Zehnte Fortsetzung

So hatte der Herzog von Friedland denn beim Beginn des Frühlings 1627 wieder ein so zahlreiches und tüchtiges Heer, als er nur je einst besessen hatte, in Böhmen beisammen und konnte den Feldzug nach Schlesien mit neuer Kraft beginnen. Die dort befindlichen Truppen des Königs von Dänemark, des inzwischen ebenfalls verstorbenen Herzogs Ernst von Weimar und des Markgrafen Christian Wilhelm, Administrators von Magdeburg, hielten diesem mächtigen Anstürme der gut geleiteten Friedländischen Scharen gegenüber lange nicht Stand. Es kam zwar hier und da noch zu hartnäckigen Kämpfen, und besonders die Eroberung der festen Plätze Troppau und Kosel erforderte manche Opfer, allein bald war ganz Schlesien wieder von den Feinden gereinigt, und der Herzog von Friedland konnte eine Reihe wichtiger Erfolge nach Wien melden. Mit großer Freude vernahm der Kaiser Ferdinand diese Nachricht, und seine Dankbarkeit gegen den mächtigen Kriegsführer, der jetzt in wenigen Wochen wieder vermocht hatte, was die anderen kaiserlichen Kriegsobersten in Monaten nicht gekonnt, ward immer größer. Die Partei der Jesuiten in Wien, die dem Herzog von Friedland noch immer sehr gewogen war, benutzte diesen günstigen Umstand, um auf immer größere Belohnungen für ihren Schützling hinzuwirken. Besonders der Pater Lamormain, dem des Kaisers Ohr zu jeder Zeit offen stand, ließ gewiss keine Gelegenheit vorbei, um günstige Worte für den Herzog zu sprechen. Und doch war noch gar manches Hindernis zu überwinden, bevor der Kaiser zu dem Entschluss gebracht werden konnte, den Friedland auch zum Herzog von Mecklenburg zu ernennen. Es war dies ein Ereignis, wie solches nur in ganz vereinzelten seltenen Fällen in der deutschen Geschichte verzeichnet stand. Dass ein Edelmann von niederem böhmischen Adel, denn mehr war Albrecht von Waldstein, Herr auf Hermannicz, dessen Pater ein einfacher Landedelmann und dessen Mutter eine geborene Smiecziczky war, seiner Geburt nach nicht, vom Kaiser zum Fürsten eines der geachtetsten deutschen Herzogtümer, zum Träger einer Krone, die direkt von dem alten obotritischen Königsgeschlecht Niclots abstammte, ernannt werden könnte, war für die übrigen deutschen Reichsfürsten eine große Beleidigung. Besonders auch der Kurfürst von Bayern, bisher des Kaisers festester Bundesgenosse, dessen Truppen mehr als einmal sogar den wankenden Kaiserthron in Wien gestützt hatten, war wütend, als er durch seine geheimen Späher erfuhr, dass eine sehr einflussreiche Partei in der Hofburg damit umginge, den Friedland zum Herzog von Mecklenburg zu ernennen. Er schrieb deswegen eigenhändig einen langen Bries an den Kaiser Ferdinand und bat ihn dann, von diesem Plane, der für die anderen Reichsfürsten so viel Verletzendes haben müsste, unter allen Umständen abzustehen. Ähnliche Schreiben kamen auch von mehreren anderen deutschen Fürsten. Auf sehr eifrige Weise ward selbst von dem hohen Adel des Kaisertums gegen eine derartige Ernennung Albrecht von Waldsteins, wie dieser in solchen Kreisen noch immer genannt wurde, intrigiert. Jedes Mittel ward benutzt, was irgendwie hierbei helfen konnte, und man suchte alle Personen, welche aus den verschiedenen Gründen dem Friedländer abgeneigt sein mochten, jetzt zu einer gemeinsamen Partei gegen ihn zu vereinigen. Es hatte schon den nicht geringen Stolz der Diedrichstein und Liechtenstein, und wie die anderen vornehmen Herren in Wien weiter hießen, nicht wenig gekränkt, dass Albrecht von Waldstein durch seine Ernennung zum Herzog von Friedland ihnen im Range gleichstehend würde; erhielt er nun aber gar das Herzogtum Mecklenburg, so stand er dadurch weit über ihnen und hatte nach den Prinzen des kaiserlichen Hauses den ersten Platz. Solche Schmach aber abzuwehren, musste eifrig gestrebt werden, und was die Männer allein nicht vermochten, dazu mussten ihre Frauen und Töchter auf jegliche Weise jetzt mit zu helfen suchen. So entstand zu jenen Zeiten eine förmliche Liga von Unterröcken gegen den Herzog von Friedland, und diese war in der Tat nicht der am wenigsten gefährliche Feind, den er in der weiten Hofburg des Kaisers zu bekämpfen hatte. Die Frauen haben von jeher in der Geschichte Österreichs eine bedeutende Rolle gespielt, und gar manches wichtige Ereignis, welches Männer niemals hervorgerufen hätten, ward durch ihre geheimnisvolle Tätigkeit entschieden.

So klirrten damals nicht bloß im offenen Felde die Waffen im feindlichen Kampfe gegen einander, sondern ein eben so heftiger, wenn freilich nicht blutiger Streit wurde in den Vorzimmern, Klosetts, Arbeitsstuben, ja selbst Beichtstühlen zu Wien von zwei sich befehdenden Parteien geführt. Und doch konnte nicht zweifelhaft sein, wer zuletzt den Sieg sich dabei erringen würde. Für den Herzog von Friedland kämpften ja damals noch die Ordensjünger der mächtigen Gesellschaft Jesu in allen ihren Graden und geheimnisvollen Verzweigungen, und wer deren Beistand genoss, der hat zu allen Zeiten in Österreich schließlich den Sieg errungen.


Während nun in der Hofburg in Wien und den anderen verschiedenen Kreisen daselbst auf die heftigste Weise intrigiert und kabalisiert wurde und der Herzog von Friedland gar manche Tausend Goldgulden zu Bestechungen dahin senden und schmeichlerische Briefe mit den glänzendsten Versprechungen an besonders einflussreiche Personen schreiben musste, schritt er im Felde zwar langsam, aber auch desto sicherer vorwärts, und kam Schritt vor Schritt seinem stolzen Ziele näher.

Er trieb aus Schlesien die flüchtigen dänischen und andere Kriegsvölker vor sich hin, und rückte in die Kurmark Brandenburg ein. Der Kurfürst von Brandenburg war eine Zeit lang zweifelhaft gewesen, welcher Partei er sich anschließen solle, als aber jetzt der Herzog von Friedland mit 40.000 Mann Truppen gegen sein Land anrückte, da hielt er es für das Klügste, schon im Voraus dessen mächtigen Schutz anzuflehen und um ein Bündnis nachzusuchen. Er bewilligte dem Obersten von Arnim, der in des Friedländers Dienst getreten, von diesem zu gar mannigfachen Aufträgen benutzt wurde, Munition, Geschütz und Proviant und bat ihn auf das Inständigste, sich für ihn bei dem Herzog zu verwenden. Um seine gute Gesinnung für den Kaiser noch mehr zu betätigen, befahl auch der Kurfürst seinem Obersten von Kracht, den flüchtigen Dänen mit einem Heereshaufen entgegen zu gehen und diesen den Übergang über die Netze zu verwehren.

Die Kriegsführung jener Zeit war eine überaus langsame, und von der Schnelligkeit der Operation der Heere in unserer Gegenwart hatte man damals kaum einen Begriff. Besonders der Marsch eines Heeres wie das Friedländische hatte etwas ungemein Schwerfälliges, und wozu die Armee der Neuzeit Tage gebraucht, das vermochten die Heereshaufen des dreißigjährigen Krieges kaum in Wochen auszuführen. So kam denn der Spätsommer des Jahres 1627 heran, bis der Herzog von Friedland mit seinem Heere zuerst in die kleine mecklenburgische Festung Dömitz, an den Ufern der Niederelbe gelegen, einrücken konnte. Die Gegend hier war einförmig, sandig und unfruchtbar, und gerade nicht dazu gemacht, dem Herzoge einen vorteilhaften Begriff von dem Lande, dessen uralten Fürstenthron er sehnlich selbst zu besteigen wünschte, zu geben. Und doch hätte er sehr gern dies schon jetzt getan und wäre nach Güstrow marschiert, um dort sich als Herzog von Mecklenburg proklamieren zu lassen. Aber die heimlichen Kämpfe und zahllosen Intrigen in Wien waren immer noch nicht beendet, keine Partei hatte den Sieg sich schon vollständig errungen, die Waagschale schwankte fast täglich hin und her, und der Kaiser Ferdinand vermochte noch immer keinen festen Entschluss darüber zu fassen, ob er den Friedland mit dem Herzogtum Mecklenburg belehnen, oder dies Land seinen beiden rechtmäßigen Fürsten auch fernerhin lassen solle. So begnügte sich der Herzog von Friedland denn, vorläufig seinen getreuen Obersten von Arnim mit einem Streifkorps nach Mecklenburg zu senden, um mehrere Städte des Landes zu besetzen, ihm dabei aber unter Androhung der strengsten Strafen die sorgfältigste Schonung von Land und Leuten anbefehlend. Er selbst aber zog nach Holstein und Schleswig, dem flüchtigen Dänenkönige nach, und verfolgte dessen Heer, bis ihm in Jütland das Meer eine unübersteigliche Grenze setzte. So erwarb der glückliche Feldherr und mächtige Kriegsfürst sich durch eine Reihe neuer glänzender Siege stets größere Ansprüche auf seines Kaisers Dankbarkeit.

Immer drohenderes Gewölk umzog aber die Zukunft Mecklenburgs, und immer näher rückte der Zeitpunkt heran, wo nach des weisen Senis Berechnung der Gestirne der Herzog von Friedland dessen Fürstenkrone sich auf das Haupt setzen durfte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Herzog Wallenstein in Mecklenburg. Band 1