Abschnitt. 10

Zu den zu berichtigenden Angaben über ältere Geschichte der Hansa, welche zugleich bestätigen, welcher Maasstab der Kritik an die vorhandenen Ueberlieferungen oft noch zu legen ist, gehören hier noch die über die von Werdenhagen aus des Syndicus Doman Auszuge der hansischen Recesse angeführten Statute vom Jahre 1312 bis 1347. Diese Zahlen sind alle durch Schreibfehler verfälscht, wie von einem derselben in Betreff der Wiedertäufer, sich augenscheinlich ergiebt, wo 1535 statt 1335 gemeint ist, und für diese, so wie die übrigen Jahrszahlen sich aus einer Abschrift des Domanschen Auszuges im hamburgischen Archive, so wie geschehene Vergleichung der Recesse selbst bestätigt. Die Statute v. 1312, 1317, 1327, 1341 über die Entscheidung der Streitigkeiten zweier Hansestädte mit einander, sowie des Rathes mit den Bürgern, sind, wie Doman Cap. VII. angiebt, v. J. 1412, 1417, 1427 und 1441. Der Beschluss, dass wer in einer Hanse Stadt Aufruhr stiftet, in der andern nicht zuzulassen sey, datirt nicht von 1317, sondern v. 1417. S. ebendas. Eben so sind die Beschlüsse gegen die Städte, deren Bürger sich gegen den Rath empören, ein volles Jahrhundert später als die angegebenen Jahre 1317, 1318, 1327 u. 1347 zu setzen. S. Doman Cap.II. Die Beliebung, dass wenn ein Deputirter den andern bey den Unterhandlungen beleidigt, jener nicht sogleich seine Stelle verlieren, sondern eine Geldbusse erlegen soll, ist nicht von 1318, sondern von 1380. S. ebendas. Der Beschluss die Buntwirker betreffend, ist nicht v. J. 1318, sondern aus dem Recess v. J. 1481 entlehnt.

Zu den wenig beachteten, jedoch sehr trüben Quellen der Geschichte der ältesten Städtevereine im nördlichen Deutschland gehören auch noch die Rollen der Handwerker.


Aus späterer Zeit waren einige Gesammtbeschlüsse der Ostseestädte in Betreff der Handwerker schon bekannt; mehrere einer frühern Zeit angehörig sind im Urkundenbuche abgedruckt, deren Alter unbezweifelt ist. Die Rolle der Böttcher von 1321 ist im Recesse v. J. 1367 bestätigt. Eine auffallende Nachricht, die sehr einer Bestätigung bedarf, ist in den im J. 1710 obrigkeitlich confirmirten Artikeln der Schuster zu Hamburg enthalten, welche besagt, dass eine Ordnung für diese Gewerbe von den Städten Lübeck, Hamburgs Wismar, Stralsund, Rostock und Lüneburg im J. 1226, Montags nach h. Dreyfaltigkeit, im sechsten Regierungsjahre Kaiser Friedrich II abgefasst sey. Sie führen ferner Beschlüsse dieser Städte v. J. 1366 u. 1547 an, welche jedoch eben so wenig näher documentirt werden können.

Wenn nunmehr zu entscheiden wäre, bey welchen Städten der Ursprung der Hanse zu suchen sey, so müssen wir hier wiederum eine ältere Meinung, welche neuerlich zu sehr beseitigt wurde, in den Schutz nehmen: dass nemlich dieser zunächst auf den uralten Verhältnissen zwischen den Städten Hamburg und Lübeck beruhe. Wenn gleich die Vereine verständiger, kräftiger und gewandter Männer, der norddeutschen Kaufleute im Auslande durch ihr Alter und durch ihre Wichtigkeit berechtigt sind, die Grundlage der Hanse genannt zu werden, so wird man dennoch nicht bezweifeln können, dass dieselben theils sehr vorübergehende Erscheinungen gebildet, theils sich bald untereinander zersplittert hätten, wenn die Städte nicht durch andere Bedürfnisse, theils aus dem damahligen Zustande Deutschlands, theils aus den unveränderlichen Verhältnissen ihrer natürlichen Lage hervorgehend, aneinander geknüpft wären. Unter allen Städten aber, welche die Hanse bildeten, sind keine, welche so früh, vielfach und enge unter einander verknüpft waren, als Lübeck und Hamburg; keine andere Städte haben so früh gemeinschaftliche Handelsprivilegien im Auslande sich erworben oder verfolgten die gemeinschaftliche Spur so nahe, keine Städte haben so frühe und so viele gemeinschaftliche Einrichtungen getroffen, als diese über Münze, Schiffsrecht, und andere staatsrechtliche, so wie Handels - Einrichtungen. Dieses enge Verhältniss dieser beiden Städte ist aber für die Entstehung der Hanse deshalb besonders wichtig geworden, weil sie als die Vertreter ganz verschiedener Handelsinteressen des Ostsee- und des Elb-Handels anzusehen sind, welche in richtiger Erkenntniss des eigenen Vortheils zu wechselseitiger Unterstützung sich vereinten. Mit Lübeck waren die übrigen Ostseestädte seit ihrer ersten Anlage in so sehr gleichen Interessen und Verhältnissen , dass sowohl jede dieser Städte einzeln nahmhaft, als auch ihre Gesammtheit unter dem Nahmen der wendischen Städte bald anerkannt ward. Beym Elbhandel tritt dagegen der Nahme des grössten Marktes und Hafens, von dem aus die Land- und oberelbischen Städte, die oben gedachten Gäste und Genossen, ihren Antheil an der Schifffahrt in der Nordsee wahrnehmen, mehr hervor. Wir bemerken ferner, dass der Verträge Lübecks mit den an der Elbe oder südlich von derselben gelegenen Städten, ausser mit Hamburg nur sehr wenige sind, während diese mit letzterer Stadt zahlreiche und wichtige Verträge schlossen, wogegen uns kein Bündniss einer der andern Ostseestädte mit Hamburg oder gar mit einer der andern Elb - oder der Landstädte bekannt ist. Hamburg und Lübeck waren also die Vermittler aller dieser verschiedenen Interessen: und wir dürfen wohl behaupten, dass, wenn irgend ein zufälliges Verhältniss, eine aristocratische Familien-Feindschaft, Zwist verschiedener Landesherren oder falsch verstandene Handelseifersucht diese Städte hätte trennen können, eine gemeine deutsche Hanse nicht aufgeblüht wäre, sondern die Geschichte nur von Vereinen einzelner Städte, so wie ein Meer, oder ein Fluss sie dargeboten hätte, berichten würde. Die Erkenntniss dieses Hergangs der Geschichte lehrt uns zugleich, dass auch hier nicht Willkür und Zufall ein launenhaftes Spiel getrieben haben. Die wesentlichsten Verhältnisse, aus denen die Hanse hervorging, haben sich sogar noch bis zum heutigen Tage erhalten. Die Städte, auf welchen die Hanse zunächst begründet war, da auch Bremen zu dem Weserhandel in ähnlichen Verhältnissen stand und besteht, wie Hamburgs und Lübecks Lage sie für die Elbe und die Ostsee ihnen darbieten, sind diejenigen, welche vielfache Veränderungen der Staaten und des Handels des nördlichen Europas überlebt haben. Haben gleich die ehemaligen hansischen Niederlagen an der Ostsee ihr Daseyn längst verloren, sind auch grosse neue Handelsstädte an deren Küsten angelegt, so lässt doch immer auf eine auffallende Weise sich erkennen, wie noch stets deutsche Hände und deutsche Mittel den Handel daselbst leiten. Am unerschütterlichsten verbleibt das Verhältniss Hamburgs zu seinen alten Gästen und befreundeten Genossen, dessen Aufhören ohne eine völlige Vernichtung oder wesentliche Umgestaltung des Elbstroms nicht denkbar ist, und welches demnach als auf der jetzigen Gestaltung unseres Planeten beruhend angesehen werden darf.