Erste Fortsetzung

Den Abschluss dieser Entwicklung bildet zweifelsohne jener Vertrag, den die zweite Redaktion des Hamburgischen Stadtrechts uns aufbewahrt hat: der Rat und die Wittigsten von Hamburg haben sich geeinigt, dass Hamburg eins sei und eins bleibe immerdar, dass man in den Rat wählen soll jeden biederen Mann, der des Rates würdig ist, ohne Rücksicht darauf, wo in der Stadt er angesessen ist, dass man ein Rathaus haben soll und kein anderes und eine Dingbank daneben, dass aber die beiden Märkte für Altstadt und Neustadt bestehen bleiben sollen. Das älteste Stadtbuch (vom Jahre 1248) hat bereits die Einheit der Stadtgemeinden zur Voraussetzung; wenn auch die Schreiber desselben gelegentlich einen Unterschied machen zwischen Altstadt und Neustadt, so geschieht das doch nicht mehr aus rechtlich-politischen, sondern nur noch aus topographischen Gründen.

Für diesen Zeitpunkt aber, die Mitte des 13. Jahrhunderts also, gestattet uns bereits der Inhalt von Urkunden und Zollrollen, uns ein Bild zu entwerfen von den Wegen, deren sich der Hamburgische Handel bemächtigt hatte. In drei Hauptrichtungen wendet er sich. Die erste Straße führt den Hamburgischen Kaufmann nach Lübeck und von dort in die Ostsee, auf der zweiten fährt er die Elbe hinauf nach Lauenburg, Lüneburg, Salzwedel und Magdeburg, die dritte, und in ihr erkennt man sofort die vornehmste, geht elbabwärts in die Nordsee nach Dänemarkmund Norwegen, nach England und Irland, nach Friesland, Holland, Flandern und Brabant. Mit diesen seinen Handelsstraßen vermittelt Hamburg den lebhaften Verkehr zwischen Flämingern auf der einen, märkischen und sächsischen Städten auf der anderen Seite, verbindet es, und das gibt ihm für die Geschichte der Hanse noch eine weitere Bedeutung, die Ostsee mit der Westsee.


Auf dieser Stufe der Entwicklung steht der Hamburgische Handel in einer Zeit, in der uns die ersten Spuren eines hansischen Städtevereins entgegentreten.

Die Stiftung der Hanse durch die beiden Städte Lübeck und Hamburg im Jahre 1241, die man früher auf die Autorität des Hamburgischen Chronisten Tratziger hin angenommen hatte, ist jetzt von der Wissenschaft einstimmig aufgegeben worden*). Man weiß, dass es zwei Faktoren waren, aus deren Zusammenwirken sich allmählich der hansische Städteverein entwickelte: die Organisation des deutschen Kaufmanns in der Fremde und die Städtebündnisse in der Heimat.

Die Ausbildung der Kaufmannshanse ist noch dunkel, selbst in ihren Grundzügen noch wenig aufgeklärt. Doch erkennen wir vor Allem, dass das ausschließliche Recht ein bestimmtes Meer zu befahren von denjenigen in Anspruch genommen wird, die an diesem Meere ihren Wohnsitz haben. Die Gotländer dürfen so wenig die Westsee befahren, wie Friesen und Fläminger die Ostsee: so schreiben im Jahre 1285 die niederländischen Städte Zwolle und Kampen an Lübeck, und die stillschweigende Voraussetzung dabei ist, dass aber dem deutschen Kaufmann die Fahrt auf der Westsee, wie auf der Ostsee gleichmäßig freistehe. Diese Voraussetzung aber war in früherer Zeit nicht zutreffend gewesen, und Lübeck selbst hatte erfahren, dass es in London nicht als gleich berechtigte Genossin der Westseestädte anerkannt wurde.

Hier in London trat der deutsche Kaufmann als eine Genossenschaft auf, die unter der Führung Kölns rechtliche Anerkennung fand und mit Privilegien ausgestattet wurde; in Wisby dagegen hatten die einzelnen Kaufleute das Bürgerrecht erworben und nach und nach eine deutsche Stadtgemeinde gebildet, die selbstständig neben der gotländischen Stadtgemeinde bestand und ihrerseits dem Kaufmann des Römischen Reiches einen Rückhalt bot, der von Wisby aus nach Livland und nach dem wichtigen Nowgorod fuhr.

Unter dem gemeinsamen Namen des deutschen Kaufmanns verstand man also Westseefahrer unter der Führung Kölns und Ostseefahrer unter der Führung Wisbys.

Diese Scheidung hat Lübeck beseitigt, hat Wisby auf der einen Seite, Köln auf der andern Seite zurückgedrängt und in die eigene Hand die Führung des gesamten deutschen Kaufmanns, auf der Westsee, wie auf der Ostsee, übernommen. Solche Resultate aber sind von Lübeck erreicht worden auf dem Wege des Städtebündnisses, auf der Ostsee mit den deutschen Ostseestädten, auf der Westsee mit Hamburg.*)

*) Hanserecesse I, Einleitung.

Es war im Jahre 1226, dass Kaiser Friedrich II. die Lübischen Englandsfahrer von jener schlechten Gewohnheit und der Last des Ungelds befreite, die von den Kölnern und Thielern und deren Hansebrüdern gegen sie erfunden seien, und sie desselben Rechtes teilhaftig machte, dessen Kölner, Thieler und deren Hansebrüder genössen. Seit der Erteilung dieses Privilegs, das jedenfalls für das Vorhandensein solcher Bedrückungen ein vollwichtigeres Zeugnis ist, als für das tatsächliche Aufhören derselben, sehen wir Lübeck mit Hamburg in eine Verbindung treten, wie sie inniger und ungetrübter unter keinen anderen Hansestädten bestanden hat. Ich kann hier nur in der Kürze an jene Urkunden erinnern, die bei aller Trockenheit beredte Auskunft über dieses Verhältnis geben: an die Urkunde von etwa 1230, die älteste, die unsere Stadt ausgestellt hat, in der Hamburg den Lübeckern verheißt: Unser Recht soll auch euer Recht sein und euer Recht das unsrige, an die beiden Verträge von 1241, in deren einem die Städte sich einigen über den gemeinsamen Schutz jener Hamburgischen Straße von der Mündung der Trave in die Ostsee bis zur Mündung der Elbe in die Westsee, während der andere dem Urteilsspruch, der in der einen Stadt über den flüchtig gewordenen Angeklagten gefällt worden ist, auch in der anderen Stadt Rechtskraft verleiht, an die beiden Verträge von 1255 endlich, in denen sich die Städte über eine gemeinsame Münze einigen und sich vorläufig auf drei Jahr, aber unter dem Vorbehalt späterer Verlängerung, gegen jeglichen Feind verbinden.*) Solche Verträge zu Schutz und Trutz, über gemeinsames Münzwesen, über gemeinsame Verfolgung der Verfesteten, sie begegnen uns auch unter anderen Städten, teilweise auch im hansischen Städteverein wieder, aber Lübeck und Hamburg haben sie zuerst geschlossen und sind, wenn der ganze Bund zur Aufrechterhaltung derselben nicht zu bewegen war, in engeren Bündnissen unter einander oder unter Hinzuziehung nahverwandter wendischer Städte immer wieder auf sie zurückgekommen. Nicht als der Anfang des hansischen Städtevereins kann diese Verbindung zwischen Lübeck und Hamburg gelten, aber sie ist ein Vorspiel desselben, von der höchsten Bedeutung für ihn.

Der Nutzen dieser Verbindung für Lübecks Verhältnis zu der Westsee zeigt sich in Folgendem. In Gemeinschaft mit Hamburg erwirbt Lübeck Privilegien 1243 in der Grafschaft Holland, 1244 im Bistum Utrecht, 1248 abermals in Holland, 1251 in der Grafschaft Kleve, in Gemeinschaft mit Hamburg tritt Lübeck 1242 in Flandern als Vertreter des deutschen Kaufmanns auf, und als Hamburg im November 1266 das Recht erworben hat, in England eine eigene Hanse zu bilden, gewinnt wenige Wochen später, im Januar 1267, Lübeck dasselbe Recht**).

*) H. R. I, S.XXXII; Ztschr. f. hamb. Gesch. 6, S. 413 —15; Frensdorffs Einleitung zum Verfestungsbuch d. St. Stralsund (Hans. Geschichtsquellen I).
**) Ztschr. f. hamb. Gesch. 6, S. 420—27; H. R. I, S. XXVII—XXVIII; vgl. den folgenden Aufsatz Höhlbaums.


Die älteren Verhältnisse des Kontors zu Brügge liegen noch immer im Dunkel, aber von vornherein wird man annehmen dürfen, dass Köln, dem Flandern ebenso günstig lag wie England, in Brügge eine ähnliche Rolle gespielt habe, wie in London. Wie aber durch Kölns Vermittlung die westfälischen Städte nach Flandern gelangten, so war es Hamburg, dessen Schiffe die Kaufleute aus dem Elbgebiet zu den Flämingern trugen: 1236 wurde das Ungeld festgesetzt, das die märkischen Kaufleute in Hamburg bezahlen sollten, wenn ihre Waren nach Flandern oder anderswohin verschifft würden. Den Flämingern war Hamburg ein vielbesuchter Marktplatz, dorthin brachten sie Wein und Tuch zum Verkauf, dort kauften sie insbesondere Holz zum Schiffbau ein, dort hatten sie ihre ständigen Faktoren, die den Austausch ihrer Waren gegen die Produkte des norddeutschen Binnenlandes vermittelten. Mit Lübeck stellte sich daher Hamburg an die Spitze des deutschen Kaufmanns, als es demselben feste Privilegien in Flandern zu erwirken galt, und wenn wir einerseits darin, dass neben Hermann Hoyer, dem Lübecker Ratsmann, nur Jordan von Boizenburg, der Hamburgische Ratsnotar, in den flämischen Privilegien genannt wird, einen Vorrang Lübecks bei dieser Vertretung des deutschen Kaufmanns anerkennen, so werden wir andererseits auch die Bedeutung des Umstandes zu würdigen wissen, dass von den Gegenprivilegien, welche die deutschen Städte den Flämingern ausstellten, diejenigen Bremens und der westfälischen Stadt Münster noch heutigen Tages im Hamburgischen Stadtarchiv aufbewahrt werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburgs Stellung in der Hanse.