Wir Bayern blieben ganz allein zurück

Wir Bayern blieben ganz allein zurück.

Wir Bayern blieben also ganz allein zurück, und standen am Saume eines Waldes, den die Russen mit Kanonen zu beschießen anfingen. Wir zogen uns in Eile bei Bononia über die Uschazka zurück und breiteten uns jenseits in tiraillierender Ordnung aus, so daß das Bataillon Buttler den rechten Flügel, wir die Mitte, und das 11. Linien-Infanterie-Regiment den linken Flügel einnahmen. An der Brücke, über welche mir marschiert waren, stand eine Mühle, die einem Juden gehörte, wie denn überhaupt alle Schenken Rußlands, besonders auf dem Lande, von Juden betrieben werden. Da die Russen noch fern waren, so begaben sich mehrere Offiziere in die Mühle, wo Bier geschenkt wurde, das aus Brot gebraut war. Meine Frau hatte uns mit ihrem Fuhrwerk schon seit dem frühesten Morgen verlassen und die Route nach Polozk einschlagen müssen. Ich war also schon lange ohne Labung und der brennendste Durst quälte mich. Ich trat also auch in die Mühle und begehrte ein halbes Garnitz Bier (so viel als eine bayerische Maß). Der Jude aber antwortete mir mit grober Weise, für mich hatte er kein Bier, sondern nur für die Herren Offiziere. Ich sagte, ich würde ihm den Trunk bezahlen, eben so wie die Herren Offiziere, aber er wies mich barsch ab. Ich war tief beleidigt und gekränkt, daß ein fühlloser Mensch mir einen Trunk versagte, der mir so not tat. Da rief der Oberleutnant von Reichert (jetzt Hauptmann im 5. Linien-Infanterie-Regiment) mich herzu. Trinken Sie mit mir, sagte der Ehrenmann, was brauchen Sie sich mit den Juden in einen Streit einzulassen? Wer war froher als ich! Nie werde ich dem edlen Mann diesen Zug von Mitgefühl und Menschlichkeit vergessen. Ein Trunk in diesem Augenblick war Tonnen Goldes wert, und ich freue mich noch jetzt nach 20 Jahren, dem Herrn Hauptmann hier öffentlich meinen innigsten Dank darzubringen. Während wir unsern Durst löschten, war die russische Infanterie angerückt, es fielen Schüsse, und wir eilten alle auf unsern Posten. Die Brücke wurde abgeworfen und die Mühle in Brand gesteckt, um der russischen Artillerie die Annäherung zu erschweren. Ich bin nicht schadenfroh, aber als die Mühle brannte, hatte ich kein Mitleid mit dem Juden, der kein Mitleid mit mir gehabt hatte. Die Russen griffen jetzt mit großer Übermacht an, die Kosaken setzten oberhalb von uns über den Fluss und kamen uns in die Flanke. So überflügelt, traten wir, nach einem ungleichen aber hartnäckigen Kampfe, in welchem besonders das 11. Regiment durch Beschießung aus einem Erlenwäldchen viel litt, unsern Rückzug nach jenem Walde an, wo ich auf dem Hinweg das schlaflose Nachtlager gehabt hatte. Die Verwundeten fielen alle in Feindeshand. Wir sammelten uns in dem Walde, formierten eine Kolonne, und sollten so den fünfstundenlangen Weg nach Polezk zurücklegen. Plötzlich aber kam die Ordre Halt zu machen.