Verhinderung der Geldvermehrung.

2. Zunächst: hätte diese Geldvermehrung — Geld immer in dem für den Praktiker am ehesten verständlichen Sinne als Zahlungsmittel (Noten und Giro) — vermieden werden können? Ja; das Reich hätte seinen Lieferanten und sonstigen Zahlungsberechtigten eben nicht jene Zahlungsmittel, sondern langfristige Schuldverschreibungen an Zahlungsstatt geben können. Dann hätten die Zahlungsempfänger nicht ein Geld-, sondern ein Kapitalstück erhalten, das regelrecht nur durch die Übertragung an einen Geldbesitzer (vgl. jedoch III) oder durch Verpfändung bei einem solchen wieder in Geld hätte verwandelt werden können. Für die Flüssigmachung dieser Schuldverschreibungen (Kriegsanleihen) wäre bestimmend gewesen: 1. die Summe der freien, eine Anlage in Wertpapieren suchenden Geldkapitalien, vermehrt um jene Beträge, die durch die Kriegswirtschaft und Kriegsfinanzierung fortlaufend frei geworden oder neu erzeugt worden wären und 2. die Lust oder das Pflichtgefühl der Kapitalbesitzer, diese Anleihen auch wirklich zur Kapitalanlage zu erwerben. Den Lieferanten des Reichs dürfte aber in den seltensten Fällen damit gedient gewesen sein, ihre Forderungen ausschließlich in langfristigen Anleihen ausgeglichen zu erhalten, da sie ja ihrerseits bare Zahlungsmittel für die Bezahlung von Löhnen, Rohstoffen und sonstigen Auslagen nötig hatten. (Daher war in Frankreich, wo diese Art von Bezahlung tatsächlich stattfand, vorgesehen, dass die Kriegslieferanten nur von einer bestimmten Summe ihrer Forderungen an und auch nur bestimmte Teile dieser Forderungen in Bonds anzunehmen verpflichtet waren.) So gut wie ausgeschlossen wäre die Nurbezahlung mit Anleihestücken an die Truppen, Arbeiter und Angestellten des Reiches gewesen. Soweit aber die Anleihestücke lombardiert worden wären, hätte auch eine Schaffung von Zahlungsmitteln stattgefunden. In jedem Falle wären bei diesem Verfahren, das die Neuausgabe von Zahlungsmitteln verhindern sollte, Schwierigkeiten eingetreten, die auf die Erlangung der notwendigen Heeresgüter hemmend eingewirkt und ihre letzte Ursache in der Unsicherheit des Absatzes der an Zahlung Statt gegebenen Anleihestücke gehabt hätten.

In dem praktisch unmöglichen Falle der ausschließlichen Zahlung mit Kriegsanleihe wäre also zunächst keine Vermehrung der Zahlungsmittel, keine Geldvermehrung im gewöhnlichen Sinne eingetreten. Dennoch hätte eine Inflation, eine Aufblähung der subjektiven Kaufkraft der Einzelwirtschaften vorgelegen, indem sich deren Vermögen um die erhaltenen Schuldverschreibungen vergrößert hätte bei gleichzeitiger Vernichtung der dafür an das Reich hingegebenen Kriegsgüter. Allerdings hätte diese neue Kaufkraft bei den Einzelwirtschaften dadurch bis zu einem gewissen Grade und für eine Zeitlang unwirksam gemacht werden können, dass die verausgabten Schuldscheine mit einer Verkaufs- und Verpfändungssperre belegt worden wären. Abgesehen von den Folgen, die diese neue Maßnahme für die Empfänger gehabt haben würde, ist jedoch nicht zu übersehen, dass auch in diesem Falle eine Einwirkung auf die Preise stattgefunden hätte, da das Reich nach wie vor als Käufer auf dem Markt erschienen wäre (und vielleicht sogar das Entgegenkommen der Verkäufer noch besonders hätte bezahlen müssen). Auch wäre die Tatsache bestehen geblieben, dass sich das Reich eine zusätzliche Kaufkraft (durch Kreditinanspruchnahme bei den Verkäufern) verschafft hätte, die nicht aus dem Erlös der dafür erhaltenen Güter (die vernichtet worden sind), zurückbezahlt werden konnte. Nur für die weitere Auswirkung in der Volkswirtschaft wäre die neue, auf die Einzelwirtschaft übertragene Kaufkraft durch die Bezahlung mit gesperrten Schuldverschreibungen einstweilen unschädlich gemacht worden, sofern nicht das um die Schuldverschreibungen gestiegene Vermögen die Benutzung des reinen Personalkredits bei weiteren Kauf en gefördert hätte. Dass mit solchen Erschwerungen aber gleichzeitig eine Lähmung der Produktion eingetreten wäre, braucht nicht besonders betont zu werden; es sei denn, dass sofort neben die Wehrpflicht auch die Arbeitspflicht der Bevölkerung gesetzt worden wäre, um die Erzeugung von Gütern in Gang zu halten.


Eine künstliche Aufblähung der Kaufkraft gegenüber einer verringerten oder nicht vermehrten Gütermenge und im Zusammenhang hiermit auch eine Geldvermehrung hätte sich hingegen gänzlich vermeiden lassen, wenn es dem Reiche möglich gewesen wäre, vorher schon in der Volkswirtschaft vorhandene, im Tauschverkehr entstandene Kaufkraft an sich zu ziehen und diese für seine Zahlungen zu verausgaben. Die Wege waren: Ausschreibung von Steuern, wodurch bestimmte Kaufkraftteile der Einzelwirtschaften endgültig auf den Steuerfiskus übertragen werden, oder: die Auflegung einer Anleihe, wodurch sich das Reich die von den Besitzern nicht verwendbare Kaufkraft gegen Gewährung von Zinsen auf lange — im Kriege tatsächlich auf nur einige — Zeit leiht. Bei Kriegsausbruch waren jedoch beide Wege gleichermaßen nicht sofort gangbar. Die Ausschreibung von neuen Steuern erforderte Zeit; auch ließen sich in jenem Augenblick die Steuereingänge nicht willkürlich steigern. Die Auflegung von Anleihen versprach nur Erfolg, wenn die Anleihezeichner kein Misstrauen gegen den Schuldner oder seine Zahlungsfähigkeit hatten. Der Ausbruch eines Krieges war in dieser Beziehung naturgemäß die denkbar ungünstigste Zeit und Gelegenheit. So blieb praktisch der Reichsfinanzverwaltung nichts anderes übrig, als zu handeln, wie sie gehandelt hat: zunächst den Kredit bei der Reichsbank in Anspruch zu nehmen und mit den erhaltenen Noten und Girogeldern den dringendsten Verpflichtungen nachzukommen. Die Schaffung von zusätzlicher Kaufkraft bei Ausbruch des Krieges hat sich somit nicht vermeiden lassen *). Wenn allerdings das Reich damals und in der Folgezeit nur auf Steuereingänge und Anleiheerlöse angewiesen gewesen wäre, dann hätten seine Beauftragten sicherlich nicht so freigebig mit der Ausgabe von Mitteln vorgehen können. Die Folge wäre gewesen, dass dann auch die Preise nicht so maßlos gesteigert worden wären. Eine andere Frage bleibt freilich, ob die Heeresverwaltung unter diesen Umständen genügend und schnell genug jene Güter erhalten hätte, die sie zur Durchführung der Kriegshandlungen benötigte. Endlich ist nicht zu übersehen, dass eine sofortige Herausholung freier Kaufkraft aus der Volkswirtschaft in solch großen Mengen, wie es bei Kriegsausbruch erforderlich war, leicht zu einer Beeinträchtigung in der Herstellung von Gütern führen konnte, wodurch auf den einzelnen Warenmärkten, je nach den besonderen Kapitalverhältnissen in den betreffenden Handels- und Industriezweigen, das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach den Gütern noch verstärkt worden wäre.

*) Liefmann a. a. O. S. 32: „Man war sich nicht klar, wie diese plötzliche Geldvermehrung unabhängig von der Deckungsquote preissteigernd wirken musste.“

Dass im weiteren Verlauf des Krieges eine organische Verbindung aller drei genannten Wege: Kreditbeanspruchung, Zahlung mit gesperrter Kriegsanleihe (oder mit anderen Typen von Reichsschuldverschreibungen) und Steuererhebung bis zur zulässigen äußersten Grenze, hätte Platz greifen müssen, wird man heute nicht mehr bestreiten wollen. Allerdings ist heute auch bekannt, dass Deutschland auf keine Kriegsentschädigungen zu hoffen hat . . .