Fünftes Kapitel - Abulmeni Abraham. Isaak Benveniste. Isaak Halevi. Nachmani. Ibn-Alkonstantini. Ibn-Alfachar. Ben Sabara. Mose Tibbon. Tortosi. Farag. Isaak ben Mardochai. Hillel. Schaltiel-Chen.

Maimuni’s Sohn Abulmeni Abraham hat zwar seinen Charakter, seine Frömmigkeit, seine Stellung als Leibarzt des Herrschers von Agygten Alafdhal, seine Würde als Haupt (Nagid) der ägyptischen Gemeinden, aber nicht seinen Geist geerbt. Auch sonst treffen wir in der trüben Zeit nach Maimuni’s Tode wenige, die mit diesem Manne sich vergleichen lassen.

Don Isaak Benveniste, Leibarzt des aragonischen Königs, hat durch seinen Einfluss bewirkt, dass das Concil von Montpellier (1214) den Druck, der damals auf den Juden lag, nicht noch erhöht hat. Die schmachvollen Bestimmungen, welche auf dem vierten Lateranconcil (1215) gegen die Juden beschlossen wurden, vermochte er jedoch nicht zu verhindern. Seinetwegen waren die aragonischen Juden von dem Tragen der schimpflichen Abzeichen befreit. Denn er hatte seinem Könige soviel Dienste geleistet, dass dieser den Papst Honorius veranlasste, ihm ein Ehrendiplom zu schicken.


Zu dieser Zeit hat der Arzt und Dichter Jehuda ben Isaak Halevi in Barcelona den edlen und hochgebildeten Todros Abulafia in Burgos, den Vater des Antimaimunisten Meir Halevi Abulafia, in einem Romane verherrlicht.

Einer der Hauptgegner Maimuni’s war der Arzt Mose Nachmani Gerundi (1195—1270) aus Gerona. Er war vom Autoritätsglauben voll und ganz beherrscht. Der Talmud war für ihn alles in allem, in dessen Lichte er die Welt, die Ereignisse der Vergangenheit und die Gestaltung der Zukunft betrachtete. Er hat den größten Teil des Talmud mit Erläuterungen versehen (Chiduschim), hat jedoch auf Maimuni’s Religionscodex keine Rücksicht genommen. Für ihn waren Bibel und Talmud zu selbstgewiss, als dass sie sich vor dem Richterstuhle der Vernunft zu rechtfertigen brauchten, während für Maimuni die Philosophie der Prüfstein der Wahrheit war. Maimuni wollte den Menschen im Hinweis auf seinen höhern Ursprung und seine einstige Glückseligkeit ebenso gegen Freude wie gegen Schmerz abstumpfen, Nachmani aber meinte, dass auch die irdischen Genüsse ihre Berechtigung hätten. War für Maimuni das Judentum ein Kultus des Gedankens, so war es für Nachmani eine Religion des Gefühls.

Aus der Disputation mit dem getauften Juden und Missionsprediger Pablo Christiani vor dem Könige Jayme von Aragonien ist Nachmani mit Ehren hervorgegangen. Die Geheimlehre der Kabbala hat er jedoch außerordentlich gefördert, indem er sie mit seiner Autorität deckte und hat dadurch zur Verdunkelung und Verkümmerung des Judentums das Seinige beigetragen. Der Einfluss der Kabbala ist auch in seinem Pentateuch-Kommentar nicht zu verkennen, den er nach seiner Verbannung aus Spanien in Palästina verfasst hat.

Als Führer der Maimunisten trat gegen Nachmani und seine Genossen Bachiel Ibn-Alkonstantini auf, welcher Leibarzt des aragonischen Königs Jayme war. In dem Kampfe, der sich in der Folge immer lebhafter zwischen den Anhängern und Gegnern Maimuni’s entspann, und der sogar dazu führte, dass die maimunischen philosophischen Schriften in den Bann getan wurden, hat Nachmani später einzulenken und zu vermitteln gesucht, aber mit wenig Erfolg.

Auch Jehuda Ibn-Alfachar aus Toledo, Leibarzt des Königs Ferdinand III., sprach sich mit großer Entschiedenheit in mehreren Streitschriften gegen das maimunische System der Versöhnung zwischen den zwei unverträglichen Gegensätzen, der griechischen Philosophie und dem Judentume, aus und meinte, wenn auch der „Führer der Schwankenden“ vortreffliche Gedanken enthalte, so doch auch genug verderbliche, und es wäre besser, er wäre gar nicht verfasst worden.

In dieser Zeit des äußern Druckes und der Innern Entzweiung im dreizehnten Jahrhunderte starb allmählich auch die neuhebräische Poesie ab, welche seit drei Jahrhunderten so schöne Blüten getrieben hatte.

Unter den wenigen damaligen Vertretern der neuhebräischen Dichtung ist der Zeit- und Kunstgenosse Alcharisi’s, Joseph ben Sabara, Arzt in Barcelona, zu nennen, der seinen Roman „die Ergötzlichkeiten“ (Schaaschuim) seinem Gönner, dem schon genannten Scheschet Benveniste, gewidmet hat.

Obschon die Juden in Frankreich die Arzneiwissenschaft in Flor gebracht hatten, obwohl fast jeder Fürst und Grosse seinen jüdischen Leibarzt hatte, hat das Concil zu Beziers (1246), bei Androhung der Exkommunikation, die kanonische Verordnung erlassen, dass Christen sich nicht von jüdischen Ärzten behandeln lassen dürften. Allein, wenn die Kirche auch die Seelen der Gläubigen gefangen und umnebelt hielt, deren Leib blieb stets ein Rebell gegen sie und ihre Satzungen, und so konnte daher dieses kanonische Gesetz nicht lange Platz greifen.

In der Krankheit suchte auch der bigotte Christ den geschickten jüdischen Arzt auf, und Männer wie der Tibbonide Mose und Schem-Tob Tortosi, Übersetzer philosophischer und medizinischer Schriften, hörten nicht auf, auch Christen in ihrer Kunst zu unterrichten.

Als der Bruder des fanatischen Königs Ludwig IX. namens Alfonso, Graf von Poitiers und Toulouse, an einem Augenübel litt, musste er die Hilfe eines geschickten jüdischen Augenarztes, Abraham von Aragonien, fast erbetteln, und in Montpellier, dem Sitze der medizinischen Hochschule, wurden jüdische Ärzte noch lange zur Prüfung, Praxis und sogar zur Lehrkanzel zugelassen.

Wie groß dennoch die Vorurteile gegen die Juden waren, kann man daraus ersehen, dass Alfonso X. von Castilien ein Gesetz erließ, dass ein Christ kein Heilmittel einnehmen dürfte, das von der Hand eines Juden bereitet wurde, obwohl er selber einen jüdischen Leibarzt namens Juda ben Mose Kohen hatte. Ebenso hielt sich der König von Sizilien, Carl von Anjou, einen jüdischen Leibarzt, Farag Ibn-Salomo, der als Gelehrter (unter dem Namen Ferragut) auch in christlichen Kreisen einen großen Ruf hatte; ja sogar einer der vier Päpste, welche in dem kurzen Zeitraum von dreizehn Jahren (1279—1291) regierten, vertraute seinen heiligen Leib der Behandlung eines jüdischen Leibarztes Isaak ben Mardochai an, der Maestro Gajo betitelt wurde.

Zu derselben Zeit wurde der Talmud in Rom von den Nachkommen des berühmten Nathan Romi (Verfassers des talmudischen Lexikons Aruch) gelehrt, Abraham und Jechiel dei Mansi, beide zugleich Ärzte. Auch Hillel ben Samuel aus Verona war Arzt in Rom. Derselbe hat sich die lateinische Sprache so vollkommen angeeignet, dass er sie schriftstellerisch zu gebrauchen verstand. Seine Briefe und Abhandlungen sind Muster eines klaren, fließenden, die Gedanken rein wiederspiegelnden Stiles. Er war ein Verehrer von Maimuni, wenn er auch im Gegensatze zu ihm die Wundererzählungen als Tatsachen auffasste.

Dagegen war der Arzt Serachja Schaltiel-Chen, der aus Spanien nach Rom eingewandert war, ein leidenschaftlicher Gegner des Wunderglaubens. Er wollte rationalistisch die in der Bibel auftretenden Wunder auf natürliche Vorgänge zurückgeführt wissen und geriet darüber in heftigen Streit mit Hillel von Verona, dem eben erwähnten Arzte. Letzterer war es auch, der einen heftigen Kampf führte gegen Salomo Petit von Akko, welcher zu jener Zeit die europäischen Länder durchreiste, um gegen die Anhänger Maimuni’s zu wühlen, ein Kampf, in dem Salomo Petit und seine kabbalistische Gefolgschaft unterlegen sind.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juedische Ärzte und ihr Einfluss auf das Judentum.