Abschnitt. 9

Bey diesen Verhältnissen der Städte zu den Fürsten und dem Adel ist eine Nachricht um so auffallender, welche einem ums Jahr 1267 oder 1269 zwischen den Fürsten von Braunschweig, Markgrafen von Brandenburg und von Meissen, so wie den Grafen von Holstein zu Quedlinburg gehaltenen Fürstentage den Zweck beylegt, die Hansestädte zu demüthigen. Die älteren Nachrichten nennen freylich nur die Städte allgemein oder erwähnen dieselben gar nicht und sprechen nur von einem während des damahligen zerrissenen Zustandes Deutschlands von den sächsischen Fürsten beschlossenen Vereine zur Erhaltung des Friedens. Die letzte Angabe scheint auch deshalb die richtige zu seyn, weil wir überhaupt von den Folgen eines solchen Vertrages gegen die Hansestädte nichts, wohl aber von einigen dieser Fürsten wissen, dass sie damahls mit Lübeck so wie Hamburg in dem besten Vernehmen standen. Sollte jedoch damahls von der Unterdrückung einzelner Städte die Rede gewesen seyn, so ist eher an einzelne sächsische Städte zu denken, aus deren früheren Chroniken diese Nachricht entlehnt scheint, welche auch in andern Fällen den Namen der Hansestädte einzelnen Vereinigungen dortiger Städte beygelegt haben, welche zu der Hansa in keiner oder nur entfernten Beziehungen standen. So soll der Graf Albrecht von Regenstein nach seiner Fehde mit der Stadt Quedlinburg nach einem von den Hansestädten geführten Processe von denselben zum Tode verurtheilt und dieses Urtheil vom Kaiser bestätigt seyn. Alle authentischen Nachrichten aber, welche wir über die Hanse aus dieser Zeit besitzen, lassen uns vermuthen, dass auch hier nur von einer Verbindung mehrerer Quedlinburg benachbarter Städte die Rede ist, etwa Halberstadt und Aschersleben, welche noch 1328 ein Bündniss unter sich erneuerten.

Die wichtigste und älteste Nachricht über den städtischen Hansebund würde, wenn gehörig beglaubigt, vielleicht diejenige seyn, welche Willebrandt giebt, dass bereits im J. 1260 ein Hansetag zu Lübeck gehalten sey. Da die Untersuchung über so manche früher ganz und gar verworfene Nachrichten dieses Schriftstellers, wenn auch nicht zu ihrer Rechtfertigung, doch zu Entdeckung der Berichtigungen geführt hat, durch welche geläutert sie werthvoll erscheinen, so möchte auch diese nicht ohne alle Berücksichtigung zu verwerfen seyn. Jene Notiz wird dadurch erheblicher, dass der gelehrte Syndicus Dreyer in seinem handschriftlichen Index chronologicus subsidiorum diplomaticorum einen Recessus Hansae, puncto novae stapulae Londinensis et Brugensis de 1260 Octobr. anführt, der jedoch sich allen neueren Nachforschungen entzogen hat. Dass Gegenstände dieser Art von den Hansestädten um diese Zeit, oder wenn wir einen der so gewöhnlichen Schreibfehler in Trennung oder Zusammenziehung der Zahlen des Jahres und des Tages annehmen wollen, einige Jahre später, verhandelt seyn mögen, wird niemand bezweifeln. 1280 und 1282 fanden ähnliche Verhandlungen wegen beider gedachten Stapelplätze statt. Wenn wir jedoch den ferneren Inhalt des zu Lübeck abgefassten Recesses, wie Willebrandt ihn angiebt, betrachten, dass er nämlich die in Norwegen und Moskau zu suchenden Handelsfreyheiten, so wie die Beschützung der Landstrassen und Ausrottung der Raubnester zwischen Lübeck, Hamburg und Braunschweig betroffen habe, so wie auch damahls (in demselben Recesse?) beliebt sey, dass eine Stadt der andern Certification vollkommenen Glauben beymessen solle, so kann die Kritik nur mistrauisch werden. Dass schon 1282 die Städte vereinigt in Norwegen unterhandelten, ergiebt sich freylich aus urkundlichen Nachrichten, so wie die Zerstörung der Raubschlösser in diese oder eine frühere Zeit gehören kann; die Erwähnung Moskaus aber, wenn wir unter derselben nicht eine moderne Bezeichnung für das längst verschollene Nowgorod annehmen wollen, würde uns zwingen, diesen Recesss um zwey oder drey Jahrhunderte jünger zu halten, als angegeben ist. Die Bestimmungen über die Certificate kommen in den späteren Recessen so häufig vor, dass sie zur Berichtigung des Datums des vorliegenden von gar keinem Werthe sind*). Alle meine Nachforschungen nach diesem Recesse oder einem anderen welcher von Dreyer und Willebrandt hier gemeint seyn konnte, sind vergeblich gewesen, und bleibt dieser Gegenstand der Aufmerksamkeit künftiger Forscher der hansischen Geschichte vorbehalten.




*) Der Recess zu Lübeck v. J. 1640 Trinit. enthält Verhandlungen über die Verlegung des Stapels in Brügge, so wie London, auch den Beschluss eine Gesandtschaft nach Moskau zu schicken: ferner Verhandlungen, wegen der Isländer und Norderfahrer. S. Willebrandt a. O. II. 249. Doch passt hieher nicht der Monat October, und es fehlt ein Beschluss wegen der Zerstörung der obengedachten Raubschlösser.