Die Hanseaten im Felde.

Die hanseatische Legion hatte sich am 30. Mai, beim Wegzuge dem General Tettenborn angeschlossen. Es ging durch Billwärder; die Dänen standen links, am andern Ufer der Bille, oben auf den Sandhügeln, schlachtfertig; aber sie schossen nicht. Von der rechten Seite kamen die Franzosen über die Dove–Elbe und bedrohten durch eine Bewegung nach Bergedorf zu, die Rückzugslinie. Bei der Nettelnburger–Schleuse hatten sie Bretter übergelegt. Allein der Obristlieutenant von Borcke, der die Nachhut führte, ließ den Hauptmann von Schmalensee mit seiner Compagnie mecklenburger Jäger eine Bajonett–Attaque auf die feindliche Spitze machen, und die Franzosen wurden zurückgeworfen; einige ertranken im Fluß, andere wurden schon auf dem Deiche niedergemacht. Der Zug ging ruhig weiter. Bei Geesthacht, dem letzten beiderstädtischen Dorfe, blieb ein Theil der hanseatischen Infanterie mit der 4. und 6. Schwadron Cavallerie auf Vorposten; die übrigen Hanseaten bezogen ein Lager bei Lauenburg, oben auf der Höhe, vor der Stadt, da in der Stadt Keiner in Uniform sich sehen lassen konnte, ohne in Gefahr zu kommen, von den Franzosen, die am andern Elbufer standen, todtgeschossen zu werden. Auch die hanseatische Artillerie kam am andern Tage hieher, während Graf Hahn die Bagage nach Ratzeburg führte. Doch der Feind rückte mit überlegener Macht heran; das Terrain war für die Reiter nicht geeignet; da zog Tettenborn es vor, weiter in Mecklenburg hinein sich zurückzuziehen, um von dort aufs linke Ufer Streifzüge zu unternehmen. Doch, ehe das geschah, erschienen plötzlich der russische Hauptmann von Kramini und der französische Obrist Fontenille und verkündigten den Waffenstillstand. Der Schreck war groß; um den Schmerz der Hamburger zu vermehren, mußte Tettenborn gerade jetzt ein Schreiben erhalten, das ihn noch in Hamburg hatte finden sollen, in welchem der russische Staatsrath, Gras Nesselrode, ihm den festen Willen seines Kaisers aussprach, Hamburg gerettet zu sehen. Wallmoden solle deshalb sein ganzes Fußvolk in die Stadt werfen, und alle in Mecklenburg und Lauenburg zerstreueten Corps von Dörnberg, Benkendorff u. s. w. auch dahin ziehen.

Bei dem Waffenstillstande war bestimmt, daß die Franzosen in unserer Gegend Alles, was sie am 8. Juni, um Mitternacht, in Besitz haben würden, behalten sollten; wenn Hamburg bloß belagert wäre, so sollte die Stadt, wie andere belagerte Städte, behandelt werden (denn die Nachricht von der Uebergabe der Stadt war noch nicht beim Abschluß der Unterhandlung bekannt). Die Truppenbewegungen sollten so eingerichtet werden, daß jede Armee am 12. Juni ihre neue Linie einnehme. So wurde denn nun auch nach dieser Bestimmung am 12. Juni, zu Gülzow, bei Lauenburg. die Demarcations–Linie für unsere Gegend festgesetzt. Die französischen Truppen besetzten von Travemünde aus die Grenze vom Einfluß der Trave in den Binnensee bis an die Wackenitz, nach Lübeck zu, dann vom linken Ufer der Wackenitz, in einer Entfernung von einer Stunde von Lübeck, nach der holsteinischen Grenze; längs dieser Grenze bis Wentorf, nach Bergedorf; von dort über Rothe–Haus bis Alten–Gamm, und folgten dann dem Laufe der Elbe. – Die verbündeten Truppen besetzten die mecklenburgische Grenze von Dassow bis zum Ratzeburger See; dann eine Meile vom linken Ufer des Sees in gerader Linie über Colpin nach Hollenbeck; längs dem rechten Ufer der Stecknitz bis auf eine Meile von Lauenburg; hier ging die Demarcations–Linie über die Stecknitz, in einem Kreise von einer Meile um Lauenburg, bis an die Elbe. Alles Land zwischen beiden Linien blieb neutral.


Tettenborn mit seinen russischen Regimentern und den Husaren unter Major Schill behielt nun die Vorposten in Lauenburg. Die hanseatische Legion ging weiter zurück nach Mecklenburg. Die Zeit des Waffenstillstandes sollte zur Ausbildung des Corps benutzt werden; allein es machte sich gar bald der Mangel an Unterstützung fühlbar. Schon fehlte der Sold für den Monat Mai; Tettenborn gab aus der Unterstützungskasse 5.000. Taler für die Infanterie und 8.000 für die Cavallerie; doch das reichte nicht aus; die Uniformen waren schon abgenutzt; an Fußzeug fehlte es; viele Krankheiten zeigten sich; und nirgends eröffnete sich eine Hülfe, da die Städte von den Feinden besetzt waren.

Von Hamburg war noch die Gesandtschaft in Stralsund, die den Kronprinzen von Schweden hatte bewegen sollen, Hamburg zu Hülfe zu eilen. Sie hatte im Anfang wohl Hoffnung gehabt, etwas Günstiges auszurichten. Schon bei ihrer Ankunft war, wie Sieveking am 26. Mai schrieb, der Minister Cockburn ihnen entgegengekommen und hatte ihnen erzählt, wie er, so gut er es vermocht, dem Kronprinzen die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Verteidigung Hamburgs gezeigt; der aber habe freundlich geantwortet: „Sie sind ein excellenter Diplomat, aber, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagend daß ich ein besserer General bin, als Sie!“ Indessen schon am ersten Tage hätten sie eine anderthalbstündige Zusammenkunft mit dem Kronprinzen gehabt, bei der der Kronprinz gesagt, daß von Döbeln durch seine voreilige Absendung von Truppen seine politischen und militärischen Pläne zerstört habe; daß aber, wie die Umstände jetzt wären, der General befugt werden solle, die Truppen in Hamburg zu lassen, falls sie noch da wären; weil, da man nun wirklich im Kriege sei, nichts übrig bleibe, als den Krieg mit Ehren zu führen. Er wolle deshalb mehrere Marine–Offiziere nach Hamburg schicken, auch Kanoniere mit Kanonen und Pulver. Der Kronprinz äußerte, daß wir gegen die schwedischen Herren mehr Verbindlichkeit hätten, als gegen ihn, wobei er namentlich des Grafen Stedingk erwähnte; daß Alle wünschten für die Vertheidigung Hamburgs und Deutschlands mitzuwirken; er selbst habe am meisten Bedenklichkeit gehabt. – Doch schon bald stellte sich die Lage der Dinge anders.

Bekanntlich war beim Vorrücken der russischen Truppen in Deutschland, am 4. April ein Centralverwaltungsrath zur Verwaltung der zu befreienden Länder eingesetzt. Der Kaiser von Rußland hatte dazu den Freiherrn von Stein und den Grafen Kotschubey, der König von Preußen den Geh. Staatsrath von Schön und Staatsrath von Rhediger ernannt. Die Hansestädte waren gleich nach ihrer Erhebung dem großen Bunde beigetreten; die hamburgischen Abgeordneten, Senator Schulte und Senator Koch, hatten ihre Stadt dem russischen Kaiser besonders empfohlen und ihm in Kalisch schon eine treffliche Denkschrift „über die Wichtigkeit der Stadt Hamburg und ihrer Unabhängigkeit für den russischen Handel“ überreicht. Für die Städte, wie für Mecklenburg, überhaupt für das Departement der Elbmündungen, war am 26. April in Dresden von diesem Verwaltungsrath der russische Geheimrath, Freiherr von Alopäus zum Generalbevollmächtigten ernannt. Das hatte den Kronprinzen sehr verdrossen. Es ist nicht zu ermitteln, was gerade an jenem Tage, als die hamburger Deputirten in Stralsund angekommen waren, vorgefallen ist. Das ist aber gewiß, daß, als die Deputirten am andern Tage wieder zum Kronprinzen kamen, sie ihn voll Bitterkeit gegen Rußland fanden, „welches Deutschland neue Fesseln anlegen wolle.“ Herr von Alopäus, äußerte er, sei als Gouverneur von Norddeutschland angekündigt, für den Teil von Deutschland, der vorläufig zu seinem Wirkungskreise bestimmt sei! Er habe übrigens keinen von beiden, weder Stein noch Alopäus, anerkannt, werde es auch nicht thun! Denn, wiederholte er, Fesseln für Fesseln? Da ziehe ich die von Frankreich denen von Rußland vor!“ –

Die hamburgischen Gesandten schrieben: „Es wird in den nächsten Tagen eine Antwort des russischen Kaisers auf das Verlangen des Kronprinzen erwartet, das Commando über alle in Norddeutschland befindlichen Truppen zu führen. Wenn diese Antwort einwilligend ist, wird dieser Umstand von großem Einfluß sein. – Der Kronprinz habe aber auch schon darnach gefragt, wie man für die Kleidung und den Sold der Truppen sorgen werde; der Krieg sei kostbar zu führen, und Schweden ein verarmtes Land. Es schiene ihm entfallen zu sein, daß England sich erboten habe, die Truppen zu bezahlen. Am 31. Mai äußerte der Kronprinz wieder gegen die Abgesandten, daß ihre Vermuthung nicht ungegründet gewesen sei, daß von dänischer Seite jetzt schon feindliche Absichten gegen Hamburg und die schwedischen Truppen stattfänden. Er war aber an diesem Tage in sehr günstiger Stimmung und bezeugte seinen Wunsch und seine Hoffnung, daß die Mission nach Kopenhagen, die er vorhabe, einen günstigen Erfolg haben werde. „Auf jeden Fall, sagte er, Hamburg ist gerettet!“ „Wir waren, schrieb Gries wenige Tage darauf an den hamburgischen Gesandten in London, Colquhoun, über die Sicherheit unserer Stadt so sehr beruhigt, daß Herr Parish, theils um selbst mündliche Aufklärung zu geben, theils seiner Geschäfte wegen, zurückreiste. Unmittelbar darauf erhielt ich die Schreckensnachricht!“ Es war eine Deputation nach Kopenhagen gegangen, General Suchtelen, General Hope, Herr Thornton und Baron Wettersted; doch umsonst; die Vorschläge, die Schweden machte, wurden dort nicht angenommen, und Hamburg war inzwischen gefallen. Es war ein allgemeiner Unwille wider den Kronprinzen bei denen, welche die Verhältnisse kannten. Der hannoversche Minister in England, Graf Münster, schrieb am 6. Juni an den Freiherrn von Stein: „Mein Glaube an Schweden hat in diesem Augenblick durch den Fall Hamburgs einen Stoß erhalten. Was man auch von militärischen Rücksichten anführen mag, um diesen schrecklichen Fall zu entschuldigen, mir scheinen die Folgen so wichtig zu sein, daß man viel hätte wagen sollen, um den Schlag zu vermeiden. Die Dänen konnte man ja durch die Drohung, Altona in Brand zu schießen, im Zaum halten.“ Stein, der schon im Jahre vorher „der Einmischung dieser unzuverläßlichen, französisch gesinnten Natur“, des Revolutionshelden gram gewesen war, und „das ganze schwedische Wesen für eine Seifenblase“ gehalten hatte, antwortete: „Der Kronprinz kann sich nicht rechtfertigen, daß er nichts zur Vertheidigung Hamburgs gethan hat. Warum hat er es aufgegeben? Das läßt sich nicht einmal vermuten und errathen. Militärische Gründe sind keine vorhanden, wollte er vielleicht den Bruch mit Dänemark herbeiführen. Seine Handlungweise hat den Verdacht der Treulosigkeit gegen ihn besonders in Oesterreich verstärkt. Er ist jetzt sehr geschmeidig, weil er den Frieden fürchtet; er verspricht Alles. Man wirft England vor, ihn durch zu große Nachgiebigkeit zu verhätscheln.“ Alopäus hatte, als Generalbevollmächtigter, den Kronprinzen im Mai ersucht, mit 5–6.000 Mann nach Hamburg zu gehen; der Kronprinz ließ ihm antworten, seine Truppen zögen gegen die Elbe; müßten sich aber zusammenhalten und keine unnütze Spitzen machen, da die Franzosen Berlin zu bedrohen schienen. Es war natürlich, daß Alopäus, wie Stein seiner Frau den 13. Juni schrieb, „verletzt und mißvergnügt war, so weit ein sehr hochmütiger, aufgeblasener Mann es sein kann.“ Er zog sich von der Verwaltung bald zurück, da er doch in der Gegend, die ihm angewiesen war, nicht viel wirken konnte.

Indeß war nicht nur die hanseatische Legion dem General Tettenborn gefolgt, auch Mettlerkamp mit den Bürgergardisten, die sich ihm angeschlossen hatten, kam nach Mecklenburg hin. Es fanden sich außerdem in allen Städten und Orten dieses Landes, wie in Holstein, gar viele Flüchtlinge aus Hamburg, zum Theil junge Leute, die nicht wußtcn, was sie jetzt anfangen sollten, da die Hoffnung, die Vaterstadt befreiet zu sehen, durch den Waffenstillstand in die Ferne gerückt war. Der Gedanke lag deshalb nahe, diese Jünglinge und Männer zu sammeln und zu einem Corps zu vereinen, das bei der Eroberung Hamburgs gebraucht werden könnte. Der Rittmeister Bärsch war der Erste, der diesen Gedanken aussprach. Schon am 3. Juni hatte er einen Aufruf an die Bürgergarde von Hamburg und Lübeck erlassen, in dem er vorschlug, vor der Hand Wittenburg, als eine Freistatt im Rücken der Tettenbornschen Schaaren, zu einem Sammelplatz zu machen, um ein Corps zu bilden, das sich seinen Führer selbst erwählen könne, um für die Selbstständigkeit und Freiheit der Vaterstadt zu kämpfen. Mettlerkamp kam hin; ihm schien aber Wittenburg gar nicht der rechte Ort zu sein, weil die Dänen zu nahe ständen, und er schlug vor, Güstrow zum Depot der Bürgergarde zu wählen. Der Graf von Osten–Sacken, der die mecklenburgischen Freiwilligen so trefflich organisirt hatte und in Wittenburg stand, widerrieth die Verlegung des Sammelplatzes für diesen Augenblick; und Bärsch ließ die Sache nicht ruhen. Er wandte sich an den General Lyon, wie an den Freiherrn Werner von Haxthausen, der schon früher, während der Fremdherrschaft, in den geheimen Verbindungen in Deutschland so große Tätigkeit bewiesen hatte, um Unterstützung in England für die zu errichtende Garde zu erhalten; schrieb dann auch nach Stralsund, an Dr. Sieveking.

Dr. Sieveking drückte ihm am 12. Juni seine lebhafte Freude über den Aufruf aus. In Stralsund hatte man eine ähnliche Idee gehabt. Der Kronprinz hatte schon mit seinem zweiten Bulletin einen Aufruf an die Deutschen erlassen. „Jeder Freund der deutschen Sache, hieß es in demselben, der sich an die schwedische Armee anschließen will, soll mit offenen Armen aufgenommen werden!“ Dr. von Heß, der sich damals in Stralsund befand, hatte den Aufruf unterstützt und eine Anforderung an alle Mitglieder der Hamburger und Lübecker Bürgergarde, die ihre Heimath verlassen hatten, gerichtet, sich aufs baldigste in Ribnitz, dem Gränzort in Pommern, einzufinden, den der Kronprinz zum Sammelort bestimmt hatte. Die hamburgischen Deputirten beriethen sich, wie die Sache wohl zu organisiren sei, damit die Bürger ein eigenes Corps bilden könnten, wandten sich an den Kronprinzen und erhielten von demselben ein Schreiben: „Ihr Vorschlag scheint mir nichts zu enthalten, was gegen den gegenwärtigen Stand der Dinge in Deutschland ist, weil er mir Ihr Verlangen ausdrückt, daß die hanseatischen Städte ihre alte Existenz zurückerhalte. Ich schicke Ihnen Ihr Project zurück und bitte Gott, daß er Sie in Gesundheit und unter Seiner Fürsorge erhalte.“ So erließen sie denn ihren Aufruf aus Stralsund, vom 17. Juni, in dem sie sagten: „Es muß ja doppelt wünschenswerth sein, in diesem Augenblick die waffenfähigen Ausgewanderten zu sammeln. Sie werden ein eigenes Corps bilden und haben während einer sechswöchentlichen Waffenruhe Zeit, sich auf eine würdige Weise zum Kampfe an der Seite der Nachkommen der Waffengefährten des großen Gustav Adolfs vorzubereiten. Der Kronprinz hat versprochen, die in Ribnitz sich Versammelnden, sollten in dem Verhältniß einer Landwehr im activen Dienste stehen. Sie schwören für die Sache Deutschlands ihrer Fahne treu zu bleiben, so lange ihre Vaterstadt in den Händen des Feindes ist, und werden unter Gesetzen stehen, die die Ordnung und Disciplin aufrecht erhalten, ohne ihre Eigenschaft als Bürger aufzuheben. Die jetzt übernommenen Verpflichtungen vertauschen sie nach der Einnahme ihrer Städte mit den älteren der ansässigen Bürgergarde. Zur Herbeischaffung eines anständigen Unterhaltes der Truppen werden die zweckmäßigsten Maaßregeln getroffen werden. Falls man die Leitung dienst- und kriegserfahrener Offiziere wünscht, soll jedem Bataillone eine hinreichende Anzahl zugegeben werden.“ Sieveking erhielt vom Colonel adjoint, Gustav Peyron, dem Chef des Generalstabes des Kronprinzen, die Anweisung für den Commandanten von Ribnitz, die gehörigen Vorkehrungen zu treffen, und reiste dann nach Mecklenburg, die Bürger dorthin zu dirigiren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hamburg unter dem Drucke der Franzosen 1806 - 1814