Geld regiert auch im Krieg die Welt

Geld regiert auch im Krieg die Welt

Von Grütze erhielten wir jeder ungefähr so viel, als eine hohle Hand fassen konnte. Ehe uns der Jude einquartierte, erklärte er mit unverschämter Freimütigkeit, wer ihm Geld gäbe, den wolle er bei den Bauern unterbringen, wo er Kartoffeln, wer ihm aber nichts gäbe, den wolle er in ein Judenhaus legen, wo er nichts zu essen bekäme. Mir waren von dem Thaler, den ich in Dochschütz wechseln ließ, noch einige Groschen übrig geblieben. Ich gab dem Habsüchtigen einen davon und wurde in einem Bauernhaus untergebracht, wo die Bewohner mich sehr willig aufnahmen. Es waren gute Menschen, die mir von jedem Mittagsmahl und Nachtessen Kartoffeln oder Kraut gaben. Dieses war eine große Beihilfe zu dem Brot und der Grütze, die ich im Magazin faßte. Ich hatte nun ein Obdach, eine warme Stube, und konnte meinen Hunger stillen. Welches langentbehrte Glück! Jetzt dachte ich auch an die Reinigung meines Körpers, und bewerkstelligte sie so gut ich konnte. Eine kleine Beschreibung der Wohnung, in der ich einen kurzen Stillstand meiner Leiden genoss, möge dem Leser einen Begriff von der, dortigen Bauart und Lebensweise geben. Das Haus bildete ein Viereck, aus Holz gebaut, nur ein Stockwerk hoch, so daß die bewohnbaren Gemächer zu ebener Erde waren, dann folgte der Dachstuhl. Dieser ist gewöhnlich mit Holzspänen oder einer Art von Schindeln gedeckt, die mit Stangen quer überlegt und mit Steinen beschwert sind. In der Stube selbst waren rings an der Wand breite Bänke angebracht, auf denen sich’s bequem liegt. In einer Ecke stand ein großer Tisch, über welchem ein schmutziges, schlecht gemaltes Bild des heiligen Niklas angebracht war. Ferner war da eine bretterne Pritsche, worauf der Bauer, sein Weib und seine ganze Familie, alle durcheinander, zu schlafen pflegen In der Nahe dieser Pritsche hing an vier Stricken, wie eine viereckige Wagschale, eine bretterner Behälter, der einem großen Spuckkästchen ähnlich sah, und worin ein kleines Kind lag, das in dieser Schaukel auf und, nieder baumelte, und von dem Rauch des Ofens so geschwärzt war, als ob es im Schornsteine gehangen hätte. Zu den Menschen gesellen sich des Winters auch noch junge Schweine, Schafe, Kälber, Hühner, Gänse und Enten, und machen mit den Menschen gleichsam nun eine Familie aus. Man stelle sich die Unreinlichkeit, den Gestank vor. Eine andere Plage ist das zahllose Ungeziefer, das in einer solchen Hütte durch ihre Bauart förmlich gehegt wird. Denn zwischen den aufeinander liegenden Balken, die die Wände bilden, ist immer eine Schicht Moos, wo sich Heere von Wanzen und Schaben aufhalten und gar nicht zu vertreiben sind, was übrigens den Bewohnern auch gar nicht in den Sinn kommt. Auch stecken in dem Moose eine Menge Grillen (Heimchen) deren unaufhörliches nächtliches Zirpen und Schrillen keinen Menschen schlafen läßt, der nicht da geboren und erzogen oder durch Gewohnheit verhärtet ist. Von den Läusen schweige ich. In diesem Artikel hatte weder der Soldat dem Bauer, noch der Bauer dem Soldaten etwas vorzuwerfen, denn beide waren von der üppigen Natur gleich verschwenderisch damit versehen. Rechnen wir nun noch den Ofen, dessen Bauart schon beschrieben und die durch ganz Rußland ungefähr dieselbe ist, so ist die Ausstaffierung der Stube vollendet. Die Art des Heizens ist für einen Fremden sehr lästig, der des dicken Rauches noch ungewohnt ist. Der Russe holt kein dürres Holz aus seinen Wäldern, sondern er steckt grünes, frisch gehauenes in seinen Ofen. Während ein Teil davon in Flammen steht, trocknet der andere darneben bis die Reihe an ihn kommt. Dadurch entsteht eine dicke Rauchsäule die aus dem Ofenloch steigt, sich in der Stube verbreitet und durch ein viereckiges Loch in der Decke den Ausweg sucht. Dieses Loch und die Tür werden zu diesem Behufe aufgerissen, sobald geheizt wird. Aber ehe das Feuer Luft bekommt und der Rauch seinen Weg findet, ist es kaum auszuhallen. Man pflegt sich auf die Erde zu setzen, während das Feuer zusammenbrennt. Nun steigt der Rauch schichtenweise in die Höhe und wenn das Feuer zur Glut ausgebrannt ist, verschwindet er völlig. Nun wird das Loch und die Tür zugemacht, und es verbreitet sich eine tüchtige Wärme, die selbst bei der strengsten Kälte den ganzen Tag über anhält, so daß man vor Abends nicht mehr zu heizen braucht. Das Essen wird an dem Feuer gleich Morgens für den ganzen Tag gekocht, und erhält sich an der Glut, die in ein Loch zusammengeschürt wird, bis in die Nacht hinein warm. Alle Gerätschaften, Tisch, Pritsche, Bänke, Holzgeschirre, sind von des Bauers eigener Hand verfertigt. Auch seine Schlitten und Wagen, die Stränge, woran die Pferde ziehen, sogar die Räder, macht jeder sich selbst. Dazu kommt nicht ein Loth Eisen, und doch ist alles auf das Beste befestigt und dauerhaft.


Doch wieder zu meinen Schicksalen, denn das Land mit seinen Gebräuchen und Eigentümlichkeiten zu schildern ist nicht meine Aufgabe. Ich berühre davon nur so viel als nötig ist, um sich einen Begriff von meiner Lage zu machen. Trotz des Ungemachs, das ich durch die Nachbarschaft der Haustiere und die noch weit unwillkommenere Nähe des Ungeziefers zu erleiden hatte, fühlte ich mich doch hier glücklich, denn ich wurde gespeist, gewärmt, und freundlich behandelt. Von Zeit zu Zeit ging ich zu dem Juden Simon, der Branntwein schenkte, und wo die Gefangenen sich zu laben pflegten, nämlich diejenigen, die noch einiges Geld besaßen, oder sich durch Betteln welches erworben hatten, wobei besonders die Edelleute, die zur Stadt gefahren kamen, in Anspruch genommen wurden. Besonders wußten die Franzosen, die sich überhaupt mit großer Gewandtheit in jeder Lage des Lebens zu helfen wissen und die Heiterkeit ihres Geistes nie verlieren, sich auf verschiedene Weise Unterstützung zu verschaffen.