Erste Fortsetzung

Nachdem der junge Offizier unverletzt aus dem Feldzuge wieder in der Heimat gelandet war, wurde das seltsame Doppelleben von Militär und Maler wieder aufgenommen. Man wusste in Uhdes Regiment von seinen Neigungen und ließ ihn nicht nur gewähren, sondern war sogar stolz darauf, ein solches Talent im Offizierskorps zu haben. Die im Kriege empfangenen Eindrücke verdichteten sich bei dem Malerleutnant allmählich zu einem Bilde der „Schlacht bei Sedan“ (S. 2), das er nach seiner Versetzung als Brigadeadjutant nach Leipzig — zwei Jahre nach dem Feldzug war er übrigens zu den 2. Ulanen nach Rochlitz gekommen — den Mut fand, im Leipziger Kunstverein auszustellen. Neben den Lehren Schusters kam in diesem von der Wirklichkeit ebensoweit wie ein altes niederländisches Schlachtbild entfernten Werke ebenfalls Uhdes Vorliebe für „Stimmung“ zur Geltung. Unter drohendem Himmel reitet in einer geisterhaften Beleuchtung a la Gustave Dore Napoleon unter seinen fliehenden Soldaten dahin. Der berechtigte Misserfolg dieses Werkes veranlasste Uhde zunächst, sich wieder dem Genre des „Abschieds“ und der „Heimkehr“ zuzuwenden. Das im Besitz von Uhdes Schwester befindliche Bild „An der Parkmauer“ (1874) (S. 3) — nach einem Gedicht des Grafen Strachwitz — lässt erkennen, wieviel der Maler in den fünf Jahren zugelernt. Besonders die Landschaft zeigt bedeutende Fortschritte. Auch der „Österreichische Reiter“ (1874) (S. 4), der, das Pistol in der Rechten, auf einem Rekognoszierungsritt am Ausgang eines Wäldchens vorsichtig sein Ross anhält, ist nicht übel. Es scheint, dass sich in diesen Rokokobildern Reminiszenzen an Menzel entluden, für dessen „Geschichte Friedrichs des Großen“ der Knabe einst geschwärmt und von dessen Generälen er vergrößerte Wiedergaben mit vieler Andacht hergestellt hatte.

In dieser Zeit begann der Ruhm Hans Makarts von Wien aus starke Strahlen nach Deutschland zu werfen. Die Bilder des glänzenden Koloristen wurden in Wanderausstellungen überall gezeigt und entfesselten unter dem Einfluss der grade in Blüte stehenden Renaissancemode wahre Stürme der Begeisterung. Alle Welt stimmte dem Grafen Raczynski bei, der in dem Katalog zu seiner Sammlung von einem Makartschen Werke geschrieben hatte: „Ich verstehe das Bild nicht, bin aber nichtsdestoweniger davon entzückt.“ Auch Uhde fühlte sich von der über alle Schwierigkeiten mit der elementaren Macht der Farbe genial fortstürmenden Art des Wiener Malers aufs äußerste gefesselt. Wie alle jungen Künstler, welche die Schwierigkeiten der Sache nicht kennen, glaubte er, dass Bilder, wie sie Makart schuf, gar nicht so schwer zu machen seien. In dieser Einbildung fing er sogleich an, ebenso kühne wie unwahrscheinliche Kompositionen in Riesenformaten auszuführen. Es ist unmöglich, in diesen üppigen Farben- und Formenschwelgereien den späteren Realisten zu ahnen. Von einem Nach-der-Natur-Malen konnte bei diesen phantastischen Schöpfungen keine Rede sein. Nicht einmal Modelle zu seinen als „Sirenen“, „Bacchantinnen“ und „Hexen“ frisierten Huldinnen hatte sich der malende Offizier leisten können. Dafür trieb er einen umso größeren Aufwand mit farbenschillernden Gewändern, mit Schmuck, Blumen und Früchten. Und selbst die niegesehene Pracht der südlichen Natur schilderte er in seinen „Mönchen im Garten“ (S. 7) aufs ausgiebigste. Diese Bilder wurden sämtlich auf Schloss Altfranken bei Dresden gemalt, dessen Besitzer, der Graf Luckner, ein Freund und Kamerad des Künstlers, diesem den großen Schlosssaal als Atelier eingeräumt hatte. Dort sind sie einfach stehen geblieben. Später erwarb Graf Luckner das „Reitergefecht“ (S. 14) dazu. Wenn es Uhde auch nicht gelang, das Ursprüngliche und Persönliche der Makartschen Koloristik mehr als im Äußerlichsten zu erreichen in einem übertraf er den berühmten Kollegen bei weitem: in der Gleichgültigkeit gegen die Form. Dass dem Uhde, wie ihn die Welt kennt, diese Verirrung in eine ihm innerlich absolut fremde Kunstweise höchst fatal ist, erscheint begreiflich. Damals gaben ihm diese seiner Meinung nach gelungenen Bilder die Überzeugung, dass er zum Maler geboren sei, und mehr und mehr befestigte sich der Entschluss in ihm, den Dienst zu quittieren und der Kunst seine ganze Kraft zu weihen. Eines schönen Tages im Jahre 1876 fuhr er kurz entschlossen mit einigen seiner Arbeiten nach Wien, um sich Hans Makart vorzustellen und bei ihm zu erkundigen, ob Aussicht bestände, dessen Schüler zu werden. Der damals vielbeschäftigte und bereits mit Gehilfen arbeitende Meister lehnte höflich, aber entschieden ab, gab jedoch Uhde den Rat, die Schule zu suchen, die er selbst absolviert, nämlich zu Piloty zu gehen. Ein wenig enttäuscht kehrte der Offizier nach Borna zurück, wohin er zum 2. Schweren Reiterregiment, dem sogenannten Karabinierregiment, seit einiger Zeit als Oberleutnant versetzt worden war. Indessen das Gefühl des Unbefriedigtseins im militärischen Beruf ließ sich nicht mehr ersticken. Als er mit dem Kriegsminister Grafen von Fabrice, in dessen Haus er viel verkehrte, von der Absicht sprach, den Abschied zu nehmen, gab ihm dieser den freundschaftlichen Rat, nicht gleich alle Brücken hinter sich abzubrechen, sondern zunächst einmal den Künstlerberuf aus der Nähe zu betrachten. Fabrice machte ihm sogar den Vorschlag, den Posten eines Attachés bei der sächsischen Gesandtschaft in München zu übernehmen, der ihm Zeit ließe, sich künstlerisch zu betätigen. Uhde schlug dieses Anerbieten aus guten Gründen aus, verstand sich jedoch dazu, sich wenigstens ein Jahr à la suite stellen zu lassen. Im Sommer 1877 siedelte er nach München über. Ein Jahr später nahm er aus eigenstem Entschluss den Abschied und trat als Rittmeister zur Reserve über.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Fritz von UHDE 1848-1911 Sein Leben und seine Kunst
Uhde 002 Die Schlacht bei Sedan 1873

Uhde 002 Die Schlacht bei Sedan 1873

Uhde 003 An der Parkmauer 1874

Uhde 003 An der Parkmauer 1874

Uhde 004 Österreichischer Reiter 1874

Uhde 004 Österreichischer Reiter 1874

Uhde 007 Im Klostergarten 1875

Uhde 007 Im Klostergarten 1875

Uhde 014 Reitergefecht 1877

Uhde 014 Reitergefecht 1877

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