Meine erste Liebe

Meine erste Liebe

Hier sah ich oft Walburga, aber, wie sonst, nur mit feindseligen Augen. Sie galt in ganz Landshut für ein hübsches Mädchen, sowohl an Gesicht, als an Gestalt. In ihrer altbayerischen Tracht, im Schnürleib mit silberner Kette, die Riegelhaube im blonden Haar sah sie auch wirklich hübsch aus. Die eleganten Herren besuchten das Brauhaus, nur um sie zu sehen. Ich war froh, wenn ich ihr ausweichen konnte. Eines Abends, als ich eben nach Hause gehen wollte, stand Walburga in der Haustüre. Ich war im Begriff, an ihr vorüberzugehen, da sprach sie mit schüchterner Stimme: Guten Abend, Herr Korporal. Und indem sie mir etwas in Papier Eingewickeltes zustecken wollte, fuhr sie sort: Nehmen Sie’s nicht ungütig, hier hab’ ich Ihnen ein schönes Stück Braten eingewickelt. Mit Erstaunen und Entrüstung trat ich zurück. Wie kommt Sie mir vor, Jungfer, sagte ich. Meint Sie, ich leide Hunger in der Kaserne? Behalte Sie Ihren Braten und lasse Sie mich in Ruhe. So ließ ich sie stehen und ging. Aber sie ließ sich nicht abschrecken. So oft ich hinkam, grüßte sie mich auf das Freundlichste, wodurch ich gezwungen war, zu danken. Wenn ich ging, stand sie in der Türe und sagte mir guten Abend. Ich zerbrach mir den Kopf über diese Veränderung ihres Betragens, und allmählich fing ich an zu bemerken, daß sie nicht übel von Ansehen sei. Einige Zeit darauf fand ich sie reizend, dann liebenswürdig, und endlich liebte ich sie, so sehr man lieben kann. Mit dem erwachten Gefühle wich der Stolz. Ich nahm nun von Zeit zu Zeit die in Papier gewickelten Leckerbissen an, und bald waren wir ein erklärtes Liebespaar. Ich rechnete ihr die plötzliche Zuneigung zu mir, die sie sich so wenig erklären konnte, als ich, um so höher an, als damals der Soldatenstand nicht so geehrt war, wie jetzt. Man nahm damals jeden körperlich Tauglichen an, und fragte nicht, ob er moralisch gut sei. Das Sprichwort sagte damals: Wer nirgends gut tun will, den wird der Haselstock bessern. Bursche von schlechter Aufführung wurden vor andern ins Militär gesteckt. Daher argwöhnte der Bürger häufig liederliche Menschen unter der Montur. Jetzt ist es ganz der entgegengesetzte Fall. Taugenichtse werden nicht angenommen, und Unverbesserliche werden, nachdem sie vielfältig verwarnt und bestraft worden, endlich aus der Armee entfernt. Dadurch hob sich das Ansehen der Armee, und der Soldatenstand ist setzt um so Wehr das, was er sein soll, ein Ehrenstand.


Meine Geliebte war die Tochter eines wohlhabenden Gastwirts in Sigenburg bei Abensberg, folglich eine Bürgerstochter und wie Man zu sagen pflegt, guter Leute Kind. Nach damaligem Begriff konnte man ihr nicht verzeihen, daß sie sich bis zu einem Soldaten herabließ. Es wurde den Eltern hinterbracht, welche Schande sie ihnen mache; denn auch in der Welt der gemeinen Leute herrschen uralte Vorurteile. Der Schneider dünkt sich besser als der Schuster, der Brauer besser als der Schreiner. Eben so wie beim Abel wird die Herkunft in Anschlag gebracht. Ich war ein Soldatenkind, Walburga eine Bürgerstochter. Welche mésalliance Aber die Liebe sieht höher, als alle menschliche Ansichten, und ist stärker als der hundertjährige Wahn. Walburga ließ sich durch nichts irre machen. Sie kümmerte sich wenig um die Welt und den Einspruch ihrer Familie, denn ich war ihre Welt und ihr Alles. Wir gaben uns feierlich das Eheversprechen, wiewohl wir noch nicht wußten, wie wir es je würden halten können. Denn wo sollten wir 500 fl. Kaution, die der Korporal bei der Verheiratung erlegen mußte, hernehmen? Aber genug, wir liebten uns und überließen das Weitere der Vorsehung.

So kam das Jahr 1809 heran, und mit ihm der Feldzug gegen Österreich. Das Regiment mußte in solcher Hast ausmarschieren, daß es seine Beurlaubten nicht mehr einberufen konnte, denn die Österreicher waren, wie es hieß, ohne Kriegserklärung ins Land gefallen. Nun galt es Eile. An alle Landgerichte wurde geschrieben, daß die Beurlaubten auf den Weg, den das Regiment, einschlug, instradirt würden. Die Fouriere schrieben Tag und Nacht. Hierbei begegnete mir ein ähnliches Abenteuer wie früher mit dem ab initio.— Ich stand als Ordonnanz-Korporal im Vorzimmer bei dem Obersten Baron von Metzen, der eben mit seinem Adjutanten und einem Fourier beschäftigt war, die Briefe an die Landgerichte zu expedieren. Da deren aber so viele waren, so rief er mich herein. Ordonnanz-Korporal, sagte er zu mir, helfen Sie uns die Briefe hier zumachen, damit es schneller geht. Ich erschrak nicht wenig, denn ich hatte in meinem Leben keinen Brief zugemacht. Ich schielte nach den Händen des Adjutanten, um es ihm in der Schnelligkeit so gut als möglich abzulernen, und, in der Meinung es recht gut zu machen, nahm ich, damit es schneller ging, zwei Briefe an verschiedene Landgerichte zusammen, bog sie in einander zu einem Brief, und der Adjutant ohne es zu bemerken, drückte das Siegel darauf. Als der Fourier und der Adjutant die Adressen kollationierten vermissten sie ein Schreiben. Nun begann ein Suchen und Wühlen in den Papieren. Jetzt sah ich ein was ich für einen Streich gemacht hatte. Ich war wie gelähmt vor Angst. Endlich mußte ich mich entschließen, zu bekennen! Ich kam mit einem Verweis davon, denn Oberst Metzen war ein sehr, humaner edler Mann, der schon damals zu jedem Unteroffizier Sie sagte; ein Mann der dem Regiment unvergeßlich bleiben wird.