Zweite Fortsezung

Diesem ersten Siege, den Lübeck mit Hamburgischer Hilfe über Köln in Brügge davon trägt, folgt dann der zweite Sieg in London. Köln, das den deutschen Kaufmann unter seiner Führung, in seiner Hanse vereinigte, hatte die Kaufleute der Ostseestadt Lübeck nicht als vollbürtige Genossen wollen gelten lassen: jetzt vergalt ihm Lübeck das dadurch, dass es mit dem verbündeten Hamburg die Einheit des deutschen Kaufmanns in London sprengte, der Kölnischen Hanse zwei neue deutsche Hansen an die Seite stellte.

Auf das Wesen und die Bedeutung dieser Sonderhausen oder Privatkontore hoffe ich ein anderes Mal näher eingehen zu können: für ein allgemeineres Verständnis wird die Bemerkung genügen, dass sie dem Kaufmanne der einzelnen Stadt und denen, die etwa ihm sich anschlossen, genau dasselbe waren, was die großen hansischen Kontore dem gemeinen deutschen Kaufmanne. Von den älteren Hamburgischen Hansen zu Utrecht und zu Ostkerken (unweit Damme) wissen wir, dass sie eigene Älterleute hatten und dass von den Urteilen derselben an den Hamburger Rat appelliert werden musste, genau so, wie für die Urteile der Älterleute zu Nowgorod Wisby der ausschließliche Oberhof war. Um dieser Appellation von Nowgorod willen eröffnete bekanntlich Lübeck den Kampf gegen Wisby, aber so lebhaft auch die Frage sich uns aufdrängt, ob nicht etwa ein ähnliches Verhältnis auch in London bestanden und Lübeck und Hamburg zu der Gründung eigener Hansen bewogen habe, wenigstens vorläufig sind wir nicht im Stande darauf zu antworten.


An dem Kampfe Lübecks gegen Wisby ist Hamburg nicht beteiligt gewesen, vermutlich einfach deshalb, weil Hamburg zu Nowgorod und — wenn wir von Lübeck absehen — selbst zu den gesamten deutschen Ostseestädten keine oder doch keine irgendwie hervorragenden Beziehungen unterhielt. Sein Name fehlt deshalb auch unter den 24 Städten, welche sich in den Jahren 1294—1295 damit einverstanden erklärten, dass von Nowgorod nicht mehr nach Wisby, sondern nach Lübeck appelliert werden solle. Dennoch aber ist der Kampf, wenn ich richtig sehe, auch an Hamburg nicht spurlos vorübergegangen.

Nicht von allen Seiten erhielt Lübeck Zustimmungserklärungen, als es die Anerkennung seiner als eines ausschließlichen Oberhofes für Nowgorod forderte: von Osnabrück und von Riga wissen wir, dass sie sich wenigstens Anfangs auf die Seite Wisbys stellten. So lange die Ratsmannen von Wisby, schreibt Riga im Januar 1295, uns und unsere Bürger und die übrigen Gothlandfahrer desselben Rechtes genießen lassen wollen, dessen unsere Vorfahren und wir nach ihnen in Gothland genossen haben, so lange begehren wir nicht, dass das Siegel und das gemeine Recht des Kaufmanns anderswo gesucht oder anderswohin übertragen werde, es sei denn, dass die Städte und der gemeine Kaufmann und wir mit ihnen gemeinsam eine solche Übertragung beschlossen. In jenen Zeiten aber, das Jahr ist noch unbekannt, nahm Riga, das bisher nach Wisby’schem Stadtrecht gelebt hatte, Hamburgisches Stadtrecht an, und ich meine, der Gedanke liegt nahe, dass Riga bei dieser Wahl des Rechtes einer Westseestadt, die auf der Ostsee keine Bedeutung hatte und zu der Riga selbst in keiner näheren Beziehung stand, von dem Bestreben geleitet gewesen sei, in dem zwischen Lübeck und Wisby entbrannten Kampfe von dem bisherigen Oberhofe loszukommen, ohne Lübeck als Oberhof anerkennen zu müssen*).

*) Diesen Gedanken habe ich Ztschr. f. hamb. Gesch. 6, S.418 angedeutet; vgl. jetzt auch Napiersky, Die Quellen des Rigischen Stadtrechts bis zum Jahr 1673 S. XXXI. Anm. I und unten Frensdorffs Anzeige dieses Buches.

Mit dem Hamburgischen Stadtrecht kam auch das Hamburgische Schiffrecht nach Riga, dieses aber nicht nur nach Riga, sondern auch nach Lübeck. Wie es vielleicht mit dem frühen Verkehr nach Flandern zusammenhängt, dass Hamburg den Ostseestädten in der Einrichtung seiner Geschäftsbücher voraus ist, dass beispielsweise seine Kämmereirechnungen unmittelbar nach dem Muster der Brüggischen Stadtrechnungen eingerichtet zu sein scheinen und mit den Rechnungen, wie sie sich etwa in Köln oder Deventer finden, keine Verwandtschaft haben, so auch möchte es auf den Einfluss der höheren Kultur der Fläminger zurückzuführen sein, dass die Westseestadt Hamburg ein Schiffrecht ausbildete, das die Ostseestadt Lübeck bis auf einige Abweichungen in Bezug auf den Bergelohn zu dem ihrigen machte. Und diese Abweichungen erklären sich wieder daraus, dass Bestimmungen, welche die gefahrvolle Fahrt auf der Westsee Hamburg notwendig gemacht hatte, für die leichtere Fahrt auf der Ostsee den Lübeckern, wie sie das schon ein Menschenalter früher ausgesprochen hatten, zu hart erschienen.

Die Waren, welche dem Hamburgischen Schiffrecht zufolge nach Flandern ausgeführt werden, sind insbesondere Holz und andere Waldwaren, vornehmlich Asche; Bestimmungen, die in den Schiffrechten Lübecks und Rigas nicht wiederkehren und schon deshalb für jüngere Zusätze gehalten werden müssen, enthalten nähere Spezialisierungen dieser Waren; ein Nachtrag, der ihnen im Bier einen neuen Handelsartikel an die Seite stellt und dadurch die Handelsstadt Hamburg auch als eine Industriestadt beglaubigt, gehört erst der Mitte des 14. Jahrhunderts an. Eine genauere Kenntnis von den Hamburgischen Handelsverhältnissen erschließt uns das im Jahre 1288 begonnene Hamburgische Schuldbuch. Hauptsächlich lehrt es uns die Gäste kennen, die den Hamburgischen Markt besuchen, um entweder mit Hamburgischen Kaufleuten oder mit Gästen aus anderen Ländern und Städten Handelsgeschäfte abzuschließen, und wie es — Lübeck ausgenommen — nicht ein einziges Mal eine der Ostseestädte in Handelssachen namhaft macht, während es uns — um nur die wichtigeren Städte zu erwähnen — in zahlreichen Eintragungen Kaufleute aus Gent, Utrecht, Dokkum und Groningen, aus Berlin, Havelberg, Lenzen, Salzwedel und Lüneburg vorführt, wie es am häufigsten von allen die Städte Gent in Flandern und in der Mark Berlin nennt, so auch bestehen die Waren, deren es am häufigsten gedenkt, aus Tuchen, die von den Flämingern eingeführt werden, und aus Wagenschott und Getreide, beides von den Märkern gebracht.

Wenn wir das Botenwesen Hamburgs betrachten, wie es uns aus den seit dem Jahre 1350 teils vollständig, teils in Auszügen erhaltenen Kämmereirechnungen entgegentritt, so nehmen wir einen etwas anderen, doch keineswegs abgelegenen Standpunkt ein, denn es ist ja wohl selbstverständlich, dass die Korrespondenz, welche unter Handelsstädten geführt wird, vorzugsweise Gegenstände des Handels betrifft. Aus dem Flussgebiet der Oberelbe werden erwähnt Boitzenburg, Lüneburg, Magdeburg, dazu Braunschweig und Hannover, unter den Märkern ist Berlins Bedeutung für Hamburg zurückgegangen, diejenige Salzwedels hervortretender geworden; auf der Unterelbe ist lebhafter Verkehr mit Stade, auch wohl mit Buxtehude; daran schließen sich in der Westsee Bremen, Kampen und Amsterdam, in der Ostsee neben Lübeck nur noch Wismar. Weitaus am lebhaftesten ist die Verbindung mit Lübeck, dessen Bote wenigstens alle drei Wochen ein oder mehrere Schreiben überbringt und die Antwort Hamburgs zurückträgt, alljährlich aber, wenn das erste Schiff vom Heringsfange nach Lübeck zurückgekehrt ist, den Herren von Hamburg ein Gericht neuer Heringe überreicht, ein Geschenk seiner Herren von Lübeck.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgs Stellung in der Hanse.