Neunte Fortsetzung

So fand denn der Herzog von Friedland, als er im Herbst 1626 nach Wien kam, trotz aller Intrigen bei dem Kaiser Ferdinand eine ungleich freundlichere Aufnahme, als er selbst gehofft hatte. Der Pater Lamormain und die anderen der Gesellschaft Jesu angehörenden Beichtväter und Geistlichen hatten wacker vorgearbeitet, und alle Bestrebungen der dem Herzog abgeneigten Lichtenstein'schen Partei blieben gänzlich Wirkungslos. Dazu kam, dass der Kaiser damals keinen einzigen Heerführer von so ausgezeichnetem Rang und Kriegsruhm besaß, um ihm die Führung einer ganzen Armee und die Oberleitung eines weit ausgedehnten Heeres übergeben zu können. Zwar hatte der Graf Tilly so eben wieder neue Lorbeeren durch den Gewinn der Schlacht bei Lutter am Barenberge erworben, allein es war ein Feldherr der Liga, und stand in unmittelbarem Dienst des Kurfürsten von Bayern, und nicht in dem des Kaisers Ferdinand. Schon lange war man aber im Stillen auf diesen Ruhm Tillys und dadurch auch auf Bayern nicht wenig eifersüchtig, und wenn, man sich selbst darüber freute, dass die Bayern, wie sie dies stets zu allen Zeiten in Norddeutschland getan haben, daselbst sehr arg hausten und den protestantischen norddeutschen Ländern alle mögliche Unbill zufügten, so wollte man ihnen doch nicht den Ruhm allein gönnen, den Protestantismus dort mit Feuer und Schwert ausgerottet zu haben. Man wollte in Wien doch auch nicht gern auf den Anteil an diesem traurigen Ruhme verzichten, und es hätte dem Kaiser Ferdinand tief geschmerzt, wäre nicht dem heiligen Vater in Rom gemeldet worden, dass er auch außerhalb der weiten Grenzen seines Reiches sich bemüht habe, den Protestantismus auf die gewaltigste Weise zu unterdrücken. Ist doch das Kaiserhaus Habsburg-Lothringen von der Zeit seines Bestehens bis auf unsere jetzige Gegenwart der unversöhnlichste Feind des Protestantismus gewesen, und Alles, was aus Wien kam, hat den protestantischen Norddeutschen stets nur Verderben gebracht.

So erhielt der Herzog von Friedland in Wien jetzt Alles, was er wünschte, bereitwillig gewährt, und mehr als je war ihm der Kaiser Ferdinand gewogen. Alle seine Pläne für den neuen Beginn eines Feldzuges in Schlesien und von dort aus durch die Lausitz an die Gestade der Ost- und Nordsee wurden in Wien bereitwillig genehmigt und ihm aufs Neue die Erlaubnis erteilt, in allen Ländern, wohin des Kaisers Einfluss reichte, abermals die Werbetrommel zu rühren, um die in Ungarn sehr gelichteten Reihen seines Heeres zu ergänzen. Zwar brachte der Herzog noch nicht direkt bei dem Kaiser die Bitte vor, dass ihm, wenn er den neuen Feldzug abermals siegreich beendet haben würde, zur Belohnung dafür die Krone des Herzogtums Mecklenburg verliehen werden möge, aber in den vertrauteren Kreisen der ihm günstigen Partei war bereits viel die Rede davon, dass dies die einzige Belohnung sein könne, welche ihm für seine großen Verdienste gebühre. Besonders der Pater Lamormain interessierte sich lebhaft für diesen Plan, da er wohl wusste, dass die Ernennung des Herzogs von Friedland zum Herzog von Mecklenburg, der gefährlichste Schlag sei, der den Protestantismus in Norddeutschland nur treffen könne. Eine sehr wichtige Unterredung hielt der schlaue Jesuit deshalb mit dem Herzoge, und das Ergebnis der zwei Stunden, welche Beide in dem kleinen Zimmerlein, welches der Beichtvater des Kaisers in der Hofburg von Wien bewohnte, verbrachten, war von dem gewichtigsten Einfluss für die Entscheidung der nächsten Jahre. Der Pater Lamormain begnügte sich nicht mit allgemeinen Versprechungen, sondern der Herzog von Friedland musste ihm bestimmt angeben, was er Alles für die katholische Kirche tun und welche Bedingungen er unweigerlich erfüllen wolle, wenn der Kaiser ihm die Besitzungen der beiden Herzöge Johann Albrecht und Adolph Friedrich von Mecklenburg für ewige Zeiten als selbstständige Reichslehen verleihen würde. Die vollständige Ausrottung des Protestantismus in ganz Norddeutschland war die erste und wichtigste dieser Bedingungen, welche der Herzog von Friedland auch auf das Bereitwilligste zugestand. Eine zweite war die Zahlung der für die damaligen Zeiten ungeheure Summe von 500.000 Goldgulden an die Kasse des Ordens der Jesuiten. Die dritte Bedingung war, dass mehrere Jesuiten dem friedländischen Heere schon jetzt als Feld-Paters folgen sollten. Nur als der Pater Lamormain auch verlangte, dass der Herzog keine Protestanten zu höheren Offiziersstellen in seinem Heere anstellen und wo möglich auch dahin wirken solle, dass seine protestantischen Soldaten sich bald zum Katholizismus bekehrten, machte dieser die entschiedenste Vorstellung dagegen und verweigerte unbedingt, dies zu versprechen. „Wenn ein Offizier meine Feldbinde trägt, sich im Gefecht auszeichnet und auch sonst strengen Gehorsam übt, so muss mir dies genügen, um ihn schnell zu befördern, reich zu belohnen und fest an mich zu ketten, ohne mich im mindesten daran zu kehren, ob er die Messe besucht oder das Abendmahl, nimmt. Mit Dummköpfen und Feiglingen, und wenn sie auch sonst die eifrigsten Besucher der Messe sind, und es an Verehrung der Jungfrau Maria nicht fehlen lassen, kann ich die Dänen nicht schlagen und Norddeutschland nicht in den Schoß der allein seligmachenden Kirche zurückführen, sondern es bedarf dazu tüchtiger Kriegsmänner, gleichviel, wo ich solche nun finde. Und das Gleiche ist auch bei meinem Kriegsvolke der Fall. Wenn ich die Werbetrommel rühren lasse, dann will ich tüchtige Burschen von frischem Mute und kräftigen Gliedern, gleichviel, welchem Volke sie entstammen oder welcher Religion sie angehören. Bei den Soldaten muss das Feldlager die Heimat, und der Gehorsam gegen des Führers Gebot die erste Religionspflicht sein und alles Übrige weit dahinter zurückstehen. Nur mit einem solchen Heere vermag ich Norddeutschland zu erobern und die Feinde unserer Kirche zu besiegen. Wenn daher auch einzelne Offiziere wie Soldaten desselben immerhin für ihre eigene Person gar arge Ketzer sein mögen, so dienen sie mit allen ihren Kräften doch den Interessen unserer Kirche und vergießen ihr Blut für die Unterwerfung von ganz Deutschland unter die Macht des Katholizismus. — Das aber muss vor der Hand genügen”, sprach der Herzog zu dem Pater Lamormain, und dieser besaß Klugheit genug, die Richtigkeit dieser Gründe anzuerkennen und vorerst nicht auf seiner früheren Bedingung zu bestehen. So trennten sich denn beide Männer im besten Einvernehmen und mit dem Versprechen ihrer mächtigen gegenseitigen Unterstützung. Und doch traute keiner von ihnen dem andern aufrichtig, und jeder nahm sich vor, wenn es die Umstände erfordern sollten, dieses eben geschlossene Bündnis sogleich wieder zu brechen und, lediglich von selbstsüchtigen Interessen geleitet, seinen eigenen Weg zu verfolgen.


Äußerlich auf das glänzendste ausgezeichnet, durch reiche Bewilligungen aller möglichen Gnadenbezeigungen des Kaisers für verdiente Offiziere seines Heeres erfreut, und dazu die festesten Versprechungen einer noch ungleich höheren Belohnung erhaltend, wenn ihm das Ziel seines nächsten Feldzuges wirklich gelingen sollte, verließ der Herzog von Friedland nach mehrwöchentlichem Aufenthalte Wien wieder, und ging vorerst nach Böhmen, um von dort aus die Kriegsrüstungen für den neuen Feldzug des Jahres 1627 auf das Eifrigste zu betreiben. Sein Heer hatte in Ungarn besonders durch böse Seuchen sehr schwere Verluste erlitten, und es bedurfte nicht geringer Anstrengungen, um die arg gelichteten Reihen wieder genügend zu füllen. Überall, wo des Kaisers Macht noch galt, rasselte jetzt wieder die Werbetrommel, und in Wien wie Prag, Preßburg und Innsbruck, Mailand und Brüssel ward die Nachricht verkündet, dass der Herzog von Friedland wieder Soldaten brauche, und jeder kräftige Bursche gegen hohes Handgeld, reichlichen und pünktlichen Sold und gebührenden Anteil an der mit Sicherheit zu erwartenden reichen Beute unter seinen ruhmgekrönten Fahnen Dienste nehmen könne. Solche verlockende Worte zogen denn gar viele wilde Gesellen an. Entlassene oder versprengte Kriegsknechte aus den früheren Scharen des Grafen von Mansfeld, des Herzogs Ernst von Weimar, oder des Grafen Thurn, die bisher stets gegen den Friedländer gefochten hatten, wollten es jetzt zur Abwechslung auch einmal bei ihm versuchen. Verlaufene Studenten, verlotterte Handwerksgesellen, verkommene Bauern, die noch jugendliche Kraft verspürten, dachten, dass in jetziger schwerer Kriegszeit der Soldatenstand nicht allein das ehrenvollste, sondern auch einträglichste Gewerbe sei, und nahmen bereitwillig das Handgeld, und auch mancher wilde Strauchdieb, der bisher auf eigene Hand in Wald und Tal auf Raub ausgegangen war, glaubte, dass Brandschatzung und Plünderung im Großen unter des Friedländers Fahnen doch am lohnendsten seien, und ließ sich, deshalb gern in das Soldatenwams stecken. Die Werbeoffiziere wiesen so leicht Keinen, zurück, der groß und stark war, mochte er auch bereits zehnmal unter dem Galgen gestanden haben. Wenn der Soldat nur, so lange er diente, tüchtig war und mutig focht, so genügte dies vollkommen, um seine Vergangenheit noch Zukunft kümmerte sich Niemand nur im mindesten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Herzog Wallenstein in Mecklenburg. Band 1