Die Römer

Nach Eutrop ward die Rebe vom Saturnus in Italien eingeführt, nach Andern ward sie von den Aminäern, einer Picentischen Völkerschaft, nach Falerna in Latium verpflanzt, nach noch Andern brachten die Oenotrier, einer der ältesten Volksstämme Italiens, sie aus ihrer östlichen Heimat mit. Als Aeneas nach der Zerstörung Trojas 1184 vor Chr. nach Italien kam, fand er die Rebe schon vor, welche in dem herrlichen Klima der Halbinsel vorzüglich gedieh. „In Kampanien vermählt sie sich“, wie Plinius berichtet, „mit der Pappel in einem Grade, daß sie nicht von ihr losgerissen werden kann, und umkleidet mit ihren Ranken ganze Güter und Landhäuser. In den Spaziergängen der Livia zu Rom hält eine einzige Rebe die Sonnenstrahlen ab durch ihre schattigen Laubdecken und trägt zugleich 12 Eimer Most. Kein Holz hat eine unverweslichere Natur, als das des wilden Weinstocks. In der Stadt Populonia ist das aus einem einzigen Exemplar geschnitzte Bildnis des Jupiter bereits viele Jahrhunderte alt und noch unverändert; in Metapontum ruht ein Tempel der Juno auf Pfeilern von Weinholz, und zu dem Dach des Dianatempels in Ephesus führt eine Treppe empor, die aus einem zyprischen Weinstock geschnitzt ist.“



Während in Latium mit Sicherheit schon früh Weinbau existierte, so scheint er dagegen in Tuscien erst später begonnen zu haben, da gleich nach Aeneas' Tod der König von Tuscien von den besiegten Latinern gefordert haben soll, daß sie allen ihren gewonnenen Wein als Tribut nach Tuscien ablieferten. Darüber gerieten die Latiner in Wut, erneuerten den Streit und gelobten Jupiter, um ihn zum Beistand zu bewegen, das Fest der ersten Vinalien, das später am 22. April jedes Jahres gefeiert ward. Aus jedem Fasse ward dann ein Becher voll dem Jupiter geopfert und ausgegossen. Am 19. August feierten die Römer die zweiten Vinalien, wobei die Priester die ersten Trauben abschnitten und ein Lamm opferten. Hiedurch ward die Weinlese feierlich eröffnet und der neue Wein dem Jupiter geweiht; trinken aber durfte man denselben erst nach den ersten Vinalien des neuen Jahrs.

In Rom war zur Zeit der Könige der Wein noch keineswegs ein allgemeines Getränk, weil er nur erst in geringer Ausdehnung angebaut wurde. Als vielleicht in Hellas schon Verschwendung mit Wein getrieben ward, ging man in Rom noch sehr sparsam damit um. So verbot Romulus den Gebrauch des Weins bei den Opferfesten wegen seiner Seltenheit und verordnete dagegen, den Göttern Milch als Libation darzubringen. Sein Nachfolger Numa Pompilius erlaubte wohl die Weinopfer, gerade um den Weinbau zu beleben, untersagte dagegen die Ausgießung des Weins auf die Scheiterhaufen der Toten, welche Sitte in Griechenland bei feierlichen Leichenbegängnissen sehr gebräuchlich war; Alexander der Große ehrte seine gefallenen Soldaten durch diese Feierlichkeit, bei Homer werden die Leichen des Patroklos und Hektor mit Wein besprengt, und Euripides führt in seinen Trauerspielen solche Totenopfer an. Doch auch unter Numa und seinen Nachfolgern wurde zu Opfern nur wenig Wein verwendet. Noch Papirius gelobte dem Jupiter, als er gegen die Samniter in den Kampf zog, einen kleinen Trinkbecher Wein, falls er siegen würde. Wie man Milch opferte, so teilte man auch Milch als Geschenk aus anstatt des Weins. Der damalige Römer ließ die Rebe unbekümmert in seinem Garten wuchern und an Ulmen und Pappeln empor ranken und begnügte sich mit dem nicht gerade feinen Wein, den er auf diese Weise erzielte. Die in ziemlicher Höhe am Baum hängenden Trauben gewannen in ihrer kühleren Luftregion schwerlich jenen Gehalt an Zucker, der zur Bildung eines feurigen Weins durchaus nöthig ist. So mögen die Römer noch zur Zeit, als sie mit Pyrrhus von Epirus Krieg führten, 275 vor Chr., einen schönen Krätzer gebaut haben; wenigstens zieht Cyneas, der Gesandte des Pyrrhus, über ihren herben Wein her und erlaubt sich den Witz, mit Recht hange dessen Mutter an einem so hohen Kreuze (nämlich die Rebe am hohen Ulmbaum).



Das Weintrinken war zur Zeit der Könige den Frauen gänzlich, den Männern unter 35 Jahren verboten. Auch noch zur Zeit der strengen Sitten der Republik wäre es wahrlich um den Ruf einer Römerin geschehen gewesen, wenn man sie Wein auch nur hätte nippen sehen. Nach einigen Nachrichten war es ihr erlaubt, den sog. Myrrhenwein, einen mit Myrrha und Honig gemischten Wein, den die Aedilen an großen Festen als ein vorzügliches Getränk den Götterbildern vorsetzten, sowie den süßen Rosinenwein und eingekochten Most in geringen Mengen zu schlürfen. Schon die Entdeckung eines römischen Bürgers, daß seine Gattin gewöhnlichen Wein trinke, lieferte einen rechtmäßigen Grund zur Ehescheidung; ja ein gewisser Mecennius trieb, wie Plinius berichtet, die Sittenstrenge soweit, daß er sogar sein Weib tot prügelte, als er entdeckte, daß sie Wein aus dem Faß getrunken hatte, und Romulus sprach ihn von diesem Mord frei. Eine andre Frau wurde, weil sie den Schrank, worin die Schlüssel zum Weinkeller lagen, erbrochen hatte, von den Ihrigen genötigt, Hungers zu sterben. Domitius verurteilte als Richter eine römische Dame zum Verlust ihrer Mitgift, weil sie ohne Erlaubnis ihres Mannes mehr Wein getrunken hatte, als sie zu ihrer Gesundheit bedurfte; und Cato meint, der römische Mann habe hauptsächlich deswegen das Recht erhalten, seine weiblichen Verwandten zu küssen, um ihre Enthaltsamkeit vom Wein kontrollieren zu können. Dies konnte in der Tat nicht besser geschehen, als durch einen Kuss; und doch macht Propertius in seinen üppigen Gedichten aus solchen Küssen seiner ungetreuen Cynthia einen Vorwurf, indem er behauptet, daß sie oft falsche Verwandte erheuchle, damit ihr die Küsse nicht fehlten, die von Rechtswegen erlaubt wären.

Griechische und unteritalische Weinsorten wurden in Rom eingeführt, und die Censoren und Aedilen hatten deren Verkaufspreis zu bestimmen. Der inländische Weinbau hob sich erst nach dem zweiten punischen Krieg, zu Anfang des zweiten Jahrhunderts vor Chr., und zwar war es Marcus Portius Cato der Ältere, der Censor genannt, welcher, nachdem er seine Feldzüge beschlossen und seine Staatsgeschäfte als Prokonsul niedergelegt hatte, ein treffliches Werk über den Ackerbau schrieb und zum eigentlichen Begründer einer rationelleren römischen Weinkultur wurde. Dabei war der strenge Sittenrichter selbst sehr mäßig im Genuß des Weins; als er mit Siegesgepränge aus Spanien heimkehrte, konnte er von sich rühmen, er selbst habe keinen andern Wein als seine niedrigsten Ruderknechte getrunken. Welcher Kontrast mit späteren Zeiten! — Der Wein, den Cato selbst bereitete, bestand aus 10 Teilen Most, 2 Th. scharfem Essig, 2 Th. eingedicktem Most, 50 Th. süßem Wasser und 1¼ Th. Meerwasser. „Dieser Wein,“ schreibt Cato sehr naiv, „wird sich halten bis zur Sommersonnenwende; wenn aber dann noch etwas übrig ist, wird es der schärfste und schönste Essig sein.“ Zugleich ersehen wir aus jenem Rezept, wie Cato die koische Methode, Meerwasser zum Most zu nehmen, von der wir im vorigen Kapitel sprachen, adoptiert hatte. Diese Sitte wurde bei den Römern ganz allgemein; und die Gourmands unter ihnen behaupteten sogar, daß der Wein ohne Salzwasser gar nicht schmackhaft werden könne. Der Zusatz desselben geschah auch wohl, um den Weinen mehr Haltbarkeit zu geben, sowie man jetzt zu demselben Zweck das weit unedlere Mittel des Branntweins wählt. Cato erwähnt auch schon der lora, zu Deutsch Lauer, eines Getränkes, das bei der Weinbereitung dadurch gewonnen wird, daß man die vollständig ausgepressten festen Teile der Beere mit einer Quantität Wasser versetzt und gären läßt. Das Getränk hielt sich nach Plinius kaum ein Jahr lang und wurde den Arbeitsleuten im Winter statt des Weins gereicht. Nichts Anderes als solcher Hefenwein ist die noch jetzt auf Madeira bereitete sogenannte agoa do pé, Fußwasser, welches Wort ziemlich unappetitlich ans den Kelterungsprozess hindeutet. So lange die Weinkultur daselbst in Blüte stand und noch kein aguadente (aqua ardens, Feuerwasser) aus der grapa (Zuckerrohrsaft) bereitet ward, hielten die niedern Volksklassen der Insel jene agoa do pé in hohen Ehren, trotzdem daß sie, wie Verfasser fand, einen abscheulichen Geschmack hatte und bei ihm selbst allemal zu unangenehmen Konsequenzen in den Digestionsorganen führte.



Unter den landwirtschaftlichen Schriftstellern, welche Catos Lehre weiter ausbildeten, ist der nächste von Bedeutung Varro, 116—28 vor Chr., der sich durch drei Bücher über den Landbau verewigte. Mit welcher Sorgfalt zu seiner Zeit die Weinkultur in Italien getrieben ward, beweist seine Bemerkung lib. I. cap. 2, daß Phrygien, welches man das weinstockreiche nenne, nicht mit mehr Weinstöcken bedeckt sei, als Italien, und daß es wohl kein Land gebe, in dem aus einem einzigen Joch 12 bis 15 Faß Wein gewonnen werden könnten, wie es in mehreren Gegenden Italiens der Fall sei. Noch zu Catos Zeiten gediehen die ausländischen Weine so gut, daß Mancher sie den ausländischen vorzuziehen anfing. Ein ausgezeichnetes Weinjahr war 121 vor Chr., als L. Opimius das Konsulat bekleidete und der demagogische Tribun Gajus Gracchus getötet ward. Die Witterung war so warm in jenem Jahr, daß die Trauben beinahe an der Sonne kochten. Man benannte auch nach Opimius den Jahrgang, dessen Ruhm die Blößen vieler andern Jahrgänge decken mußte. Zwei Jahrhunderte hindurch ward dem Publikum von Schwindlern echter Opimianer verkauft, obgleich der Historiker Vellejus Paterculus schon 150 Jahre später mit Recht am Vorhandensein jenes Weins zweifelt. Übrigens sah Plinius Proben von 200jährigen Weinen, die zu einem zähen, herben Honig eingedickt waren und mit Wasser aufgelöst werden mußten. Sie waren zwar sehr teuer, doch ein geringer Zusatz von ihnen verbesserte eine große Quantität andern Weins. An der Tafel des Caligula ward, wie berichtet wird, 160jähriger Wein getrunken. Dioskorides bestimmt das 7.Jahr als die früheste Zeit der Trinkbarkeit des Weins; einige Sorten trank man nicht vor dem 10. bis 15. Jahre, den Surrentiner nicht vor dem 20. Jahre. Doch nur die feinen und feurigen Sorten wurden durch Lagerung veredelt, die geringem und leichtern dagegen mußten nach der Gährung bald ausgetrunken werden, wenn sie nicht noch mehr an Güte verlieren sollten. Man machte daher auch in der Behandlung der leichteren und schwereren Weine einen Unterschied; jene ließ man in großen irdenen Gefäßen offen stehen und schöpfte daraus unmittelbar den Wein zum Trunk (vinum de cupa, vinum doliare, Kufenwein); doch galt, wer diesen Kufenwein trank, gewöhnlich für einen armen Schlucker. Der bessere Wein ward aus jenen irdenen Gefäßen in die Krüge und Amphoren übergegossen und darin aufbewahrt. So kam es, daß bei Weinvermächtnissen manche Prozesse unter den rechtsgelehrten Römern entstanden. Wenn nämlich Jemand einem Andern seinen Wein vermachte, ohne dabei speziell „cum urnalibus, mit Gefäßen“ zu bemerken, so handelte es sich um die Frage, ob der Erbe den Wein mit oder ohne Gefäß erhalte. Noch kritischer war eine zweite Frage für einen durstigen Erben, ob unter dem vererbten Wein nur die in den Fässern vorhandenen Vorräte verstanden seien oder überhaupt aller Wein, auch der, welcher sich in den Krügen und Amphoren befand. Vermutlich haben die Advokaten oftmals diese Subtilitäten durch Austrinken des Weins während des Streits entschieden. Übrigens war es in jedem Falle dem Erben gestattet, alle Weine zu kosten (Böttiger, Kl. Schriften archäol. Inh. Leipz. 1850. III.).

Von der Größe der Weinlager, welche die reichen Römer besaßen, machen wir uns einen Begriff, wenn wir von Plinius erfahren, daß Lucullus, als er aus Asien zurückkam, 100.000 Faß griechischen Wein unter das Volk verteilte, daß der Redner Hortensius, welcher sogar seine Bäume mit Wein begoß, seinen Erben über 10.000 Faß von dem köstlichen Chierwein hinterließ und daß Cäsar bei seinem Triumphzug, als er das römische Volk in 22.000 Zimmern speiste, für jedes Zimmer ein Faß Chier und ein Faß Falerner aus seinem Keller holen ließ. Caesar war überhaupt freigebig mit Wein; so ließ er, als er zum dritten Mal Konsul war, Falerner, Chier, Lesbier und Mamertiner in Menge austeilen.

Die Alten glaubten dem Wein durch Räucherung noch eine besondere Milde zu verleihen und setzten daher die ausgepichten Krüge und Amphoren in das fumarium, eine Rauchkammer, welche im oberen Stockwerk lag und von Rauch durchzogen ward. Darum singt Horaz: „Dieser Tag, ein Fest im wiederkehrenden Jahr, soll den durch Pech gefesselten Kork lösen von der Amphora, die seit dem Konsul Tullus den Rauch zu trinken gelehrt ward“. An einer andern Stelle ruft derselbe Dichter dem Kruge zu: „Steige herab“; und wenn wir Deutsche rufen: „Johann, hole eine Flasche guten Johannisberger aus dem Keller herauf“, so riefen dagegen die Römer: .“O Marcus, hole eine gut geräucherte Amphora Falerner aus der Apotheke herab“. Da die Sitte des Räucherns von den Griechen entlehnt war, nannte man solche Weinniederlage auch mit dem griechischen Namen apozheca; der Rauch gelangte in dieselbe aus dem Badzimmer vermittelst Kanäle, welche in die hohlen Wände eingemauert waren. Man räucherte aber nicht zu dem Zweck, zu dem wir Schinken, Wurst und Speckseiten räuchern, sondern man wollte die Schärfe des Weins dadurch mildern. In Wirklichkeit war die Räucherung unsrer Ansicht nach nur eine gelinde Erwärmung, Einkochung oder auch Ablagerung. Die mildernde Wirkung, die man dem Rauch zuschrieb, war nicht die des Rauchs an und für sich, sondern lediglich die der höhern Wärme. Man erreichte daher durch die Räucherung nicht mehr, als wenn man überhaupt den Wein an warmen Orten ablagern ließ. Der Rauch selbst schadete vielleicht mehr, als die mit ihm verbundene Wärme nützte, zumal wenn die Gefäße undicht waren; so daß Plinius schon mit Recht jene Sitte tadelt.



Ein andres barbarisches Verfahren, wodurch die Römer ihren Wein verderbten, war das Seihen desselben durch Leinen, die sogenannte Kastration. Schon dieser Name beweist, daß die Römer selbst sehr wohl einsahen, der Wein verliere durch jene Prozedur an Kraft. Zu geringeren Sorten mochte immerhin ein leinener Sack angewendet werden; bei feineren aber bedienten sich einsichtsvollere Leute eines metallenen Durchschlags, colum vinarium, welcher durch die unzähligen in regelmäßiger Ordnung eingebohrten kleinen Löcher genau das Ansehen eines Seeigels hatte und auch bei Horaz schlechtweg echinus heißt. Gleichwohl behauptete sich in Rom bei den alten Gevattern das Vorurteil zu Gunsten des leinenen Sacks mit derselben Hartnackigkeit, mit der es heute der Filtriersack beim Kaffee unsrer Muhmen und Gevatterinnen tut. Die Kunst, die Weine mit den verschiedensten Kräutern und Medikamenten zu vermischen, erreichte in Rom eine noch höhere Stufe, als in Hellas; es standen daher auch dort die Weinhändler in nicht besserer Achtung beim Volk, als hier. Durch Parfüms ersetzte man die Blume, verdünnte feurige Weine mit Wasser und setzte süßen eingekochten Most zu einem sauren Krätzer usw. Freilich dürfen wir nicht vergessen, daß unzählige Mischungen, welche die Alten vornahmen, bei diesen selbst keineswegs als Verfälschungen, sondern als Veredlungen galten, die von den besten Schriftstellern angepriesen und von den ehrlichsten Leuten mit gutem Glauben ausgeführt wurden. Die Geschichte zeigt hinlänglich, daß die größten Unsitten und Irrtümer sich Jahrhunderte hindurch erhalten, so daß die Nachwelt oft kaum zu begreifen vermag, wie eine Sache, die sie selbst als absolut schwarz ansieht, von zwanzig voraufgegangenen Generationen allgemein als weiß anerkannt werden konnte.

Unter den Römern, die sich um die Weinkultur verdient machten, ist nächst Varro dessen Zeitgenosse Virgil zu nennen, dessen herrliches Gedicht Georgika nicht nur den großen Dichter, sondern auch den praktischen Kenner des Weinbaus zeigt. In einer seiner Eklogen schaut er mit prophetischem Geist eine Zukunft voraus, in welcher wüste Wälder sich in wundervolle Weinberge wandeln und statt wilder Dornbüsche die rötende Traube prangt. Man hat auch aus einer Stelle der Aeneïde I. 738: „ille impiger hausit spumantem pateram, den schäumenden Becher leerte er rasch“ entnehmen wollen, daß die Alten schon die moussierenden Weine kannten. Allein zu solcher Schlussfolgerung scheint jene Stelle durchaus noch nicht zu berechtigen, in welcher sehr wohl nur auf das Perlen des Weins angespielt sein kann. Nach Virgil traten im ersten Jahrhundert nach Chr. als uns hier interessierende Schriftsteller der Spanier Columella und der schon oft zitierte Plinius auf. Ersterer schrieb, nachdem er mehrere Reisen nach Syrien und Kleinasien gemacht hatte, in dichterischer und phantasiereicher Sprache zwölf noch vorhandene Bücher über den Landbau, worin er sich mit der Rebenzucht und Weinbereitung bis in die kleinsten Details beschäftigt. Zur Düngung der Reben empfiehlt er besonders den Vogeldünger und den 6 Monat alten Urin als ein Mittel, den Geschmack und Geruch des Weins zu verbessern; wer erinnert sich dabei nicht des in unsern Tagen so vielfach gepriesenen Guanos und der bekannten Wirksamkeit des Urats?

Der ältere Plinius war einer der größten Gelehrten des Altertums, ein römischer Alexander v. Humboldt, und hat in den 37 Büchern seiner Historie naturalis ein massenhaftes Material über alle Fächer der Naturwissenschaften hinterlassen, welches um so wertvoller ist, als er selbst aus vielen nach 'ihm verloren gegangenen Schriften schöpfte. Daß er freilich auch manche fabelhafte, ganz unwissenschaftliche Dinge und Quacksalbereien gesammelt hat, läßt sich gar nicht leugnen; allein er begleitet dieselben gewöhnlich mit den vorsichtigen Ausdrücken „man will, man sagt, Griechenland glaubt es, die Reisenden haben es erzählt usw.“; mindestens wäre es höchst ungerecht, ihm eine absichtliche Unwahrheit vorzuwerfen. Das 14. Buch seiner Naturgeschichte handelt vom Weinbau und enthält sehr viele interessante Notizen, namentlich auch über den Genuß des Weins im Altertum. Manche Weine freilich, von denen berichtet wird, gehören für uns gänzlich dem Fabelreich an. So wuchs in Arkadien eine Sorte, wovon Weiber fruchtbar, Männer rasend wurden; in Achaja gab es eine andre, welche Abortus bewirkte, auch wenn Schwangere nur eine Traube aßen. Wer Trözenischen Wein trank, zeugte keine Kinder; auf Thasos wurden zwei Weine produziert, von denen einer den Schlaf beförderte, der andre ihn vertrieb. Ein dritter Thasier hieß der Heilwein, weil er gegen den Schlangenbiss helfen sollte. Der sogenannte Weihrauchwein roch nach Weihrauch und ward daher zu Libationen verwendet; dagegen war der Aspendische zu Opfern nicht erlaubt, welcher in schlimmem Ruf stand, weil, wie es hieß, kein Vogel ihn jemals berührte. Überhaupt mußte man bei den Libationen mancherlei Vorsichtsmaßregeln beobachten, die der allgemeine Aberglaube eingab. So durfte kein Wein geopfert werden, der von einem unbeschnittenen Stock war, noch von einem solchen, der durch Unwetter gelitten oder an dem sich Jemand aufgehängt hatte. Ferner war es sträflich, einen Wein zu opfern, der mit wunden Füßen getreten, aus dem Gefäße gelaufen, zufällig verunreinigt oder absichtlich verfälscht war.



Was die verschiedenen Weine der Alten anlangt, so erwähnt Plinius deren im Ganzen etwa 90, gesteht aber, daß ihre Zahl mit Genauigkeit sehr schwer zu bestimmen sei, weil es fast so viel Arten als Landhäuser gebe. Nach Sickler (Gesch. der Obstkult. p. 44) gab es zu Anfang der christlichen Zeitrechnung gerade 100 Arten, und zwar 41 asiatische und griechische, 5l italienische und sizilianische und 8 außer-italienisch-europäische. Die edelste aller italienischen Weinsorten war der Cäkuber, der am Meerbusen von Gaëta wuchs. Augustus stellte ihn zuerst in den Schatten, weil er den Setiner von Sezza in Kompanien allen andern Sorten vorzog, und die Nachfolger des Augustus schienen diesen Geschmack zu teilen. Durch den Kanalbau, den Nero vom Averner See nach Ostia unternehmen ließ, wurde jener vorzügliche Wein gänzlich ausgerottet. Nächst diesen beiden Sorten behauptete den zweiten Rang der Falerner, der stärkste Wein des alten Italiens, auf einem hügeligen Gefilde zwischen Sinuessa und Kastilinum wachsend. Derselbe durfte nicht vor dem 10. und nicht nach dem 20. Jahr getrunken werden und war so stark, daß er, wie Plinius sagt, sich anzünden ließ; übrigens kam er zu dessen Zeit schon aus der Mode, weil die Weinbergbesitzer mehr auf Quantität, als auf Qualität des Weins gaben, und 100 Jahre nach dem Tode seines begeisterten Verehrers Horaz, der im Jahre 9 vor Chr. starb, war er schon gänzlich verschwunden. Es gab vom Falerner eine herbe, eine leichte und eine süße Sorte; die letzte war die eigentlich berühmte, von der Farbe des schönsten Bernsteins, also feuerrot, dunkel. Henderson meint, daß der Falerner in der Hauptsache dem Madeira ähnlich gewesen sei, was nach allen Nachrichten, die wir von ihm besitzen, allerdings glaublich ist. Vielleicht kam sein Feuer und Aroma dem des Malvazia-Madeira, der schwersten Sorte der Insel, sehr nahe. Im Falerner verdünnte man auch den berühmten vom Berge Hymettus in Attika stammenden Honig und bereitete sich so den feinsten Met, den man besonders gern bei der Einleitung zur Mahlzeit, der sogenannten promulsis oder gustatio genoss. Die Alten liebten in hohem Grade dergleichen süße Getränke, um so mehr als ihnen Kaffe, Tee und Schokolade unzugänglich blieben.

Den dritten Rang in der alten italienischen Weinordnung nahmen der Massiker, Albaner und Surrentiner ein. Der erste wuchs am Massischen Gebirge in Kompanien und war ebenfalls ein Lieblingsgetränk des Horaz, welcher Satir. II. 4. 53 bemerkt: „der Dunst dieses Weins befeindet die Nerven.“ Dem Massiker soll nämlich ein so berauschendes Bouquet eigen gewesen sein, daß, wenn ein Krug im Speisesaal geöffnet ward, die Zecher schon an Eingenommenheit des Kopfes litten, bevor sie noch den Wein gekostet hatten. Hinsichtlich des Surrentiners, der bei Surrentum, Torquato Tassos Heimat, an einem südlichen Einschnitt des Golfs von Neapel wuchs, behauptete der Kaiser Tiberius, die Ärzte hätten sich verabredet, diesen Wein als edel auszuschreien, er sei im Grunde nur ein edler Essig; und Caligula nannte ihn erlauchten Krätzer. Er ward nach Plinius allerdings von den Ärzten vielfach den Rekonvaleszenten empfohlen, weil es ein leichter und gesunder Wein war. Natürlich verachtete ihn aus diesem Grunde der Schlemmer Tiberius, der nur berauschende Sorten liebte. Unter andern Weinen sind noch zu bemerken der bei Messina gebaute Mamertiner, der seit Cäsar in Ruf kam, und der Pucinische Wein, der am adriatischen Meer wuchs und nur geringen Ertrag lieferte. Ihn und keinen andern Wein trank die Kaiserin Julia während der 83 Jahre ihres Lebens. Schlechte Weine waren der Vejentanische und der Vatikanische, die beinahe für ein Gift galten; und ein gewaltiges Verbrechen war es, den edlen Falerner oder kampanisches Vollblut mit ihnen zu mischen. In hohem Wert aber standen bei den Römern die griechischen Weine; bei Tisch gab es nur einen Trunk davon für jeden Gast. Lukull sah als Knabe bei seinem Vater niemals ein prächtiges Gastmahl, wo mehr als einmal griechischer Wein aufgesetzt wäre. Gewöhnlich trank man während der Hauptmahlzeit Falerner, Massiker und andre Sorten; zum Nachtisch aber zog man den köstlichen Chier vor, den man auch wohl mit dem Falerner zusammengoss, ohne jedoch dadurch eine Mischung zu erlangen, die den beiden einzelnen Sorten vorzuziehen gewesen wäre. Der Falerner wurde dadurch nur versüßt, sowie jetzt im biederen Ratskeller zu Bremen die kräftigen Rheinweine für Damen und andre zärtliche Gaumen durch Malvasier versüßt werden.

Wer den puren Wein trank, galt in Rom nicht minder für einen Säufer, als in Griechenland; man mischte den Wein nicht nur mit Wasser, sondern im heißen Sommer auch mit Eis; denn Eis und Schnee waren den Alten als Kältungsmittel wohl bekannt; und wenn auch manche solchen verweichlichenden Luxus tadelten, so wurden doch Gruben in Menge zur Aufbewahrung des Eises angelegt. Auch das Trinkwasser liebte man so kalt als möglich; man bewahrte es daher zur heißen Zeit in irdenen Krügen auf und besprengte diese von außen mit Wasser. Setzte man im Sommer Eis zum Wein, so zeigte sich eine gleiche Verweichlichung im Winter, indem man heißes Wasser zusetzte und calda, Glühwein, trank. Schon zu Plautus' Zeit gab es Restaurationen, wo warme Speisen und Getränke verabreicht wurden. Kann auch im Allgemeinen der Genuß warmer Getränke, zumal in nördlicheren Klimaten, nicht wohl als Luxus bezeichnet werden, so gehörte er doch in Rom immerhin schon zu den ersten Anfängen der Schwelgerei. Ebenso trat die Sitte, nüchtern und vor der Hauptmahlzeit zu trinken, erst mit der steigenden Sittenverderbnis ein; zu den Zeiten der Republik tranken nur Schlemmer und Roués einen Frühschoppen, der damals für höchst unanständig galt (Seneca epist. CXX). Erst unter Kaiser Tiberius, der vom Volk den Spitznamen Biberius oder Caldius erhielt, fingen die Römer an, schon am Morgen zu trinken und sich zu betrinken; wie Plinius sagt, war dieses fürchterliche Laster ein Stück von fremden Künsten und eine Vorschrift von Ärzten, die sich beim Publikum beliebt machen wollten. Enthielten sich die Römerinnen zu den Zeiten der Republik fast gänzlich des Weins, so zechten sie dagegen unter den Kaisern mit den Männern um die Wette, wachten mit ihnen, wie Seneka berichtet, die Nächte hindurch und brachen den Wein wieder aus, indem sie das Weib völlig abstreiften.



Während der Mahlzeit wichen die Römer von der griechischen Sitte ab, indem sie nicht nur beim Vorgericht süßen Most, sondern auch zwischen den Speisen Wein tranken; das eigentliche Trinkgelage aber begann nach der Mahlzeit und dauerte bis tief in die Nacht, wobei sich die Römer weit passiver, kontemplativer benahmen, als die Griechen. Nicht wie diese, unterhielten sich jene selbst durch Gesänge, Gespräche, Scherze und Spiele, sondern ließen sich lieber von Andern durch Musik, Tänze, Schauspiele, Gaukeleien, Taschenspielerkünste, Gladiatorenkämpfe usw. unterhalten. Übrigens gab es auch bei den Konvivien einen geregelten Komment; und wie die lustigen Brüder in Griechenland, so wählten die ernsteren Römer einen Präses, rex oder magister bibendi, welcher Gesetze vorschrieb und demjenigen, der dieselben nicht einhielt, einen oder mehrere Strafbecher auszutrinken diktierte. Bei allen Kulturvölkern ist die Sitte der Strafbecher und des Wetttrinkens fast ganz gleich und hat allemal den Zweck, daß diejenigen Trinker, die nicht sehr viel vertragen können, ein Glas über den Durst trinken und dann zu Objekten der Unterhaltung und des Spaßes für die übrige Gesellschaft werden. Bei keinem Volk ward jemals ein Zechbruder mit Abzug eines Bechers bestraft; im Gegenteil suchte man die Verbrechen, worauf Verurteilung zum Trinken erfolgte, auf vielfache Weise auszudehnen und absichtlich zu vermehren, z. B. wenn Jemand nicht Bescheid getan, den Becher nicht ausgeleert hatte, die Nagelprobe nicht machen konnte usw. So kam es, daß die Trinkgesetze zuweilen von den Zechbrüdern selbst lästig befunden wurden und im höchsten Grade genierten; sie werden Horaz Sat. II. 6. 69 sogar wahnwitzig genannt, weil sie es darauf absahen, Jemanden unter den Tisch zu bringen. Nicht selten kam es dabei zu Lärm und Tumult; so behauptet Cicero, vielleicht etwas übertreibend, von den Gelagen seines Feindes Verres, sie hätten immer damit geendet, daß Einer wie aus einem Gefechte weggetragen, Andre für tot zurückgelassen wären, die Meisten aber ohne Besinnung dagelegen hätten, so daß man nicht das Gastmahl eines Prätors, sondern das Schlachtfeld von Cannä zu sehen geglaubt hätte.

Toaste und Trinksprüche waren bei der Tafel an der Tagesordnung; selbst Cicero rühmt diese Sitte als erheiternd für die Gesellschaft und belebend für das Greisenalter. Die Zahl der Becher richtete sich gewöhnlich nach dem Rang derer, die man leben ließ, oder auch nach deren Namen. Es war nämlich eine Lieblingsmanier, so viele Becher zu leeren, als der Name des Gefeierten Buchstaben hatte. So wurden auf Caesars Gesundheit 6, auf die des Germanikus 10 Becher getrunken. Einige hatten eine Vorliebe für die Zahl der Musen und tranken 9 Becher; wer aber mäßig sein wollte, beschränkte sich auf die Grazien und trank 3. Deshalb heißt es Hor. Carm. III. 19. 10—16:

Knabe, mir eingeschenkt
Für den Augur Murena, rasch!
Drei der Gläser, auch neun, schöpft mir bequem zum Trunk!
Wer die neun Pieriden liebt,
Dreimal drei im Pokal nimmt der begeisterte
Seher! Drei nur vergönnt, nicht mehr,
Anzurühren, vor Zank bange, die Grazie.


Gewöhnlich tranken die Römer einander mit den Worten zu: „Ich wünsche, daß Ihr und wir, Du und ich, uns wohl befinden mögen“, und nahmen die Gewohnheit der Griechen an, bei jedem Mahl den Göttern eine Libation darzubringen und einen Becher zu Ehren des guten Geistes zu leeren, den man den Becher der Gesundheit nannte. Stand Jemand vom Tisch auf, ohne daß man seine Gesundheit getrunken oder ein Freund ihn zum Trinken genötigt hatte, so betrachtete er solches als eine Beschimpfung. Gleichwohl war es nicht erlaubt, auf das Wohl aller Personen, die bei Tisch saßen, zu trinken; bei Frauen waren z.B. nur Verwandte, Freunde und der Wirt dazu berechtigt.

Um den Sinnengenuss zu erhöhen, wurden nach griechischer Sitte Blumenkränze bei den Gelagen herumgereicht; besonders liebte man Rosen; ja der Fußboden war zuweilen Schuh hoch mit Rosen bestreut, so daß man sich gleichsam in Wohlgerüchen badete. Als der Luxus in Rom den unsittlichsten Charakter annahm, tat man wohlriechende Salben selbst unter den Wein, so sehr auch dessen Geschmack dadurch verdorben wurde, nur in der Absicht, aus allen Öffnungen des schändlichen Leibes wohlzuriechen. Man lag bei Tafel zu Dreien auf einem sofaähnlichen Ruhebett ohne Rücklehne, die Füße nach hinten ausgestreckt, den linken Arm durch ein Kissen gestützt. Die Befeuchtung des Sofas vom Übermaß des genossenen Weins hatte bei den zwanglosen Sitten der Alten nichts Auffallenderes, als wenn heute Jemand von einem Diner aufsteht, nm dasselbe Bedürfnis draußen zu befriedigen; es galt eben als Mangel an guter Lebensart. Gegen die Überlastung des Magens nahmen die Römer selbst Vomitive [Brechmittel] bei Tisch, um dann von Neuem desto mehr essen und trinken, oder richtiger fressen und saufen zu können; selbst resolute Damen trugen kein Bedenken, in Gegenwart ihrer leidtragenden Ehemänner das unappetitliche Mittel des Vomierens anzuwenden (Juvenal. VI. 429). Es war daher wohl kein Wunder, wenn, wie Horaz sagt, Mancher blaß, elend und wassersüchtig gedunsen von dem übermäßigen Mahl aufstand. Finden wir doch heute noch unter den gebildeten Ständen viele Fresser, die nach Tisch wie die ausgestopften Elefanten in einer Naturaliensammlung dasitzen.



Plinius eifert gegen das Laster der Trunkenheit im letzten Kapitel seines 14. Buches, wo es heißt: „Man kastriert den Wein nur, um desto mehr trinken zu können; man bereitet sogar Gifte, welche Durst bewirken. Einige trinken Schierling vor dem Gelage, damit die Todesfurcht sie zu saufen zwinge, und andre Dinge, die man sich schämen muß aufzuzählen. Man prahlt mit seinen Kräften, gießt große Humpen auf einmal in sich hinab, um sie sogleich wieder auszuspeien, und wiederholt mehrere Male diese Abwechslung im Trinken und Erbrechen, als ob der Mensch nur dazu geboren wäre, die herrliche Gottesgabe zu verderben, und der Wein nur dazu erzeugt würde, um durch den menschlichen Leib durchgesiebt zu werden. Die Trinkgeschirre sind mit ehebrecherischen Bildnissen geziert, als ob das Saufen an sich nicht schon hinreichend die Wollust erregte. Auf den größten Durst und die größte Trunkenheit werden Belohnungen gesetzt. Einige machen verderbliche Testamente in der Trunkenheit, Andre reden wahnwitzige Dinge, Verleumdungen, wodurch sie sich Streit zuziehen und ihren Tod finden. Schon nach einem gemeinen Sprichwort wohnt dem Wein die Wahrheit inne; Manche verraten ihre Geheimnisse in der Trunkenheit; es kommen Verbrechen ans Tageslicht, die dem Trinker das Leben kosten. Unnatürliche Laster sind die Folgen des Saufens; die Zerrüttung der Gesundheit zeigt sich in der blassen Farbe, den schlotternden Wangen, eiternden Augen, zitternden Händen, in ängstlicher Unruhe, schrecklichen Träumen und Visionen usw. Am Tage nach einem Trinkgelage hat der Atem einen üblen Geruch und das Gedächtnis ist verschwunden. Stets verlieren die Trinker den vorhergehenden Tag aus der Erinnerung und denken auch nicht an den folgenden; auf diese Weise bringen sie, wie sie sich rühmen, ihr Leben angenehm und sorgenlos hin. — Ein gewisser Mailänder Novellius Torquatus, der von der Prätur bis zum Prokonsulat alle Ehrenstellen bekleidete, erhielt den Beinamen Tricongius, weil er eine Quantität von 3 congii, etwa 9 Quart, in einem Zug austrank; Kaiser Tiberius selbst sah diesem Wunder mit höchstem Interesse zu. Außerdem legte jener Trinkkünstler eine seltene Ehre dadurch ein, daß er aufrichtig alle Gesetze befolgte, denen das Trinken unterworfen war; er stockte niemals in seiner Rede, setzte nicht ab im Trinken, spie niemals aus, erleichterte sich nicht durch Erbrechen, bestellte sogar seine Frühwache usw. — L. Piso machte sich bei Tiberius sehr beliebt, indem er 2 Tage und 2 Nächte hindurch in einem Saufgelage mit ihm aushielt, und bekam dafür die Statthalterschaft von Rom. Drusus war seinem Vater Tiberius in keinem Punkt ähnlicher, als im Durst. Antonius schämte sich nicht, kurz vor der Schlacht bei Aktium, 31 vor Chr., eine Schrift über seine eigene Saufbegierde herauszugeben.

Schließlich haben wir der Trinkgeschirre der Alten Erwähnung zu thun. Wie Athenäus und andre Schriftsteller berichten, tranken die ältesten Griechen am Häufigsten ihren Wein aus Stierhörnern. Nun stellt man sich aber gewöhnlich vor, sie hätten das Horn an dem ober n breiten Ende, welches dem Scheitel des Tiers unmittelbar anliegt, an die Lippen gefetzt, und so war es unstreitig Sitte bei den alten nordischen Völkern, die ihre Trinkhörner von der Stirn des Urs nahmen. Allein die Griechen bohrten an der Spitze des Horns eine kleine Öffnung und ließen sich durch diese den Wein in beliebiger Quantität auf die lechzenden Lippen und in den Rachen laufen. Auf den schönsten Antiken der Griechen und Römer, wo Zechgelage abgebildet sind, trinken die Zecher aus den Spitzen der Hörner. Man hatte auch hornförmig gebogene Trinkgefäße, an deren spitzem Ende sich ebenfalls eine Öffnung befand, die nach Willkür geöffnet und verstopft werden konnte. Die Alten kannten endlich hölzerne, eherne, silberne und goldene Becher und manche andre Trinkgeschirre von verschiedener Form; am Häufigsten schlürfte man kleine Schälchen, cyathi, aus, welche man aus dem großen Mischkessel gerade so füllte, wie wir den Punsch aus dem Punschnapf füllen.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Weins und der Trinkgelage
Gaius Julius Cäsar (100-44 v. Chr.), römischer Staatsmann und Feldherr

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