Aufstieg im Gebirge zu einer Sennhütte

Aufstieg im Gebirge zu einer Sennhütte

Bald darauf erhielt ich die Ordre, mit 24 Mann Liniensoldaten und, 6 Mann von den Gebirgsschützen aus dem bayerischen Tyrol, die, sich uns freiwillig angeschlossen hatten, nach, der Alpe des Herrn von Utzschneider aufzubrechen, um, in der Sennhütte die beiden Senner aufzuheben und ins Lager zu bringen. Diese beiden Bauern waren echte. Tyroler und standen im Verdacht, ihren Landsleuten gegen uns als Spione zu dienen. Es war also viel an ihrer Habhaftwerdung gelegen, und der Auftrag war ehrenvoll für mich. Ich trat den Marsch um 7 Uhr Morgens an. Zu Wegweisern hatten wir zwei Bauern aus Benedikt-Bayern, die bestimmt waren, die beiden Tyroler in ihrem Geschäft auf der Sennhütte zu ersetzen. Wir hatten die Erlaubnis erhalten, die Tornister im Lager zu lassen, was uns bei der großen und steilen Höhe dieses Gebirges sehr angenehm war, und so kletterten wir frohen Muts hinan. Es war ein trüber regnerischer Tag. Hoch über uns und in beträchtlicher Ferne sahen wir eins dichte Wolke, gleichsam an den Felsen hängend. Dorthin müssen wir, sagte einer der. Wegweiser, indem er auf die Wolke deutete, hinter dieser Wolke liegt die Schweizerei. Mir war seltsam zu Mute. Durch eine Wolke marschieren, das kam mir, unbegreiflich vor. Endlich kamen wie in die Wolke, die unsern Augen wie Nebel erschien, und stiegen immerfort den schmalen steilen Weg hinan. Je weiter wir kamen, je heller wurde es um uns herum und zuletzt standen wir im freundlichsten Sonnenschein. Unter uns der Regen, über uns der helle blaue Himmel. Man denke sich unser Erstaunen. Wir waren alle junge Burschen von 18 bis 20 Jahren, vom flachen. Lande. Ein solcher Anblick war ein Wunder in unsern Augen. Nur die Gebirgsschützen, an solche Erscheinungen gewöhnt, blieben gleichgiltig. So kamen wir auf, der Alpe an. Hier bot sich uns ein neues nie gesehenes Schauspiel dar. Der herrlichste Frühlingstag beschien blühende Fluren, ein fettes Gras und grüne Hügel, auf denen die kleinen Hütten, wo Butter und Käse gemacht wird, romantisch herum lagen, und wo das schönste Vieh friedlich weidete. Die Ziegen hingen an den steilen Felsenwänden und suchten mit emsiger Verwegenheit die schmackhaften Kräuter und Wurzeln, die dort wuchsen. Mir pochte das Herz ängstlich um diese guten Tiere, denn ich glaubte jeden Augenblick, sie müßten in den fürchterlichen Abgrund hinunterstürzen. Wie das Herz mir hoch aufschwoll über diese ländliche Szene, mit welchem Entzücken ich alles betrachtete, läßt sich nicht beschreiben. Ich hatte nicht Augen genug, um Alles recht in mich aufzunehmen. So muß es im Paradies aussehen, dacht’ ich bei mir selbst. Wahrlich, es kam mir vor, als ob von der Wolke , durch die wir gekommen, gar nicht mehr weit in den Himmel sein könne. Mir war so wohl und doch so wehmütig ums Herz, daß ich es Niemanden begreiflich machen kann. Ich ließ die Mannschaft Halt machen und ausruhen. Dann übergab ich sie der Aufsicht eines Gefreiten, und ging mit 6 Mann und den beiden Wegweisern nach der kleinen Sennhütte, die zwischen Gebüsch und Hügeln lag, um die Tyroler in Empfang zu nehmen. Allein die Hütte war ganz menschenleer. Die Tyroler werden wohl draußen bei den Kühen sein, meinten die Wegweiser. Ich beschloß, meiner Ordre gemäß, zu warten, bis sie zurückkämen, und war gefaßt, sie weiter im Gebirg aufzusuchen; wenn sie ausblieben. Es war bereits Mittag und der Hunger und Durst stellten sich ein. Wir ließen uns von den Wegweisern, die auf der Alpe bleiben sollten, und bereits Besitz von Allem genommen hatten, in großen hölzernen Gefäßen Milch reichen. Einem Drittheil der Mannschaft erlaubte ich, sich ins Gras zu strecken und mit dieser Milch und dem mitgebrachten Brot sich gütlich zu tun, während die beiden andern Drittteile unter den Waffen bleiben wußten. So wechselten wir ab. Diese Vorsicht war nöthig, da die Tyroler vielleicht nicht fern waren und man nicht wissen konnte, was rings um uns im Gebirge versteckt war. Mittlerweile kam einer von den Tyrolern an, ein kleiner vierschrötiger Mann. Er erschrak heftig, als er uns erblickte. Ich hatte die Mannschaft so aufgestellt, daß man uns nicht eher sah, als bis man nicht mehr entwischen konnte. Ich ging auf diesen Mann zu, ließ mir seinen Namen sagen, erklärten ihm, daß er mit zum Kommandanten müsse, und fragte ihn, wo sein Gefährte sei. Er antwortete, dieser käme gleich nach. So war es auch. Nach einer kleinen Weile erschien ein riesenmäßiger Kerl, der aber noch weit heftiger erschrak, als der kleine. Auch er mußte mit seinen Namen sagen. Beide Namen, die ich schriftlich bei mir hatte, trafen zu, und ich kündigte nun auch diesem an, daß er uns zum Kommandanten zu folgen habe. Auf ihre Frage, warum man sie arretiere, erwiderte ich, daß dies mir unbewusst sei, und versicherte sie dabei, daß sie nichts zu fürchten hatten. Da sagte der Kleine: Nun so komm, Gürgl, die Bayern werden uns den Kopf nicht abreißen. Sie packten nun unter Aufsicht einiger Soldaten, die ihnen in ihre Hütte folgten, ihre Habseligkeiten zusammen, wurden dann von uns in die Mitte genommen, und so traten wir den Rückweg an. Doch brauchte ich die Vorsicht, drei Mann etwa fünfzig Schritte voraus, und zwölf Mann eben so weit hinter dem Haupttrupp marschieren zu lassen, um mich vor einem Überfall sicher zu stellen. Mit widerstrebendem Gefühl verließ ich diese herrliche Gegend. Ich wäre lieber noch höher gestiegen als wieder herunter. Hier ist gut Hütten bauen, dachte ich mit Wehmut. Hier muß es selbst im Winter schön sein, wo das Vieh in die Täler getrieben und zu Stall gebracht wird. Wer je eine Alpe gesehen hat, wird mir diese Gefühle nicht verargen. Es hatte nun auch im Tal aufgehört zu regnen, der Himmel war heiter. Doch war das Erdreich vom Regen so aufgeweicht und schlüpfrig geworden, daß wir nur mit größter Beschwerlichkeit und Gefahr am Rande der Abgründe marschieren konnten, indem wir uns teils an dem Gebüsch fest hielten, teils nur rutschweise vorwärts kamen. Doch langten wir endlich Abends im Lager an. Ich übergab meine Arrestanten und rückte bei meiner Kompagnie ein, aber sehr verstimmt, denn ich wäre lieber mein Leben lang auf der Alpe geblieben. Die beiden Tyroler wurden nach München in Verwahrung gebracht, wie ich später erfuhr.