Feldzug gegen die Österreicher

Feldzug gegen die Österreicher

Das Regiment marschierte voraus, und die zwei Reserve-Kompanien sammt alten Bagagewagen mit Montierungsstücken folgte. Alles hatte in der größten Hast gepackt werden müssen, den wir waren in Gefahr von den Österreichern überrumpelt und gefangen zu werden. Ich, der noch keinen Feldzug mitgemacht hatte, und dessen Wunsch es immer war, mich hinaus in die Abenteuer der Welt zu stürzen, meldete mich bei meinem Hauptmann von der Reserve weg und zum Regiment. Allein dieser erklärte mir, daß der Soldat keinen Willen habe, sondern dahin gehen müsse, wohin ihn die Ordre riefe. Auch fehlte kein Korporal im Regimente, an dessen, Stelle ich hätte einrücken können. Zudem, tröstete er mich, zöge die Reserve eben so gut ins Feld, wie das Regiment, und es werde mir an Kriegserlebnissen nicht fehlen. Wir schlugen den Weg in die Gegend von Ulm ein, und wurden von dort nach München beordert, aus welcher Stadt die Österreicher bereits wieder vertrieben waren. Hier wurde aus der Reserve eine Kompagnie gebildet und dem Graf Arko’schen Korps einverleibt. Dieses bestand aus zwei Abteillungen von leichten Jägerbataillons, einer Abteilung vom Leibregiment, einer Abteilung vom Regiment Kronprinz, einer Abteilung vom Regiment Graf Preising, wobei ich stand, einer Abteilung vom Regiment Löwenstein, dann etwa einer halben Eskadron Dragoner; endlich zwei Kanonen. Wir marschierten rasch nach der Grenze von Tyrol, wo alles in vollem Aufruhr war. Wir kamen nach Tölz, von da in die Gegend von Benedikt-Bayern, an den Kochelsee, den Wallersee, und standen endlich vor Mittenwald im Lager. Wir hatten einige Scharmützel mit den Tyrolern, vorzüglich bei Leitasch, einem österreichischen Ort und Engpass, wo uns einige Mann, unter andern der Lieutenant Rüger, erschossen wurden. Gleich darauf griffen wir die Tyroler in dem ebenfalls österreichischen Dorf und Engpass Scharnitz an und nahmen beides weg. Ein Wirt daselbst hatte früher oft seinem Haß gegen Bayern dadurch Luft gemacht, daß er einen Preis von 5 fl. setzte, für jede bayerische Haut, wie er sich ausdrückte, die man ihm bringen würde. Die Wut der Soldaten war daher so groß, daß sein Haus, gleich das erst, beim Einzug in das Dorf, in Brand gesteckt wurde. Ein unglücklicher Wind jagte die Flammen auf die benachbarten Häuser, und so wurde beinahe die Hälfte des Ortes eingeäschert, ohne daß jemand wußte, wer eigentlich die Ordre dazu gegeben hatte. Ein Teil der Truppen verfolgte die Tyroler in die Wälder und Berge, mußte aber bald, wie sich in der Folge zeigen wird, von der Verfolgung ablassen. Ein andrer Teil, worunter ich, blieb im Dorf und kreuzte in den Gassen und Häusern herum. Alles war öde und leer. Keine lebende Seele zu treffen. Es blieb mir ein Rätsel, wo die Bewohner sich so schnell konnten hingeflüchtet haben, denn der Angriff war mit solcher Schnelligkeit geschehen, daß wir noch die kochenden Speisen fanden. Bei diesem Herumschwärmen geriet ich in ein Haus, das ebenfalls ganz verlassen war. Das einzig lebende Wesen, das ich erblickte, war ein Vogel, eine Kohlmeise, die von dem Lärmen, Schreien und Schießen scheu gemacht, ängstlich im Käfig am Fenster herumzappelte und flatterte. Das Hausdach stand schon in Flammen. Der Vogel jammerte mich. Armes Tier, sagte ich, sollst du den hier verbrennen? und öffnete den Käfig und gab ihm die Freiheit. Ich wußte nicht, wie nahe ich daran war, die meinige zu verlieren. Einige Schüsse, die draußen fielen, lockten mich aus dem Hause. Indem schlug der Tambour in der Ferne den Appell. Ich lief eilends dem Ton nach, verfehlte aber den Weg, und statt eine kleine Brücke über einen Bach zu passieren, geriet ich seitwärts zwischen die Isar und das Gebirg. Während dem zeigten sich die Tyroler, die von Seefeld her Verstärkung erhalten hatten, schon auf den Bergen. Man kann sich ihre Wut denken, als sie das Dorf brennen sahen. Ihr Mordbrenner! Ihr Räuber! hörte ich sie schon von weitem schreien. Ich floh und mußte eine steile Anhöhe herabrutschen, während sie ihre Büchsen auf mich losbrannten. Die Unsrigen hatten das Dorf bereits verlassen und sich rückwärts längst dem jenseitigen Ufer aufgestellt. Da stand ich zwischen dem nahenden Feind und der Isar. Die Unsrigen schrieen und winkten mir zu, herüber zu schwimmen. Aber ich konnte nicht schwimmen. Die Tyroler kamen immer näher. Mir blieb nur die Wahl, entweder in die Hände erbitterter Menschen zu fallen, die mich gewiß in die Flamme geworfen hätten, oder zu ertrinken. Endlich entschloß ich mich. Lieber sollst du ersaufen, dachte ich, als dich an die Tyroler ergeben, und somit sprang ich ins Wasser. Zum Glück war die Isar dort nicht ganz mannstief, so daß ich unter einem Kugelregen glücklich das jenseitige Ufer erreichte. Wir rückten wieder in unser Lager bei Mittenwald ein, und die Tyroler verfolgten uns nicht, sondern blieben in und bei Scharnitz stehen. Wenige Tage nachher griffen uns die Jnsurgenten, etwa 600 Mann stark, wie es hieß, mit aller Macht an, um uns zu überrumpeln. Doch wurde ihr Anmarsch noch früh genug entdeckt. Ich ward nämlich mit 30 Mann beordert, einem Oberleutnant von einem leichten Jägerbataillon, der mit ungefähr 100 Mann in der Gegend des Engpasses von Leitasch gegen die Tyroler im Feuer stand, zu Hilfe zu kommen. Aber kaum hatte ich den halben Weg zurückgelegt, als ein freiwilliger Bürgerhauptmann von München, Namens Irle, der auf einer Felsenspitze stand, mich fragte, wohin ich wollte. Ich sagte ihm Bescheid, worauf er mir riet, so schnell als möglich wieder umzukehren, da der Oberleutnant gegen Mitterwald von der Übermacht zurückgedrängt würde, und ich zu spät käme; denn, fügte er hinzu, die Tyroler sind mir schon auf den Fersen. Kaum hatte er es gesagt, als wir sie schon scharenweise anrücken sahen. Ich erblickte an der Spitze eines Haufens einen Priester im weißen Chorrock mit dem Ciborium in den Händen, der die Tyroler zum Angriff aufzufordern und zu begeistern schien. Auch fielen schon rings aus dem Gebüsch Schüsse auf uns. Im Tal, das linkerhand gegen Scharnitz zu vor uns lag, standen zwei Kanonen. Ich entschloß mich schnell diese zu decken, denn die Tyroler strömten aus dem Scharnitzer Engpass her, wo wir sie nicht vermutet hatten. Ich eröffnete sogleich das Feuer gegen sie, und auch die Kanonen blieben nicht müßig. Bei jedem Kanonenschuss duckten sich die Tyroler ins fast mannshohe Gras und legten sich platt auf die Erde, sprangen aber gleich wieder auf, und setzten ihr Feuer sort. Ein Unteroffizier mit bayerischen Gebirgsschützen, Namens! Lautner, und noch ein Unteroffizier vom Leibregiment mit einiger Mannschaft, stießen zu uns. Doch umsonst. Wir mußten der Übermacht weichen, denn von allen Seiten verstärkten sich die Tyroler. Wir kamen so sehr ins Gedräng, daß wir nahe daran waren die Kanonen aufzugeben, doch brachten wir sie glücklich davon und zogen uns in guter Ordnung tiraillierend zurück. Bei Mitterwald gerieten wir abermals in eine schlimme Lage, da die Tyroler uns von einer andern Seite her in die Flanken kamen. Hätten sie damals mehr geregelten Mut und strategische Kenntnis gehabt, so wäre das ganze Bataillon gefangen worden. Von dem Hauptkorps getrennt, mußte ein Trupp Soldaten zwischen der Isar und der Stadt Mitterwald hindurch. Viele, worunter einige Dragoner, stürzten sich in den Fluss. Ein Korporal Namens Reiter halte den Schweif eines Pferdes gefaßt und ließ sich so durch das Wasser schleppen. Ein wunderlicher Anblick: vorn ein Soldat zu Pferd, hinten am Pferdschweif einer mit Gewehr und Tornister auf dem Rücken. So drohend die Gefahr, so groß unsere Betrübnis über den Rückzug war, so mußte ich doch über diese drollige Szene herzlich lachen. Wir langten endlich am Wallersee an. Die beiden Unteroffiziere, die, als ich schon lange im Feuer gestanden, als Sukkurs zu dieser Affaire kommandiert worden waren, bekamen in der Folge die silberne Medaille. —


Diese Affaire an der Scharnitz war meine erste, und mir in jeder Beziehung eine wahre Lust. Alle die neuen Erfahrungen, die ich im Kriegshandwerk machte, die nie gesehenen Gegenstände, das paradiesische Land mit seiner immerwahrenden Abwechselung von Bergen, Wäldern, Felsen, Wiesen, Seen, alles entzückte mich. Ich hatte oft gehört, daß Rekruten im ersten Feuer bange sind und das sogenannte Kanonenfieber bekommen. Bei mir war das nicht der Fall. Ich kannte die Gefahr zu wenig, war zu jung und zu leichtsinnig, um zaghaft zu sein. Das Krachen der Kanonen, das Knallen der Gewehre erfreute mich und kam mir recht lustig vor. Ich dachte gar nicht daran, daß ich tobt bleiben oder zum Krüppel könnte geschossen werden. In der Folge, besonders im russischen Feldzuge, verlor sich diese kecke Zuversicht, und ich wurde weit behutsamer und scheuer, wiewohl ich mich nie schwach oder furchtsam finden ließ.

Am Wallersee sammelte sich unser Bataillon und bezog ein Lager bei Kochel und Benedikt-Bayern. Vor uns lag eine Bergkette, durch welche nur ein einziger Hohlweg führte. Unser Kommandant, Oberst Graf Arko, ein unvergleichlicher Offizier, von außerordentlichem Mut und unermüdlichem Eifer, überall der Erste voran, wo es am gefährlichsten war, rekognoszierte das Terrain und ließ diesen Engpass mit einem, massiv aus Balken gezimmerten, stark mit Eisen beschlagenen Schutzgatter verrammeln, jedoch so, daß es von unserer Seite zu öffnen war. Hieher postierte er ein Piquet und beugte so jedem Überfall und dem ersten Anlauf der Tyroler von dieser Seite vor. Häufige Patrouillen wurden durch dieses Gatter gegen den Feind zu geschickt. Dies war jedesmal ein gewagter Gang, denn wir liefen immer Gefahr aufgehoben zu werden, wenn die Tyroler, dir ebenfalls in dieser Gegend patrouillierten, darauf verfallen wären, uns einen Hinterhalt zu legen. Zum Beweis, daß die Patrouille der Ordre Folge geleistet hatte, mußte der Wirt des Dorfes am Wallersee unsere richtige Ankunft bescheinigen. Eines Tages wurde unserm Kommandanten verraten, daß die Insurgenten von Mitterwald her uns zu überfallen im Sinne hätten. Sogleich beorderte er einen Oberleutnant, um Mitternacht aufzubrechen, und sich mit einer beträchtlichen Truppenabteilung nebst einiger Kavallerie bei dem Dorfe am Wallersee ins Gebüsch zu legen, da ganz still sich zu verhalten, bis der Zug der Tyroler vorüber wäre und erst anzugreifen, wenn er mutmaßen konnte, daß der Feind schon weit genug zwischen dem See und dem Gebirge vorgerückt sei. Die größere Hälfe des Bataillons, unter Anführung des Grafen Arko, stand schlagfertig unweit des Kessels, am obgedachten Schutzgatter, um sogleich vorzurücken, wenn der Oberleutnant das Feuer eröffnet haben würde. So hatten wir die Tyroler zwischen zwei Feuer gebracht, wo sie trotz ihrer Übermacht eine derbe Schlappe würden erlitten haben, weil sie auf der Fläche gegen Kavallerie und Bajonetten im Nachtheil gewesen wären. Allein das Glück begünstigte sie. Sei es, daß jener Oberleutnant im Eifer zu voreilig angegriffen, oder daß, wie es hieß, dir Vortrupp der Tyroler durch den Schreck eines alten Weibes beim Anblick unserer im Gebüsch liegenden Truppe aufmerksam gemacht worden war, kurz der Angriff geschah zu früh, der Haupttrupp der Tyroler machte Halt, und vom Vortrupp aus etwa 30 Mann bestehend, wurden nur wenige teils zusammengehauen, teils gefangen; die Übrigen sprangen in die Kähne und retteten sich unter einem ganz fruchtlosen Kugelregen über den Wallersee. Wir rückten wieder in unser Lager ein. Die Gefangenen, worunter auch einige Verwundete, wurden nach München abgeführt.