Die englische Bankordnung

Um die nachteiligen Folgen zu beseitigen, welche durch ungebundene Ausdehnung der Kreditoperationen für die Gesamtheit entstehen können, ist bei den Banken nicht nur die unbedingte Haftbarkeit der Unternehmer als Grundsatz festgehalten worden, sondern die Bestimmungen über die Notenemission der Banken wurden wesentlich beschränkt.

Nach der Aufnahme der Barzahlungen der Bank von London im Jahr 1821 wurde als ein Bedürfnis des gesteigerten Verkehrs die Vermehrung der Zettelausgabe sehr allgemein bezeichnet und durch eine Parlamentsakte von 1826 wurde das Privilegium der Bank von London teils beschränkt, teils erweitert, dabei zugleich den Banken die Befugnis der Zettelausgabe, wenn auch unter ihrer Haftbarkeit freigebig erteilt. Die Krise von 1837 und 1839 zeigte die Gefahren dieser Papierzirkulation und Peel setzte auf den Vorschlag einer der ersten Finanzautoritäten, des Bankiers Sam. Jones Lloyd, nachher Lord Overstone im Jahr 1844 die neue Organisation der Notenzirkulation im Parlament durch. Die Parlamentsakte ging von dem Grundsatz aus, dass die Bank von England wie jeder Privatmann ihre Zahlungen in gesetzlichen Zahlungsmitteln zu leisten habe, weshalb ein besonderes Bankdepartement und ein besonderes Departement für die Ausgabe der Banknoten bestellt wurde. Dabei wurde von dem theoretischen Grundsatz ausgegangen, dass die Menge der Zirkulationsmittel sich nach der Ausdehnung des Verkehrs richte und dass ein Mehrbedarf immer durch Vermehrung der Metallzirkulation beigeschafft werden müsse. Es wurde ferner der Grundsatz ausgesprochen, dass die Bank einen Teil der Banknoten mit verzinslichen Wertpapieren decken könne, welche Summe zu 14 Millionen Pfd. Sterl. festgestellt wurde, dass aber jeder Mehrbedarf an Banknoten durch Metall gedeckt werden müsse, dabei wurde vorausgesetzt, dass der Verkehr selbst nie eine Verminderung der Banknoten unter die Summe von 14 Millionen Pfd. zulassen werde und dass die Bank daher nie in den Fall kommen werde, ihre Barvorräte zu erschöpfen.


Die Unrichtigkeit dieser Voraussetzung zeigte sich bei der Krise im Jahr 1847, als die Getreideeinfuhr und andere Handelskonjunkturen bedeutende Barzahlungen aus England veranlassten. Die Bank war ihrer Metallvorräte so entblößt, dass sie zu einer weitern Banknotenemission, als die Peel'sche Bankakte mit 14 Millionen Pfund gestattet, ermächtigt werden musste. Diese Aushilfe zeigte sich für die Metallzirkulation günstig und die Krise ging nach kurzer Zeit ohne einen bleibenden Nachteil vorüber.

Die Gegner der Peel'schen Bankakte, darunter der durch seine sorgfältigen literarischen Arbeiten berühmte Tooke, fanden hierin den Beweis, dass eine Ausdehnung der Notenausgabe bei eintretendem Bedarf auch ohne Metalldeckung zulässig sei und dass die Bankakte von 1844 dem Verkehr ohne Not eine lästige Fessel auferlege.

Die Verteidiger der Metallzirkulation erklärten dagegen, dass durch Erhöhung des Diskontsatzes die baren Mittel angeschafft werden müssen und dass die Krise von 1847 nicht eingetreten wäre, wenn diese Erhöhung von Seiten der Bank früher angeordnet worden wäre.

Durch die Erfahrung von 1847 belehrt wurde in den letzten 10 sehr bewegten Jahren dieser Grundsatz beobachtet und der Diskont jedes mal erhöht, sobald sich ein Abfluss der Barvorräte bemerkbar machte, welcher die Einlösung der Barvorräte zu gefährden drohte, was jedoch der des Kredits bedürftigen Spekulation durch die häufigen Wechsel des Diskontsatzes sehr lästig wurde, besonders wenn auch die von der Bank anerkannten besten Wechsel zum Diskontieren nur mit Beschränkung zugelassen wurden.

Die Bankakte von Peel hat aber sich bei den Geschäftsleuten so viel Vertrauen erworben, dass alle Angriffe von der Gegenpartei bis zum November 1857 abgewiesen worden sind, ungeachtet die der Vorschüsse bedürftige Spekulation für eine Vermehrung der Notenemission ohne Metalldeckung die größten Anstrengungen machte. Erst die in Nordamerika im Oktober 1857 ausgebrochene Krise hat einen solchen Sturm auf die Bank wegen Diskontieren von Wechseln veranlasst, dass die Bank zu einer weitern Emission von Banknoten ermächtigt wurde, wobei übrigens der sehr hohe Diskont von 10 % beibehalten werden musste, welcher zu Herbeischaffung von Geldmitteln in so kurzer Zeit führte, dass die um 2 Millionen vermehrte Notenemission nur vorübergehend nötig wurde. Es ist somit der Streit der „Papiermänner“ und der „Metallmänner“ durch die Krise von 1857 ebenso wenig entschieden worden, als im Jahr 1847, wie aus den Schriften der beiden Parteien hervorgeht. Als das Organ der Metallmänner sind die „Times,“ als das Organ der Papiermänner der „Economist“ zu betrachten.

Bei unbefangener Prüfung der Streitpunkte überzeugen wir uns auch, dass diese bei dem Ungeheuern Geldverkehr Englands unmöglich von so entscheidendem Einfluss sein können, als die beiden Parteien behaupten. Über die Notwendigkeit, bei Nachfrage nach Kapitalien den Diskont zu erhöhen, sind beide Parteien einig, nur verlangt Tooke und seine Schule die Grenze von 14 Millionen Deckung mit Wertpapieren erweitert, so dass bei starkem Bedarf die Banknotenemission ohne Metalldeckung auf 18 bis 20 Millionen Pfund, jedoch nur vorübergehend erhöht werden könnte. Dass einer nachteiligen Geldbilanz dadurch nicht begegnet werden kann, ist von selbst klar und nach Erschöpfung dieses Kapitals von 4 bis 6 Millionen Pfund sind die Umstände dieselben, oder vielmehr nach Entfernung der Metallvorräte noch viel schlimmer. Wenn von den entschiedensten Metallmännern dagegen verlangt wird, dass auch die Summe von 14 Millionen Pfund Sterling statt in verzinslichen Wertpapieren in Metall deponiert werden solle, so wäre dadurch allerdings die Einlösung der sämtlichen Banknoten gesichert, aber für eine ungünstige Handelsbilanz und für die Vorschüsse auf Handelspapiere wären dadurch die Mittel keineswegs gegeben. Wenn man berücksichtigt, dass die Warenausfuhr in den letzten Jahren jährlich über 100 Millionen Pfd. Sterl. und die Einfuhr noch mehr betragen hat, dass der Wert einer Ernte in England im Durchschnitt zu 200 Millionen Pfd. Sterl. anzuschlagen ist und in den letzten Jahren 1/10 des Bedarfs an Nahrungsmitteln mit einem Wert von 20 Millionen Pfund eingeführt wurde, dass überdies die Engländer ihre jährlichen Ersparnisse in Australien und Ostindien und in allen Weltgegenden anlegen und diese Einzahlungen die von Engländern aus dem Auslande zu beziehenden Kapitalrenten und Dividenden von Unternehmungen aller Art weit übersteigen können, so kann der Barvorrat der Bank und des ganzen Landes bei einer Krise nicht ausreichen, es müssen vielmehr Kapitalien zur Ausgleichung benützt werden, wozu das in Wechselbriefen umlaufende Kapital von 100 bis 200 Millionen Pfund Sterling ebenfalls nicht verfügbar ist. Wenn auch durch Beschränkung des Kredits und Erhöhung des Diskonts das in Wechseln umlaufende Kapital wesentlich vermindert werden kann, so darf doch dem Handel nicht zu viel Kapital entzogen werden, ohne gefährliche Stockungen zu veranlassen, es müssen vielmehr die in verzinslichen Wertpapieren vorhandenen Kapitalien bei außerordentlichen Anforderungen an den Geldmarkt zur Ausgleichung benutzt werden. Durch Erhöhung des Diskonts wird ein Teil der Wechselbriefe an auswärtigen Börsen zum Diskontieren gebracht und durch Beschränkung der Zeit für die zu diskontierenden Wechsel erneuert sich das Kapital rascher, das wirksamste Mittel aber ist, wenn durch Herabdrücken der Kurse der Sicherheitspapiere diese den ausländischen Börsen zugeführt werden. Dadurch kann jedes Passivum in der Handelsbilanz ohne Barsendungen auf den wichtigsten Wechselplätzen ausgeglichen werden und Barsendungen finden nur statt, wenn sie bessere Rechnung geben. Diejenigen Spekulanten, welche sich in Verbindlichkeiten über ihre Kräfte eingelassen haben, müssen wenn auch mit Opfern durch Veräußerung von Waren und Wertpapieren Zahlungsmittel herbeischaffen, was auch durch das Palliativmittel einer vermehrten Notenemission nicht vermieden werden kann, bei Einführung des Zwangskurses aber das Übel von den Schultern der Spekulanten auf die gesamte Nation überwälzt, wenn nicht für Aufrechthaltung eines günstigen Wechselkurses durch Anleihen oder Verkauf von Sicherheitspapieren Opfer gebracht werden.

Wenn sich viele deutsche Schriftsteller die Aufgabe stellen, die Grundsätze der Bankfreiheit, Handelsfreiheit und Gewerbefreiheit nach den der englischen Regierung feindlichen Schriftstellern zu verbreiten, so ist es um so notwendiger, die letzten Gründe der englischen Handelsgesetzgebung zu erforschen, ohne sich dabei durch zufällige Umstände irre führen zu lassen, wobei wir finden, dass dem ganzen System richtige, durch die Erfahrung erprobte und sehr einfache Lehren über die Geldzirkulation zur Grundlage dienen.*)

*) Edinburgh Review Januar 1858 gibt einen Auszug aus: Tract and other Publications on Metallic and Papercurrency. By the Right Honourable Lord Overstone. Collected by J. R M'Culloch Esq. 1857. 8.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geld und Kapital