Geldvermehrung und Begriff: Inflation.

3. Ferner: Da in der deutschen Finanzierungspraxis mit der Verausgabung der neugeschaffenen Kaufkraft gleichzeitig eine Geldvermehrung und im weiteren Verlauf des Krieges mit der Wiederverausgabung der auf das Reich übertragenen Kaufkraft (vgl. II) zum mindesten eine Ausgabe von Geld (Noten und Giro) stattgefunden hat, so kann durchaus nicht überraschen, wenn bei der Begriffsbestimmung des Wortes „Inflation“ hier und dort selbst heute noch von dieser Geldvermehrung ausgegangen, ja die Geldvermehrung geradezu als das Wesen der Inflation angesehen wird. Dieser Vorgang ist umso verständlicher, als die Erfahrungen aus älteren wie aus jüngeren Inflationserscheinungen lehren, dass die im Zusammenhang mit der Inflation stehenden Geldvermehrungen nicht sofort oder überhaupt wieder durch entsprechende Gegenmittel aus der Welt zu schaffen sind, sei es, dass die Gegenmittel (vgl. zweiter Teil) nicht sofort zur Anwendung gebracht werden können, oder dass die durch Inflation eingetretenen Preiserhöhungen dauernd größere Mengen von ,,baren“ Zahlungsmitteln im Verkehr binden, oder endlich, dass daneben noch besondere Umstände (Vergrößerung des Zahlungsgebietes, Angstthesaurierungen) auf einen erhöhten Umlauf an baren Zahlungsmitteln hinwirken.

In diesem Sinne wird dann das Wort Inflation so ausgelegt, dass es sich um die Aufblähung der in der Volkswirtschaft umlaufenden Zahlungsmittel, um die Aufblähung des Geldes im engeren Sinne, um eine Geldvermehrung gegenüber einem nicht in gleichem Umfang gestiegenen Gütervorrat handelt, wobei dann wieder — je nach den besonderen Geld- und Krediteinrichtungen des beobachteten Landes — entweder nur an die Metallmenge, an den Papierumlauf oder in Verbindung mit diesem an die Bargeld ersparenden Zahlungsmethoden, an die Bankguthaben, insbesondere an das Girogeld, gedacht wird.


Die Gleichsetzung des Wortes Inflation mit Geldvermehrung, mit Aufblähung des Geldumlaufs ist historisch zu erklären. Sowohl bei dem Lawschen Papiergeld (1716), das der Staat ohne Deckung an Stelle des „unbeständigen“ Silbergeldes ausgeben sollte, als auch bei den französischen Assignaten (1789), die auf Grund der eingezogenen und zum Verkauf gestellten Kirchengüter schließlich in Höhe von 45 1/2 Milliarden Livres — nach anderen Angaben in Höhe von 30 Milliarden Livres — ausgegeben worden sind, offenbarte sich die neugeschaffene Kaufkraft in dem für jedermann sichtbaren Papiergeld, das in den Händen der Besitzer jene fürchterliche Entwertung durchmachen sollte, die wir erst in den heutigen Tagen richtig zu würdigen lernen. Im Zusammenhang mit einem Kriegsfall — und daher als Vergleich mit den heutigen Verhältnissen — ist das Beispiel des amerikanischen Revolutionskrieges (1776 — 1781) besonders interessant und lehrreich. Der damalige Kongress konnte wegen des Widerstandes der Einzelstaaten weder Steuern ausschreiben, noch Anleihen ausgeben. Er sah sich daher gezwungen, die Kosten des Krieges zunächst mit der Ausgabe von Papiergeld zu decken. Die Einzelstaaten folgten diesem Beispiel. In fünf Jahren wurden bei einer Bevölkerung von nur vier Millionen Seelen nicht weniger als 450 Mill. Doll. Noten ausgegeben, was einem Umlauf von 500 M. pro Kopf der Bevölkerung (in Deutschland Ende 1913: 30 M., 30. September 1918: 300 M.) entsprach. Da das Kreditwesen zu jener Zeit noch unentwickelt war, so dürfte der gesamte Umfang der von den Regierungen damals neugeschaffenen Kaufkraft in dieser Zunahme des Notenumlaufs zum Ausdruck gekommen sein. Da ferner die Gütererzeugung nicht im entferntesten dieser Vermehrung des Geldes gefolgt war, so war das Beispiel einer mächtigen Inflation in der gewaltsamen Ausdehnung des Notenumlaufs für jedermann ersichtlich gegeben. Es dauerte auch nicht lange, bis eine umfangreiche Preissteigerung auf dem Gütermarkt, eine scharfe Entwertung des Papiergeldes eintrat. Schon um das Jahr 1781 war die ganze Masse des ausgegebenen Papiergeldes so gut wie wertlos *).


*) E. Schultze, Die Kriegssteuern der Vereinigten Staaten im Bürgerkrieg und im jetzigen Kriege. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1918, S. 349.
Der Verfasser berichtet weiter, dass ungeachtet dieser Entwertung weitere Mengen von Noten in Umlauf gesetzt wurden, denen Zwangskurs beigelegt wurde. Der Wert der Noten wurde auf 1: 175 festgesetzt. Er sank jedoch bald bis auf 1: 300. Es entbehrt nicht eines gewissen Reizes, an der angeführten Stelle weiter zu lesen, dass in die damals zustande gekommene neue Verfassung der Vereinigten Staaten eine Bestimmung aufgenommen wurde, wonach während der nächsten 60 Jahre jede Ausgabe von Noten unterbleiben sollte.

Auch bei späteren Inflationserscheinungen standen die Geldvermehrungen noch im Vordergrund. So vor allem in jener Zeit der österreichischen Finanzpolitik, die dem Staatsbankrott von 1811 vorausging, obwohl die Umwandlung der Noten in Anleihen an Bedeutung zugenommen hatte. Bei dem andersgearteten und ausgebildeten Kredit- und Zahlungsverkehr Englands trat schon in der Restriktionsperiode von 1797 — 1819 der Notenumlauf gegenüber dem Buchkredit und den Anleihen stärker zurück. Letztere gewannen durch die rasch vor sich gehende Ausbildung und Verfeinerung des Staatskredits in den folgenden Jahrzehnten immer größere Bedeutung. Die Folge war, dass während der amerikanischen Inflationsperiode nach dem Bürgerkrieg von 1861 — 1865 und während der österreichischen Finanzlage von 1848 — 1875 die reinen Geldvermehrungen zurücktreten und die eigentlichen Zahlungsmittel eine ganz andere Rolle als früher bei den Law sehen Geldschöpfungen spielen. Aber trotz der angedeuteten anderen Formen, in denen sich die Inflation offenbaren (Buchkredite), und in denen sie einen anderen Charakter annehmen kann (Bankeinlagen und Anleihen) ist der Begriff der Inflation bis in die Gegenwart hinein vielfach an der ,,Geld“vermehrung oder sogar an der Notenvermehrung kleben geblieben *).

*) Vgl. Dalberg, Die Entwertung des Geldes, Berlin 1918. S. 20. Auf S. 39ff. werden die hiervon abweichenden Auffassungen von Liefmann und Bendixen besprochen. Auch Rosenberg, Valutafragen, Wien 1918, spricht in seiner sonst klaren und lehrreichen Schrift stets von dem Geldumlauf, von dem „uneinlöslichen Papiergeld, das eine außerordentlich preissteigernde Wirkung auf die Warengüter ausüben müsse“ (S. 10). Dabei gibt Rosenberg eine gute Übersicht über die Wandlungen der Quantitätstheorie und vor allem über den historischen Verlauf früherer Inflationsperioden, wobei er u. a. richtig auseinandersetzt (S. 13), dass es letzthin der Staatskredit sei, der die Erscheinungen hervorgerufen habe.