigkeit und Ketzerei festzustellen suchte. Er war wie Vidal einer der Hauptvertreter des Judentums bei der Disputation von Tortosa. Obwohl ein strenger Anhänger des Talmuds war er den philosophischen Lehren nicht abgeneigt, bestrebte sich viel mehr, beide Elemente in seinem Innern zu versöhnen. Sein religionsphilosophisches System war das letzte auf jüdisch-spanischem Boden. Er war einer der geschicktesten und anmutigsten Kanzelredner, und dieser Umstand hat auf seine Auseinandersetzungen einen entschiedenen Einfluss geübt; sie sind leicht fasslich, volkstümlich und fesselnd.

Nach Albo besteht das höchste Glück nicht so sehr in der Erhebung der Seele, als vielmehr in ihrer Rettung, und dies ist der Ausgangsund Endpunkt seines Systems. Zur Rettung der Seele ist die Offenbarung oder die göttliche Gesetzgebung notwendig gewesen, und diese hat drei Prinzipien zu ihrer Voraussetzung: das Dasein eines Gottes, die Offenbarung seines Willens und die gerechte Vergeltung nach dem Tode. Das Judentum allein entspreche allen Anforderungen, welche die Vernunft selbst an eine göttlich geoffenbarte Gesetzgebung stellt. —

In der Mitte des 15. Jahrhunderts brach ein Strafgericht über die Christenheit herein, die nicht müde wurde, das schwache Häuflein der Juden zu verfolgen und zu quälen. Mohamed II., der türkische Eroberer, zerstörte das byzantinische Reich und bedrohte auch die Länder der lateinischen Kirche. Er war den Juden wohlgesinnt und erlaubte ihnen, Synagogen und Lehrhäuser einzurichten. Viel mag zu der günstigen Stellung der Juden in der Türkei der Einfluss beigetragen haben, den seine jüdischen Leibärzte Hekim Jakob und Hamon auf ihn ausübten, von denen er den ersteren sogar zum Finanzverwalter gemacht hat.

In Spanien war, trotz der Bullen der Päpste Eugenius, Nikolaus und Calixtus, welche verboten, dass die Christen sich jüdischer Ärzte bedienen sollten, die Arzneikunde immer noch von Juden vertreten, und sie öffnete ihnen die Kabinette und Herzen der Könige und der Grossen. Es gab keine oder nur wenige christliche Heilkundige, und es blieb den Kranken nichts übrig, als zu Juden Zuflucht zu nehmen. Unter den letzten jüdischen Philosophen in Spanien gehörte ein großer Teil dem ärztlichen Stande an. So Abraham Bibago von Huesca, Arzt am Hofe Juan’s II. von Aragonien. Bibago war mehr Prediger als metaphysischer Denker, hinterließ daher nur Kanzelreden und verarbeitete vorhandene philosophische Ideen in Übersetzungen und in einem eigenen Werke („Weg des Glaubens“). Er hatte schon mit dem festgewurzelten Vorurteil der öffentlichen Meinung zu kämpfen, dass jede wissenschaftliche Forschung, die über den engen Kreis der Religion hinausstreife, von Übel und verdammenswert sei.

Auch Kabbalisten hat es unter den Ärzten gegeben; z. B. Joseph Sarco, Leibarzt der portugiesischen Grafenfamilie de Menezos, der ein eifriger Freund der gedankenlosen Mystik war.

Ein jüdischer Arzt war damals auch Vertrauter des Königs Heinrich IV. von Castilien (1454 — 1474) und wurde von ihm an den Hof von Portugal gesandt, um die Hand der schönen und jungen Prinzessin zu erwerben. Er erreichte zwar das Ziel seiner Sendung, wurde aber bald darauf ermordet. Ein anderer Leibarzt des Königs, der Rabbiner Jacob Ibn-Nunes, hatte die Aufgabe, die Abgaben der Juden von Castilien zu verteilen und einzuziehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juedische Ärzte und ihr Einfluss auf das Judentum.