Die Zeiten der dänischen Lehnsherrschaft

Der Tod des edlen Pribislaw, und der Sturz Heinrichs des Löwen, der 1182, des Hochverrats gegen Kaiser und Reich angeklagt, ins Exil wandern musste, nachdem er der Reichslehen Bayern und Sachsen beraubt war, und ihm nur die braunschweigischen Allodien blieben, wurden für die Wendenländer das Signal abermaliger Zerrüttung. Gegen Heinrich Borowin I. trat nun der Sohn des unglücklichen Wertislaw, Niklot II., als Thronprätendent auf. Bald entbrannte der Krieg. Niklot, aus Ilow, wo er sich festgesetzt, vertrieben, warf sich in die Arme Fürst Bogislaws von Pommern, der im Kampfe gegen den dänischen Vasallenfürsten Jaromir von Rügen stand. Borowin ergriff des Letzteren Partei. Er, wie Niklot, wurden Kriegsgefangene. Diesen günstigen Zeitpunkt benutzte der dänische König Kanut VI. (1182—1203). Als Vermittler auftretend, veranstaltete er eine Landesteilung, in der Borowin Ilow und Mikilinburg, Niklot aber Rostock mit Zubehör erhielt. Beide erlangten ihre Freiheit, aber nur durch Anerkennung der Lehnshoheit der Krone Dänemark, dieser uralten, oft besiegten Feindin der Wendenländer, deren Herrschaft eisern auf ihnen lastete, und insbesondere dem einst so blühenden Handel der Wenden den Todesstreich versetzte, auch unsere Fürsten in vielfache Händel und Fehden verflocht.

Heinrich der Löwe starb 1195 und schon vor ihm (1190) Kaiser Friedrich I.; diesem folgte sein Sohn Heinrich VI., der aber auch schon 1198 starb. Nun wurde Otto IV., Heinrichs des Löwen Sohn, erwählt, als Gegenkaiser aber Philipp von Schwaben, Heinrich VI. Bruder. Darüber entstand zehnjähriger Bürgerkrieg in Deutschland, bis Philipp 1208 durch das Schwert des Wittelsbachers fiel. Während dieser Verwirrung breitete Dänemark seine Macht im deutschen Norden weiter aus. Zunächst Kämpfe mit Brandenburg, an denen auch unsre Fürsten Teil nehmen mussten. In Ratzeburg war das Geschlecht der Badewide erloschen, durch Heirat kam die Grafschaft an Adolf von Dassel (1200); aber dieser, so wie Adolf von Holstein, konnten sich nicht wider Kanut behaupten. Ersterer verlor in dem blutigen Treffen bei Warskow (Waschow, Amts Wittenburg) 1201 das Schlachtfeld gegen die obotritischen Fürsten Borowin und Niklot. Letzterer fiel siegend; 700 Feinde bedeckten die Wahlstatt. Adolf von Holstein aber, nachdem er sich die Lauenburg, die allein, von allen überelbischen Besitzungen Heinrichs des Löwen, den Söhnen desselben geblieben war, bemächtigt hatte, geriet, nach langem Kampf, 1202 in die Gewalt seines Feindes, und wurde gefangen nach Dänemark geführt.

Kanut starb 1202; sein Bruder und Nachfolger Waldemar II. vollendete die Eroberung Nordalbingiens mit Einnahme der Lauenburg, durch deren Übergabe Graf Adolf seine Freiheit erlangte, und nahm nun den Titel eines Königs der Wenden an. Auch Lübeck hatte sich ihm ergeben, und die dänische Macht umfasste alle nördlich der Mark zwischen Oder- und Elbmündung gelegenen Lande. Von Kaiser Friedrich II. erlangte er sogar auf dem Reichstage zu Melz 1214 die förmliche Abtretung dieser Provinzen, wo er mit Strenge und Grausamkeit herrschte. Am härtesten erfuhren dies die Grafen Gunzel II. und Heinrich von Schwerin. Wegen einer Fehde mit Johann Gans von Puttlitz, worin sie dessen Burg Grabow eroberten, wurden sie, die bisherigen, treuen Bundesgenossen Waldemars, vom dänischen Statthalter Nordalbingiens, Albert von Orlamünde überfallen, ihr Schloss Boizenburg ihnen entrissen und die ganze Grafschaft schrecklich verwüstet (1208). Die Grafen wurden erst 1214, gegen Anerkennung der dänischen Hoheit, restituiert.


Inzwischen sorgte Heinrich Borowin, seit dem Tode des Fürsten Niklot II. wieder im alleinigen Besitze des Landes, tätig für das Wohl seines Staates, so viel seine beschränkte Macht gestattete. Deutsche Ansiedler berief er besonders nach Plau, Parchim und Poel. Er verlieh an Rostock das lübische Stadtrecht und Zollfreiheit durch das ganze Land; den Missbrauch des Strandrechts suchte er zu mildern und fundierte die Klöster zu Parchow (später nach Kussin, Sonnenkamp, Neukloster verlegt) und Tempzin für wendische Mönche und Nonnen, denn bis in die Klostermauern drang der Hass beider Völker, deren gänzliche Verschmelzung noch lange dauerte. Auch nahm er an dem Kreuzzuge Waldemars gegen die heidnischen Esthen und Liwen 1217 Teil, und kehrte nach ruhmvollen Kriegstaten im folgenden Jahre zurück.

Jetzt (1219) übergab der alternde Fürst seinen Söhnen Heinrich Borowin II und Niklot III. (Nicolaus) das Steuer der Regierung. Ersterer residierte zu Rostock, letzterer zu Gadebusch, das — über das Wie? fehlen die Nachrichten — von der aufgelösten Grafschaft Ratzeburg erworben war. Der ältere Borowin lebte bis 1226.