Sicherheit der Staatspapiere

Über die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Staaten kann sich jeder Kapitalist eine Ansicht bilden, welche sich in der Regel auf seine individuelle Anschauung gründen wird. Politische Pessimisten werden weder dem bestverwalteten Kleinstaate, noch dem mit Schulden überbürdeten Großstaate Kapitalien anvertrauen, die Mehrzahl der Kapitalisten denkt anders und beruhigt sich über die Zahlungsfähigkeit der Staaten und die Steuerkraft der Völker mit der Überzeugung, dass die Staaten ohne Schulden nicht mehr bestehen können und daher ihren Kredit aufrecht erhalten müssen, was zuerst pünktliche Einhaltung der Zinszahlungen erfordert, wenn auch die Heimzahlung in der Regel nur durch langjährige Renten geschieht, deren Kapitalwert sich mit dem Zinsfuß ändern muss. Die Staatsschulden erhöhen die Steuerlast; bei richtiger Verteilung der Steuern ist ihre Wirkung dieselbe, wie die Wirkung der hypothekierten Schulden. Der Staat teilt sich mit dem Kapitalisten in die von dem Arbeiter bei jedem Unternehmen verdiente Kapitalrente, und es ist für den Arbeiter die gleiche Last, ob er Steuer an den Staat oder Zins an den Kapitalisten bezahlt.

Der Arbeiter oder Unternehmer kann den Zins bezahlen, wenn ihm durch das angeliehene Kapital ebenso viel Arbeit erspart wird, als der Kapitalzins beträgt, und er kann die Steuer bezahlen, wenn er durch die Vorteile, welche der richtig organisierte Staat darbietet, in seiner Arbeit um ebenso viel erleichtert ist. Der Kapitalwert jedes Gutes vermindert sich um das der Steuer entsprechende Kapital, und wie es Güter und Realitäten gibt, welche die für das verwendete Kapital zu bezahlenden Zinsen nicht ertragen, so gibt es Güter, welche weder Zinsen noch Steuern tragen. Es ist aber eine große Übertreibung, wenn von den Sozialisten und Kommunisten die Behauptung aufgestellt wird, in den europäischen Staaten werde das Einkommen des Arbeiters durch die Steuerlast absorbiert. In jedem Staate steht im stationären Zustande die Produktion mit der Konsumtion gleich, im fortschreitenden Zustande ist die Produktion grösser, als die Konsumtion und das Nationalvermögen nimmt zu, im rückschreitenden Zustande ist die Konsumtion größer als die Produktion und das Nationalvermögen nimmt ab. Das Nationaleinkommen entspricht dem Wert der Produktion, es verteilt sich aber in Arbeitsverdienst und in Kapitalzins, unter welchem auch der Zins des Steuerkapitals zu begreifen ist. Bei jedem mit Steuer belegten Objekt muss von der Kapitalrente die Steuer in Abzug gebracht werden und die Steuer vermindert um ebenso viel den Kapitalwert. Die Steuer kann daher bei richtiger Verteilung immer aufgebracht werden, so lange es Realitäten gibt, welche außer der Steuer noch Kapitalrente abwerfen. Die Steuer vermindert den Kapitalwert der Güter, was sich bei allen Verkäufen ausspricht, indem jeder Käufer den Betrag der Steuer bei seinem Kaufoffert in Rechnung nimmt. Steuern, welche unter ganz verschiedenen Verhältnissen auferlegt wurden, wirken ebenso drückend wie Käufe und KapitalAnleihen, welche unter der Voraussetzung eines höhern Ertrags abgeschlossen wurden, im Verlauf der Jahre müssen sich aber solche Ungleichheiten heben und Sache der Staatsverwaltung ist es, diese Ausgleichung möglichst zu befördern, wodurch auch die zur Bezahlung der Staatsschulden aufzuwendenden Zinse sich ohne Überbürdung der einzelnen Staatsangehörigen aufbringen lassen.


Es werden daher Schuldverschreibungen eines geordneten Staates immer das sicherste Mittel sein, sich feste Renten zu kaufen, wenn auch ihr Wert mit dem Zinsfuß wechselt. Der Besitzer einer Staatsobligation bezieht die gleiche Rente, ob der Kurs fällt oder steigt, und verliert nur, wenn er bei niedrigem Kurs verkaufen muss, oder gewinnt, wenn er bei hohem Kurs verkaufen kann, sein Verlust und Gewinn ist aber nur scheinbar, wenn er sein Kapital wieder anlegen muss und der Zinsfuß überhaupt gestiegen oder gefallen ist, weil alle Kapitalien von dem Steigen und Fallen des Zinsfußes gleich berührt werden, wenn ihre Sicherheit und Verkäuflichkeit gleich ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geld und Kapital