Einleitung in die Geschichte des Ursprungs der deutschen Hanse.

Ein bestimmtes Anfangsjahr des Vereins der niederdeutschen Kanfleute und Städte anzugeben, welcher späterhin die deutsche Hanse genannt ward, ist unthunlich. Indem die zuerst hier oder da Zusammentretenden auf einen engen Kreis sich beschränkten, den zunächst sie drängenden Bedürfnissen abzuhelfen bemüht waren, eine Verbindung In grösserer Ausdehnung zuvörderst aber nicht beabsichtigten, mehrere Vereine der Art endlich von geringerem Umfange, fast gleichzeitig, durch gleiche Bedürfnisse veranlagst, entstanden. Alle diese ältesten besondern Vereine sind kaum noch auszumitteln, obwohl die uns überlieferten auf früher vorhandene hinweisen; auch ist nicht immer urkundlich darzuthun, wie diese unter einander sich wiederum verbanden, andere sich Ihnen angeschlossen haben.

Gewiss dachten die zuerst zusammentretenden niederdeutschen Kaufleute in der Fremde, die durch Sitte, Sprache und die Verfolgung gemeinschaflicher Zwecke einander verwandt waren, nicht an eine Handelsverbindung, welche den Verkehr im Norden, auf der Ost- und Nordsee beherrschen sollte; eben so wenig aber haben die sich zuerst mit einander verbindenden Städte geahnet, dass daraus ein Bund hervorgehen würde, welcher der Macht der Könige und Völker im Nordei die Spitze zu bieten vermöchte.


Das gemeinschaftlich gefühlte Bedürfniss bey den niederdeutschen Kaufleuten in der Fremde, wie bey den Städten daheim, hat zunächst zu einzelnen Verbindungen in engem Kreisen gefuhrt; diese haben im Verlaufe der Zeit sich erweitert, getrieben durch gleiche Bedürfnisse schlossen sich andere an, als die goldenen Früchte der ersten kaufmännischen Vereine in dem Auslande sich zeigten, und immer neue Städte im Nordosten entstanden, sie und die früher vorhandenen aber mit grösseren Freyheiten begabt wurden. Nicht durch einen Zauberschlag, nicht zufolge einer Idee, sondern aus dem lebhaft gefühlten gleichmässigcn Bedürfnisse, ist in und mit der Zeit aus kaum bemerkten Anfängen eine Verbindung hervorgegangen, welche den Handel und die städtischen Freyheiten im Norden Deutschlands schirmte: ein Erfolg, der um so erfreulicher war, da, bey der gelähmten kaiserlichen und Reichsgewalt, Niemand sonst sich zeigte, welcher diese Segnungen dem fleissigen Bürger, dem fahrenden Manne, den freyen Gemeinen hätte gewähren können, da, ohne diese Vereine, vielmehr die Städte und ihre Bürger in die Gewalt fremder Mächte gerathen seyn würden, oder, ihrer Freyheiten beraubt, der Gewalt einheimischer Herren nicht würden haben entgehen können. Aus so unvollkommenen Anfängen ging endlich eine Verbindung hervor, deren Wirkungen nicht auf Deutschland beschränkt blieben, vielmehr erstreckten sie sich über den gesammten Norden von Europa. Der Bund hat eine weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen, dieser Verein von Städten und Kaufleuten hat im Mittelalter so grosse Wirkungen hervorgebracht, dass er als eine der bedeutenderen Stufen In der Gesittung unsers Welttheils betrachtet werden muss.

Wenn nun die glücklichen Nachkommen einen Rückblick auf den Ursprung einer Verbindung thun wollten, der sie so Vieles verdankten, und welche sie in den Besitz eines solchen Ansehens in ganz Europa gesetzt hatten; so wussten sie doch nie mit Bestimmtheit zu sagen, welchen ihrer Altvordern sie eigentlich zu Dank verpflichtet wären. Nicht nur die spätern Schriftsteller, sondern auch die Abgeordneten auf den Hansetagen, ja des Bundes Syndici selbst, die im sechszehnten und siebenzehnten Jahrhunderte angestellt und unter Anderm auch mit der Geschichte des Vereins beauftragt wurden, wichen, was den Ursprung betrifft, um Jahrhunderte von einander ab. In Wahrheit ist er auch um so vieles früher oder später zu setzen, je nachdem man ihn in den ersten zufälligen, durch das nächste Bedürfniss gebotenen, und über einen engern Kreis sich erstreckenden Verbindungen norddeutscher Kaufleute in dem Auslande, und einiger wenigen Städte dieses nördlichen Theiles unseres Vaterlandes setzt; oder ihn erst in der Verbreitung dieser kaufmännischen Vereine über den gesammten Norden findet, die einen Mittelpunct an den vereinten Städten gewannen; oder in der Verbindung dieser, der Seestädte etwa, oder der angesehenem See- wie Landstädte erkennt, welche über den gesammten Norden Deutschlands verbreitet, durch ihre Abgeordneten zusammentreten, gemeinschaftliche Beschlüsse fassen und gemeinsame Zwecke verfolgen. Hält man sich endlich bey Beantwortung dieser Frage an den Nahmen deutsche Hanse, den die Kaufleute und Städte nachher so verherrlicht haben, und der einigen wenigen der letztem bis auf uns, zur Erinnerung an eine grosse Vergangenheit, geblieben ist; so liegen auch in dieser Hinsicht Jahrhunderte dazwischen, bevor dieser Nahme, der zuerst nur dem Vereine deutscher, vornehmlich im Auslande verweilender Kaufleute beygelegt wurde, auf den grossen Verein der niederdeutschen Städte und Kaufleute übertragen ward, bis er zuletzt dem Städte-Bund allein verblieb, seitdem dessen Macht immer mehr sich ausgebildet hatte, alle besonderen Vereine ihm mehr unterworfen wurden, Nahme und Sache von mehreren fremden Mächten, zulezt von allen, ja von Kaiser und Reich selbst stillschweigend d. h. ohne Bestätigungs-Urkunde, anerkannt wurde.

Die Geschichte der Vereine der niederdeutschen Kaufleute und Städte, bis zu ihrer mehr gemeinschaftlichen Verbindung und deren Ausbildung, umfasst den Zeitraum vom Anfange des zwölften bis zu der zweyten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts etwa bis zu dem J. 1370. in welchem die mächtigsten Städte des Vereins, die Seestädte, vor ganz Europa ihre Macht im Kampfe gegen König Waldemar von Dänmark zeigten, und einen ruhmvollen Frieden mit den Waffen in der Hand erzwangen: die Geschichte dieses Zeitraumes ist der Gegenstand des Folgenden, in welchem die Wahrheit der allgemeinen Darstellung des Entstehens und der Bildung des Vereins im Einzelnen zu erhärten seyn wird.