Der Niedergang der jüdischen Medizin im Orient und in Spanien

Als das erste Jahrtausend nach Christi Geburt sich seinem Ende näherte, war die Blüte Arabiens verwelkt. Die Khalifen untergruben selbst durch Energielosigkeit und Üppigkeit den besten Teil ihrer Kraft, bis ihren unfähigen Händen das weltliche Szepter entsank und ihnen nur noch die Würde eines geistlichen Oberhauptes übrig blieb. Das Reich zerfiel — Tunis und Fez erklärten sich selbstständig. Ägypten folgte diesem Beispiel, und um das Jahr 1000 löste sich auch im Osten Persien als unabhängiges Reich ab. Aus diesen unerfreulichen politischen Verhältnissen folgt ohne weiteres der Verfall der einst so blühenden arabischen Wissenschaften. Sie suchten ein neues Heim, in dem sie fröhlicher in friedlicher Entwicklung zu gedeihen vermochten, und, wir haben bereits gesehen, wie das Saatkorn wissenschaftlichen Eifers vom arabischen Heimatlande in alle Welt gen Westen getragen wurde und dort, von neuem befruchtet, zu herrlicher Blüte gedieh.

Aus jener Zeit des Niedergangs der jüdischen Medizin im Orient sind natürlich nur wenige Ärzte von einiger Bedeutung zu erwähnen. Im elften Jahrhunderte war der einflussreichste unter jenen Ärzten Isaak von Bagdad, welcher unter dem Titel Adoniat al Mofredat ein Werk über einfache Heilmittel verfasst hat; er wird auch Ben Amran genannt. Auch ein Rabbi Asaf gewann damals noch großes Ansehen; er hinterließ im Manuskript ein Sefer Refuoth d. h. „Buch der Heilung“. Weil er sein Buch in hebräischer Sprache geschrieben hatte, war er bei den Arztrabbinern Europas ein vielgelesener Autor.


Aus dem zwölften Jahrhunderte verdient Hebat-Allah, mit seinem jüdischen Namen Nathaniel, hervorgehoben zu werden. Er war in Basra geboren und kam in jungen Jahren nach Bagdad. Dort schloss der bedeutendste der medizinischen Lehrer, ein Mohamedaner, damals Juden und Christen von seinen Vorlesungen aus; Nathaniel war aber so von Wissensdrang beseelt, dass er den Diener des Professors bestach und sich von ihm ein Versteck anweisen lies, aus dem er die Lehren des Arztes vernehmen konnte. Man erzählt, eines Tages habe dieser eine Frage an seine Schüler gerichtet, welche keiner beantworten konnte — da sei der junge Israelit aus seinem Versteck hervorgetreten und habe die richtige Antwort durch Zitieren einer Stelle aus Galen gegeben, und nun habe der überraschte Professor ihm erlaubt, öffentlich seine Vorlesungen zu besuchen. Nathaniel erwies sich dessen würdig ; denn er erlangte später einen so hohen Ruhm als Arzt, dass man ihm den Ehrentitel Aouhad el Zaman d. h. Einziger seiner Zeit gab. Leider war sein Charakter geringer, als sein Wissen. Denn, als er einst vom Krankenlager eines seldschuckischen Sultans, den er von schwerer Krankheit geheilt hatte, reich belohnt nach Bagdad zurückkehrte und dort bemerkte, dass es Leute gab, die ihn als Juden trotz seines Ruhmes gering schätzten, suchte er sich deren Achtung dadurch zu erzwingen, dass er sein Judentum ableugnete und Mohamedaner wurde. Aber er teilte das Los fast aller Convertiten — die Mohamedaner achteten Hebat-Allah nicht höher, als Nathaniel, und die Juden verachteten den ruhmgierigen Mann. So wurde er noch im Leben vergessen und starb als 80 jährig er Greis, verlassen, arm, blind und taub im Jahre 1164. Seine Zeitgenossen waren Abu-Mona ben Abu Nasr, Kouvin zubenannt, zu Haran, der ein in sieben Kapiteln eingeteiltes „Werk über Zubereitung und Aufbewahrung einfacher und zusammengesetzter Medikamente schrieb, und Rabbi Zadok zu Damaskus. Noch größer war der Ruhm des Ebn-Zakeriyya; besonders die Tiefe seiner Beobachtungen und der Umfang seines Wissens werden gelobt. Er war Rat und Leibarzt von Mourreddins Sohn, der 1181 zu Aleppo starb.

Im dreizehnten Jahrhunderte überragte alle Ärzte des asiatischen Ostens ein Jude, der sich den Ehrentitel Saad Eddaula, d. h. Säule des Reichs, erwarb. Er war Arzt am Hofe des persisch-mongolischen Großchans Argun und stieg so in der Gunst seines Herrn, dass er sein Premierminister wurde. Denn Saad Eddaula hatte nicht allein den Großchan von schwerer Krankheit geheilt, sondern hatte ihn aus ehrlicher Mannesfreiheit auch auf die schlechte Finanzwirtschaft im Reiche hingewiesen. Zum Minister ernannt, führte er ein straffes Regiment und zog sich durch seine Strenge gegen die gewissenlosen Beamten sehr bald eben so viel Hass beim Volke zu, als Hochachtung bei seinem Fürsten. Die Juden blickten natürlich voll Begeisterung und Verehrung zu Saad Eddaula auf und erfreuten sich unter seiner Amtsführung einer selten glücklichen Lage. Dieser Umstand vermehrte aber den Hass unter den Moslim, und, als 1291 der Großchan von schwerer Krankheit trotz aller Sorgfalt seines Leibarztes nicht mehr genas, brach ein Aufstand gegen den verhassten Mann aus; er starb unter den Händen muselmännischer Mörder, und seine Glaubensgenossen zahlten ihr kurzes Glück mit einem fürchterlichen Blutbade. Saad Eddaula hatte dies vorausgesehen, und als er den hoffnungslosen Zustand Arguns erkannt hatte, hatte er den in der Ferne weilenden Sohn desselben eiligst gerufen — aber der Tod traf rascher ein, als der Prinz, der die Ermordung des Arztes hätte verhüten können.

In späterer Zeit versank in jenen Ländern die Wissenschaft ganz im Lärme kriegerischer Ereignisse, welche bereits der Dschingis Chan Temudschin mit seinen wilden bis nach Europa vordringenden Horden im Beginne des dreizehnten Jahrhunderts eingeleitet hatte. Zur Zeit von Arguns Tod brach dann der Feuerbrand des Kriegs im großen Mongolenreiche selbst aus und erstickte das spärlich glimmende Licht der Wissenschaft, so dass dem späteren Eroberer Timur Lenk, der die tartarisch-mongolische Herrschaft noch einmal bis zum Mittelmeer und bis zum Ganges ausdehnte, kaum ein Rest der alten hohen Kultur zu zerstören übrig geblieben sein wird.

Wenn also in jenen östlichen Ländern rohe Gesinnung und grausame Kriegsführung mit allen Wissenschaften auch der Medizin der Juden ein Ende setzten, so beseitigten in Spanien, wohin sich mit den Juden aus Arabien die Wissenschaft geflüchtet hatte, und wo, wie wir gesehen haben, Jahrhunderte lang das Ansehen jüdischer Ärzte zum Gedeihen und Ruhme des schönen Landes redlich beigetragen hatte, gewaltsam ungezügelter Despotismus und blinder Fanatismus die Ausübung der Heilkunde durch die Juden. Schon unter Alphonse X. war 1250 in Castilien von einem Priester die Blutbeschuldigung gegen die Juden erhoben worden ; allein dem lügnerischen Pfaffen trat ein wahrheitsliebender Priester, Pater Thomas, entgegen, und der weise Fürst erklärte die Behauptung, dass die Juden ohne Christenblut nicht das Passah-(Oster-)fest feiern könnten, weder für eine kluge, noch für eine dumme, sondern für eine verrückte. Wie in diesem bestimmten geschichtlichen Faktum, so waren es überhaupt die Priester, welche den Hass gegen die Juden schulten und ganz besonders den Hass gegen die jüdischen Ärzte; denn die Mönche begannen damals selbst sich für die Heilkunde zu interessieren, und in ihrem Bestreben, zu ärztlichem Ansehen zu gelangen, waren die Juden, welche in jener Zeit ja fast allein die wissenschaftliche Medizin vertraten und durch ihre Gelehrsamkeit gerade als Ärzte die höchsten Stufen irdischer Ehrenstellen erstiegen, die schlimmsten und am schwersten zu überwindenden Nebenbuhler. Unter Heinrich III. hatten diese unchristlichen Bemühungen besseren Erfolg; wir haben gesehen, wie dieser Fürst aber wenigstens die jüdischen Ärzte noch schützte, — wir haben aber auch erfahren, wie sich die Mönche an ihrem glücklicheren Nebenbuhler, dem Leibarzt Don Meier Alguadez, nach Heinrichs Tode grausam rächten. Schon vorher hatten die eifernden Predigten des Erzbischofs Niebla einen Pöbelhaufen in Sevilla dazu begeistert, die Häuser der Juden zu überfallen und die unglücklichen Bewohner tot zu schlagen oder zur Taufe zu zwingen. Leidenschaft strömt fort wie brennendes Öl; also folgten dieser Schandtat bald ähnliche in Valencia, Toledo, Cordova und Barcelona. Insbesondere in Toledo kam es 1445 zu einem furchtbaren Volksaufstand, der sich wesentlich gegen die Juden wendete, und im Gefolge desselben bestimmte die Regierung, dass selbst bekehrte Juden keine Staatsstelle mehr bekleiden sollten, ein Beschluss, der erst durch eine scharf drohende Bulle des Papstes Nikolaus umgestoßen wurde. Die Synagoge von Toledo, die schönste in Spanien, war bereits 1411 in eine Kirche umgewandelt worden.

Kann es also Wunder nehmen, wenn spanische Juden es vorzogen, dieses ungastliche, undankbare Land zu verlassen? Schon um die Jahreswende des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts finden sich spanische Emigranten und unter diesen jüdische Ärzte in Südfrankreich. Jehuda Aben Tibbon, der Vater des Samuel Aben Tibbou, den wir als Schüler der Hochschule von Montpellier kennen gelernt haben, war aus Granada dorthin gekommen und erwarb sich bald den Ruf eines tüchtigen Arztes. Er selbst berichtete in seinem Testamente, dass er von Fürsten, von Rittern und von Bischöfen gesucht und sogar über das Meer geholt worden sei. Seine Berufsgenossen nannten ihn Abi hamaatikim d. h. Vater der Übersetzer, weil er zahlreiche Werke, meist grammatischen oder moralphilosophischen Inhalts, aus dem Arabischen in tadelloses Hebräisch übertragen hatte. Erhalten hat sich u. a. von ihm ein Brief an seinen Sohn Samuel, den er auffordert, sich jede Woche einen Tag mit Pharmazie, besonders mit pharmazeutischer Botanik, zu beschäftigen und nur Arzneimittel in Anwendung zu ziehen, deren Eigenschaften er genau kenne. Daraus darf man schließen, dass damals der jüdische Arzt noch, wie in Arabien, zugleich sein Apotheker gewesen ist. Nach Narbonne kam etwa gleichzeitig der Arzt Josef ben Isaak ben Kimchi aus Spanien, der als Dichter fast noch berühmter, denn als Arzt war. Etwas später lebte und wirkte in Marseille Schem Tow ben Isaak, der aus Catalonien nach Frankreich gekommen war (geboren 1196) und erst als dreißigj ähriger Mann das Studium der Medizin aufgenommen haben soll. Kurz vor seiner Niederlassung in Marseille hatte er sich noch in Montpellier aufgehalten. Er wurde gesuchter Praktiker und zeichnete sich durch die Übersetzung der Werke des Al Zaharabi aus dem Arabischen in das Hebräische aus (Sefer haschimusch) : er fügte eine Einleitung hinzu, in der er den angehenden Ärzten Ratschläge über das Benehmen am Krankenbett gibt. Auch die Werke des Almanzor übersetzte er (1264); dieses Manuskript besitzt die vatikanische Bibliothek. Endlich übertrug er als Sefer hanefesch die Abhandlungen des Aristoteles über die Seele. Sein Zeitgenosse war Salomon ben Josef ben Ayub, der aus Granada nach Beziers gekommen war; er verfasste eine seiner Zeit geschätzte Abhandlung über die Hämorrhoiden, deren Manuskript die Pariser Bibliothek noch aufbewahrt.

Doch hielten auch im vierzehnten Jahrhunderte die Juden in Spanien ihren Widersachern Stand. Gewissermaßen zwischen diesen und den Emigranten steht Simon ben Zemach Duran, der seinen Wirkungskreis Arragonien verließ, um in Algier, wo die Heilkunde zu seinen Lebzeiten (1360 — 1444) sehr darniederlag, ein ausgiebigeres Feld seiner Tätigkeit zu finden. Dort wählte man ihn zum Oberrabbiner, um ihn dauernd an Algier zu fesseln, und gab seiner Verehrung für den gelehrten Mann, der am liebsten in der Einsamkeit seinen Gedanken nachhing, dadurch beredten Ausdruck, dass man ihn Simon den Großen nannte. Von kulturhistorischem Interesse ist es, zu bemerken, dass dieser Oberrabbiner von Algier der erste Rabbiner gewesen ist, der, historisch beglaubigt, von seiner Gemeinde ein festes Gehalt bezog; dass er es annahm, entschuldigte er selbst damit, dass er vermögenslos nach Afrika gekommen sei und ihm die Ausübung der ärztlichen Praxis unter den Berbern keine genügenden Existenzmittel gewähre. Simon Du ran hat eine große Anzahl Werke verfasst; doch kennen wir aus teilweise noch vorhandenen Handschriften nur solche philosophischen und theologischen Inhalts, nicht aber solche aus dem Gebiete der Heilkunde.

In Spanien blieb zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts Salomon ben Abraham Ebn Daoud, der auf Grund der Lehren des Avicenna und Averroes ein Buch über die gesamte Medizin verfasste, eingeteilt in sieben Kapitel. Das erste lehrt die Anatomie, das zweite die Physiologie („die Gesundheit und die gute Anwendung der Körperteile“). Im dritten werden die Krankheiten und Gebrechen des menschlichen Körpers aufgezählt; ihre Symptomatologie und Prognose teilt das vierte Kapitel mit. Das fünfte Kapitel umfasst Diätetik und Arzneikunde; das sechste Kapitel gibt Anleitung, den Körper gesund zu erhalten und das letzte Vorschriften, den kranken Körper gesund zu machen. Ein Zeitgenosse dieses Arztes war Jakob von Toledo; er ist Verfasser einer Arbeit über den bösen Blick der Zauberer, der ja namentlich in ätiologischer Hinsicht das ganze Mittelalter hindurch für bedeutungsvoll erachtet wurde. In Toledo lag damals dem ärztlichen Berufe auch Meier Ebn Suschan, dessen Todesjahr 1415 ist, ob und mit ihm der Kabalist Schem Tow ben Jakob, der ihn überlebte. In Cordova muss um diese Zeit der ungenannte Verfasser einer Medizinischen Abhandlung in hebräischer Sprache (Sefer af Chakhmati) gelebt haben, da sie 1419 vollendet wurde. Ein anderer sehr gelehrter Arzt stammte aus Lorca, Josef Ebn Bibas; er verfasste einen Kommentar zum Kanon Avicennas und übersetzte eine andere Abhandlung dieses berühmten Arabers in das Hebräische. Hoher Achtung erfreute sich in Calatayud Don Todros Ebn Davor als Arzt und als Rabbiner. Ebenfalls zugleich Rabbiner war der Arzt Jakob Kaphanton, der durch seine Arbeiten über den Inhalt von Avicennas Werken glänzte. In Gualdaluxara war als Arzt tätig Isaak ben Soliman, der eine pharmaceutische Arbeit lieferte, betitelt „Die Eigenschaften der Heilmittel“.

Alle diese Männer sind ehrenwerte Vertreter des ärztlichen Standes unter den Juden Spaniens zu einer Zeit, in welcher man begann, die Juden um ihres Glaubens willen zu verfolgen. Aber gerade in dieser schwierigen Epoche ging aus der Mitte der Juden Spaniens auch ein Mann hervor, dessen Geschichte vielleicht den dunkelsten Punkt in der Geschichte der jüdischen Ärzte bezeichnet. Das war Josia Lorki, nicht mit Josef Lorki, den ich soeben als Josef Ebn Bibas erwähnt habe, zu verwechseln. Er vereinigte gute Medizinische Kenntnisse mit reichem rabbinischen Wissen und verwendete beides, um sich bei Papst Benedikt XIII, der ihn zu seinem Leibarzt ernannt hatte, in Gunst zu setzen. Als Christ auf den Namen Hieronymus de Santa Fe getauft, trat er als wütender Hetzprediger gegen seine verlassenen Glaubensbrüder auf. Er veranlasste den Papst, zu einer öffentlichen Disputation zwanzig der angesehensten jüdischen Gelehrten aus Spanien nach Tortosa zu berufen; er bestimmte Benedikt, den Talmud zu verbieten und, was uns am meisten interessiert, auf seinen Rat erließ Benedikt XIII am 11. Mai 1415 eine Bulle gegen die jüdischen Ärzte, Apotheker und Drogisten. Ein Konzil zu Tortosa (1429) schärfte diese Bestimmung auf das neue ein.

Trotz dieses verräterischen Renegaten und trotz dieser strengen kirchlichen Befehle übten noch immer Juden ärztliche Praxis aus, und selbst edle Fürsten gab es damals in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts in Spanien, welche sich nicht an den Fanatismus der katholischen Geistlichkeit kehrten. So hatte in Castilien König Heinrich IV. welcher den Thron 1454 bestieg, einen jüdischen Leibarzt, der sein ganzes Vertrauen besaß, und in Arragonien vertraute Don Juan II sein körperliches Wohl einem Juden an; Abiabar aus Lerida befreite seine erblindeten Augen vom Catarakt im Herbst des Jahres 1468.

Um die Zeit dieser königlichen Leibärzte lebte in Catalonien Gallab (auch Galled geschrieben) und genoss einen bedeutenden Ruf als tüchtiger Praktiker. In Castilien lehrte nicht nur Medizin, sondern auch Philosophie Isaak ben Schem-Tow; er schrieb einen Kommentar zu Maimonides. Aus Arragonien war Samuel ben Chabib gebürtig, der wahrscheinlich zu Sevilla die Praxis ausgeübt hat. Ebenfalls zu Sevilla lebte Salomon ben Verga, der in dieser Stadt geboren war. Er ist Verfasser eines historischen Abrisses über die Juden Spaniens mit manchen interessanten Einzelheiten; dieses Buch wurde in die lateinische, spanische, portugiesische und deutsche Sprache übersetzt. Die lateinische Übersetzung lies der Sohn des Verfassers 1554 in Adrianopel drucken. Einer der letzten jüdischen Ärzte Cataloniens war sodann Vidal Caslari, welcher das Regimen sanitatis des Maimonides in das Hebräische übertrug (Hanhagath haberioth). Unbekannt ist Geburtsort und Wohnsitz des Isaak ben Elieser, den man aus einer für ihn kopierten, noch existierenden Handschrift kennt. Er war der Oheim des noch 1490 zu Calatayud lebenden Schem-Tow Gagonia.

Diese Ärzte stellen den letzten Rest der einst so hochgeschätzten und so wohl bewährten jüdischen Ärzte Spaniens dar. Denn, als das fünfzehnte Jahrhundert sich zu Ende neigte, da brach das Verhängnis, das schon hundert Jahre den spanischen Juden drohte, mit elementarer Gewalt los. Im Jahre 1474 vereinigte die Heirat Isabellas von Castilien, das durch Bürgerkriege zerrüttet war, mit dem König Ferdinand von Arragonien beide Länder, und, unterstützt vom Cardinal Ximenes, begann nun der Herr Spaniens ein strenges, von fanatischem Eifer für die katholische Religion beseeltes Regiment, das im Jahre 1481 zur Einführung der Inquisitions- oder Ketzergerichte führte. Ursprünglich sollten sie die getauften, aber wieder abgefallenen Juden und die christlichen Sektierer aufspüren und bestrafen; als aber Ferdinand mit der Eroberung Granadas 1492 dem letzten Rest der maurischen Herrschaft in Spanien ein Ende bereitet hatte, begann er auf grausamste Weise die Zwangsbekehrung der Mohamedaner und der Juden, um ein absolut katholisches Reich zu schaffen, und die Inquisitionsgerichte ließen das Land gar bald vom Rauch der Scheiterhaufen, auf denen die widerstrebenden Mauren und Juden für ihren Glauben den Tod erlitten, verdunkeln. Endlich wurde noch im selben Jahre 1492 ein Ausweisungsdekret gegen sämtliche Juden Spaniens erlassen und in barbarischster, unchristlichster Härte durchgeführt. Über 800.000 Juden mussten das Land binnen vier Monaten verlassen, und viele davon starben auf dem traurigen Wege in die Fremde und das Elend unter freiem Himmel vor Hunger; so war Spanien von den jüdischen Ärzten durch das Machtwort eines Herrschers befreit, durch Maßregeln, die weder der Kirche noch dem Staate wahrhaft förderlich waren. Wenigstens erlangte dies Land nie wieder die Blüte, die es unter den Arabern erreicht hatte.“ 17)

17) Dittmar, Die Weltgeschichte, 1874, II. Teil pag. 134.

Etwa achtzig Tausend Juden, meist Castilianer, retteten sich in das benachbarte Portugal, wo im fünfzehnten Jahrhunderte in Lissabon, in Porto, in Coimbra u. s. w. die jüdischen Gemeinden Schulen besaßen. Auch jüdische Ärzte lebten in dieser Zeit noch dort. In Lissabon geboren war Don Ghedalia Ebn Jahya ungefähr 1436, und hier studierte er auch ; er war ein Nachkomme des Leibarztes Königs Dinis, den ich früher erwähnte; als Alphonse V. gestorben war, bekundete sein Nachfolger Don Juan II. Argwohn und Hass gegen alle Anhänger seines Vorgängers, und um diesem zu entgehen, wandte sich Don Ghedalia nach der Türkei. Don Juan II. (1481 — 1495) war nichts desto weniger kein Feind der Juden; er hatte selbst zwei jüdische Leibärzte Don Josef und Rodriguez, zwei hochgebildete Männer. Josef (Josef Vezinho) hat sich durch die Verbesserung des astronomischen Instruments, das man nautisches Astrolabium nennt und zur Messung der Sternhöhe gebraucht, nicht unbedeutende Verdienste um die Schifffahrtskunde erworben. Beide Leibärzte wurden mit dem Erzbischof von Centa beauftragt, die Bitte des Columbus um Unterstützung seiner Pläne zur Auffindung Indiens zu prüfen; es ist bekannt, dass diese Kommission nicht weitsichtig genug war, um dem Könige die erbetene Hilfe anzuempfehlen, und dass Christoph Columbus erst in Spanien Verständnis für seine Ideen fand. Don Juan II. war auch der milde Fürst, der den aus Spanien vertriebenen Juden den Übertritt in sein Reich gestattete. Leider starb er drei Jahre darauf; König Emanuel, der den verwaisten Thron bestieg, behandelte die Juden fast noch gnädiger, als Juan und war wohl sogar im Begriff, ihnen größere Freiheiten zu gewähren 18 ). Allein Isabella von Spanien, seine Schwiegermutter, ruhte nicht früher, als bis sie Emanuel zu ihren lieblosen Ansichten bekehrt hatte; sie wolle keinen Eidam haben, schrieb sie ihm drohend, der die Feinde Gottes in seinem Lande dulde. Der König gehorchte endlich und erließ 1495 das Verbannungsdekret gegen die Juden Portugals; binnen acht Monaten sollten sie das Land verlassen oder zur Taufe kommen, und, als sie die teuer gewesene Heimat verlassen wollten, riss man Eltern die Kinder aus den Händen und schleppte sie zur Taufe und schenkte sie Christen zur weiteren Erziehung, und manche Juden töteten selbst ihre Lieblinge, um sie diesem Schicksal zu entreißen. Als man zehn Jahre später mehr als zweitausend zurückgebliebene Juden, die damals die Taufe angenommen hatten, bei der Feier des Passahfestes überraschte, büßten alle mit qualvollem Tode die Liebe zur Religion ihrer Eltern. Das war das Ende der einst so blühenden und glänzenden jüdischen Wissenschaft auf der pyrennäischen Halbinsel!

18 ) Nach Lilienthal hatte König Emanuel sogar einen jüdischen Leibarzt, Abraham Sachuth, der zu Salamanka geboren und in Saragossa Professor der Astronomie geworden war. Als die Juden ausgewiesen wurden, floh er nach Tunis. I. D. München 1838 pag. 20.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der jüdischen Ärzte