02. Die ersten Anfänge der Weinkultur in Deutschland

Die ersten Anfänge der Weinkultur in Deutschland.



Jede geistige und materielle Kultur geht auf dem Wege der Mitteilung von Volk zu Volk; darum konnten die Kriege der Römer mit den Deutschen und ihr langer Aufenthalt in unserm Vaterland nur eine Bildungsschule für unsre Altvordern sein. Den sprechendsten Beweis, daß die Römer auch im Weinbau die Lehrer der Deutschen waren, liefert der Umstand, daß fast alle beim Weinbau und der Weinbereitung vorkommenden Ausdrücke römischen Ursprungs sind, als Wein vinum, welches Wort übrigens durch die ganze arische oder indogermanische Sprachfamilie geht, Most mustum, Hefe faeces, Lauer lora, Maß (schwäbisch Mohs) mosa, Eimer (im Heilbronner Dialekt Amer) amphora, Faß vas, Kufe cupa, Kübel cupella, Kelter calcatorium, Keller cella, Pfahl palus etc.


Die ersten bestimmten Nachrichten vom Weinbau in Deutschland haben wir seit 276 nach Chr., Spuren von Inschriften deuten aber schon auf das Jahr 231 hin; und wenn Kaiser Probus 281 den fremden Legionen den Weinbau am Rhein erlaubte (Eutrop IX, 17), so daß in Folge davon Weinberge in der Gegend von Speyer, Worms und Mainz entstanden, so bleibt es nichts desto weniger wahrscheinlich, daß schon weit früher der Weinbau den Deutschen vom benachbarten Gallien her bekannt war und daß es am Rhein Weinberge gegeben hatte, deren Vernichtung durch Domitians Verbot erfolgte, deren Anbau aber von Probus zuerst wieder erlaubt ward, so daß dieser verdienstvolle Kaiser wohl nicht als der erste Schöpfer der deutschen Weinkultur, gewiß aber als ihr Wiederbegründer zu feiern ist. Und nicht nur am Rhein, auch an den sonnigen Hügeln des unteren und mittleren Neckars haben die Römer ohne Zweifel schon früh Reben gepflanzt, wenn es sich auch nicht durch historische Urkunden beweisen läßt. Weinsberg selbst ist nach der Sage eine Schöpfung des Kaisers Probus, der nach der Schlacht gegen die Alamannen jenes Städtchen anlegte und befestigte. In den südlichen Teil der Schweiz und Tirol, besonders in die warmen Täler am Südabhang der rhätischen Alpen war die Rebe schon zu Augustus' Zeit von Norditalien aus gedrungen; war doch der Lieblingstrank dieses Kaisers selbst, wie uns sein Biograph Sueton erzählt, der in Vallis tellina wachsende Wein, der Veltliner, an dessen roter Glut noch heute der Wandrer in den kühlen Gebirgsschluchten der Schweiz sich mit Lust erwärmt. Schon Virgil, Plinius und Columella kannten die vitis Rhaetica, und nach Strabo gab sie den berühmten italischen Sorten nichts nach.



Im vierten Jahrhundert waren die Ufer der Mosel von Trier bis Koblenz reich mit Reben besetzt. Der Dichter Ausonius lobt das feine Aroma der Moselweine und stellt sie den Weinen seiner Vaterstadt Bordeaux gleich. Der Italiener Venantius Fortunatus, der sich 567—580 unter den Merovingern in Frankreich aufhielt, spricht in seinen lateinischen Gedichten von Weinbergen bei Metz und Trier an der vinifera Mosella und bei Andernach im Tal des fluctivagus Rhenus. Im fünften Jahrhundert breitete sich der Weinbau in Deutschland und unter den angrenzenden Völkerschaften mehr und mehr aus und erfreute sich des Schutzes der Gesetze. So bestrafte das von Chlodwig 421 verfasste salische Gesetz die Entwendung eines Weinstocks mit 15 Schillingen; das alamannische Gesetz, von 512—631, enthält dagegen keine Strafen gegen Beschädigung und Diebstahl von Reben; nach den Verordnungen des Langobardenkönigs Chlotar 657 war es erlaubt, drei Trauben aus einem fremden Weinberg zu entwenden. Der heilige Severin bewundert im fünften Jahrhundert den Weinbau in Rhätien, und nach Cyriakus Spangenberg sollen durch eine Kolonie von der Mosel 460 die ersten Reben in den Maingau gebracht sein. (Hennebergische Chronik, p. 365.) Im sechsten und siebenten Jahrhundert gewann der Weinbau in den Rheinufergegenden eine immer größere Ausdehnung, so daß hier im achten Jahrhundert zahlreiche Schenkungen von Weinbergen an Stifte und Klöster stattfinden konnten. (Bodmann, Rheing. Alterth. I, p. 396. II, p. 906.) Der berühmte Apostel Winfrid, später Bonifacius genannt, 717—754, soll, wie die rheinische Volkssage geht, als Erzbischof von Mainz viele Weinberge bei dieser Stadt geschaffen haben. Schon 638 schenkte der König der Franken Dagobert alle Güter und Weinberge in Lobdengau an das Stift St. Peter in Worms. (Schannat, Geschichte von Worms, p. 309). Ein gewisser Erfoin verkaufte 716 ein Joch seines Weinlands im Breisgau an das Kloster St. Gallen (Jakobson, Technol. Wörterb. III. p. 231), und das 764 gestiftete Kloster Lorsch erhielt die ersten Schenkungen aus dem Umfang des Herzogtums Schwaben. Hier hat sich die Legende gebildet, der heilige Urban (Schüler des heil. Gallus, Papst 223—230) habe die Kirche Altenburg bei Cannstatt gegründet und seine Gemeinde gelehrt, wie die Reben zu pflanzen und die Trauben zu keltern seien, weshalb er noch heute in Württemberg als Schutzpatron des Weinbaus gefeiert wird.

Da die Kirche von jeher einen guten Magen hatte, fraß sie die schönsten Grundstücke auf, ohne sich zu überessen, und konnte auch die Erbschaften wohl verdauen, welche fromme Personen ihr hinterließen, in dem Wahn, hiedurch die Seligkeit bei Gott zu erwerben, mußten auch die eignen Kinder dafür arm in die Fremde wandern. So kam es, daß einzelne Klöster, wie Fulda, St. Gallen, Centula in der Pikardie, Lorsch bei Worms, Hirschau, Maulbronn u. Hunderte von Dörfern und Tausende von Morgen Landes sammt Weinbergen und Waldungen ihr Eigentum nannten. Der Weinbau gelangte auf diese Weise in die Hände der Geistlichkeit, welche für seine Ausbreitung sowohl, wie für seine Veredlung die eifrigste Sorge trug. Immerhin mögen wir annehmen, daß unsre Vorfahren damals schon Bildung genug hatten, um durch sich selbst den Ackerbau heben zu können; nichtsdestoweniger lassen sich die Verdienste der Glaubensboten um die Kultur des Landes und die Zivilisation seiner Bewohner nicht wegleugnen. Die Klöster waren die ersten Musterschulen, wie für Ackerbau und Obstzucht überhaupt, so für den Weinbau insbesondre; sie zeigten namentlich einen feinen Takt in der Auswahl der zu Pflanzungen günstigen Stellen, so daß sich bis auf die neusten Zeiten die besten Weinberge Vorzugsweise in den Händen der Geistlichkeit befanden. Im Schweiße ihres Angesichts hieben die Mönche selbst die wilden Bäume um, rodeten die Dornhecken aus, lichteten die Waldungen und pflanzten auf dem bearbeiteten Boden Reben und andere Fruchtbäume. Durch ihr Beispiel aber wurde eine Menge Volks zu Fleiß und Arbeit angehalten, wie durch ihre Lehren sich nützliche Kenntnisse und Bildung verbreiteten. Übrigens war nichts natürlicher, als daß die Bischöfe und Äbte, damals die einzigen Priester der Wissenschaft, in ihrer Zurückgezogenheit und ihren vielen Mußestunden auf die Verbesserung der Landwirtschaft verfielen und sich um die Pflanzenkultur bekümmerten, indem sie mit dem Nützlichen zugleich das Angenehme verbanden; denn ihre Arbeit führte unmittelbar zur Vermehrung ihrer eignen Einkünfte und Genüsse. Oft war der Erfolg, den ein Kloster von seiner Arbeit hatte, über Erwartung groß, so daß es mit dem Ertrage seiner Pflanzungen nicht nur den eignen Keller, sondern auch denjenigen manches andren Kirchenpatrons füllte. Im Kloster St. Gallen häufte sich im zehnten Jahrhundert der Weinvorrat so sehr, daß volle Weinfässer, von Hütern bewacht, unter freiem Himmel lagen und angesehne Leute den roten Wein gar nicht mehr trinken wollten.

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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Weins und der Trinkgelage