Abschnitt. 2

Was diesen Niedergang und Fall der Familie herbeiführte, lag ganz außerhalb ihrer Verschuldung, wenn von einer solchen (ich komme weiterhin auf diese Frage zurück) überhaupt die Rede sein kann. Es lag einfach so: das Eintreten bestimmter politischer Ereignisse hatte das Heraufkommen der Familie, ja deren Glanz ermöglicht, und das Eintreten anderer politischer Ereignisse ließ diesen Glanz wieder hinschwinden. Das bedeutsamste dieser Ereignisse war der Tod des mehrgenannten Markgrafen Jobst von Mähren. Er starb den 16. Januar 1411 auf seinem Schlosse zu Brünn, einige sagen durch Gift, und König Sigismund, der 1388, um Geldes willen, die Mark Brandenburg seinem Vetter Jobst überlassen hatte, sah sich nun abermals im Erbbesitze des in genanntem Jahre von ihm abgetretenen Landes.

Hieraus erwuchs der Wechsel der Dinge.


Schon die bloße Tatsache, daß Jobst nicht mehr war, war gleichbedeutend mit Halbierung des Ansehns der Quitzowfamilie, die, ganz abgesehen von dem äußerlichen Machtzuwachs, der ihr aus dem das Jobstsche Regiment kennzeichnenden Verkauf von Schlössern und Städten erwachsen war, besonders auch in der ausgesprochenen Wohlgewogenheit des Markgrafen eine starke moralische Stütze gehabt hatte. Denn ein so schlechter Regent Jobst gewesen, er war und blieb doch immer Landesherr, dessen Autorität dem, der seiner Gunst sich rühmen durfte, zweifellos ein bestimmtes Maß von Schutz und Deckung gab, ein Maß von Schutz und Deckung, das nun plötzlich fehlte.

Jobst war nicht mehr. Diese Tatsache war ausreichend, die Quitzows in ihrer Machtfülle zu schädigen. Was aber diese Schädigung aller Wahrscheinlichkeit nach verdoppeln mußte, war das, daß König Sigismund (inzwischen auch zum Kaiser erwählt), unmittelbar nach Wiederinbesitznahme der schon in seinen jungen Jahren, von 1385 bis 88, von ihm regierten Mark, sich dahin aussprach: „nunmehro für ebendiese Mark auch etwas tun und die gerechten Beschwerden derselben, die sich zu gutem Teile gegen die Quitzows und ihren Anhang richteten, abstellen zu wollen“.

So König Sigismund, der, als er sich in diesem Sinne geäußert, auch nicht länger säumte, den Herrn Wend von Ilenburg – einen Ahnherrn der jetzigen Grafen zu Eulenburg – nach Berlin zu schicken, und zwar mit der ausdrücklichen Weisung: ebendaselbst, unter Rat und Beihülfe des Propstes Johann von Waldow, den Adel und die Städte behufs Entgegennahme seines (Sigismunds) Willen um sich zu versammeln. Adel und Städte versammelten sich denn auch wirklich am Sonntage Lätare zu Berlin und wurden, wie Wusterwitz berichtet, „einzeln und insonderheit gefragt ob sie Herrn Sigismund als einen rechten Erbherrn der Mark erkennen und annehmen wollten. Worauf sie sämtlich und einmütiglich erklärten, daß sie keinen andern Erbherrn wüßten als den hochgedachten König in Ungarn, welcher Erklärung sie nicht unterließen den Ausdruck freudiger Überzeugung hinzuzufügen, daß nunmehr durch sein löbliches Regiment die so lang in Erregung, Krieg und Unruhe verstrickte Mark wieder zu Ruhe, Frieden und gutem Zustand kommen würde.“

Bei dieser Erklärung verfuhren Städte wie Stände, selbst die Quitzows und ihre Partei mit eingerechnet, aller Wahrscheinlichkeit nach vollkommen aufrichtig, letztere davon ausgehend, daß der König, der es so wohl mit seinem märkischen Erblande zu meinen scheinen nun entweder in Person kommen oder aber einen Landesverweser aus dem Lande selbst, will sagen aus der Quitzowpartei wählen und ernennen werde. Jedenfalls war man nach dem Erscheinen Wends von Ilenburg voll Hoffnung und guter Dinge, weshalb am Schlusse der Berliner Versammlung bestimmt wurde, bald tunlichst eine Gesandtschaft nach Ofen, wo sich König Sigismund aufhielt, schicken zu wollen, um dem Könige, „nachdem er ihre Privilegien, Gerechtigkeiten und alte löbliche Gewohnheiten mit seinen Siegeln und Briefen bestätigt haben würde“, die Huldigung zu tun.

Zu diesem Huldigungsakte kam es denn auch, bei welcher Gelegenheit König Sigismund bemerkte: „daß er zuvor des Reiches Sachen erledigen, dann aber in Person kommen und sehen wolle, wie’s stände. Bis dahin gedenke er zu gleichem Zweck einen seiner Herren zu schicken, der mit Rat und Vorsicht bemüht sein solle, die Mark zu gutem Wesen zu bringen.“

Das etwa waren die Worte, mit denen die märkische Gesandtschaft aus Ungarn nach Mark Brandenburg zurückkehrte, Worte, die, so wohlgemeint sie sein mochten, gegen den Schluß hin doch alle die Hoffnungen umstießen, die man bis dahin gehegt hatte. Denn ebendiese Schlußworte ließen keinen Zweifel darüber, daß man an oberster Stelle gewillt war, die Landesverweserschaft abermals in fremde Fürstenhände zu legen. Dem sich zu unterwerfen, war man aber auf seiten der Quitzows wenig geneigt und hielt mit einer offenen Erklärung in diesem Sinne wohl nur deshalb zurück, weil man der Ansicht und Erwartung leben mochte, mit dem „neuen fremden Herrn“, wenn er überhaupt erscheinen sollte, gerade so gut und so leicht fertig werden zu können wie mit den mecklenburgischen, pommerschen und schwarzburgischen Fürsten, die’s bis dahin mit der Verweserschaft der Mark versucht hatten.

Und in der Tat, die nächsten Monate schienen dieser Anschauung und der ihr entsprechenden Politik stiller Auflehnung recht geben zu sollen, denn es geschah nichts, was den ernsten Entschluß des Königs, nun auch wirklich einen Wandel zum Bessern hin zu schaffen, ausgedrückt hätte.