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Seinen Höhepunkt aber scheint das Fest im Alterthume mit dem Entzünden des nächtlichen Freudenfeuers erreicht zu haben, welches man am Osterabende, seltner schon um Fastnacht, zu entzünden pflegte. Bei uns ist diese heilige Flamme zwar längst erloschen, aber in vielen Gegenden des nördlichen Deutschlands, z. B. im Harze, Thüringen, Westfalen u. s. w., sieht man sie noch jetzt aus allen Höhen lodern. Die Ableitung dieser Sitte aus dem germanischen Heidenthum ist freilich von Vielen bezweifelt, indem man darin vielmehr eine durch das Christenthum in Deutschland eingeführte Nachahmung der allerdings sehr ähnlichen altrömischen Gebräuche in den zu Ehren der Pales, einer mütterlichen Frühlingsgöttin, am 19. April gefeierten Palilien zu erkennen glaubt (Gr., S. 348). Allein ähnliche Frühlingsfeste, zu welchen z. B. auch das dem christlichen Osterfeste selbst zum Grunde liegende jüdische Pascha gehört, finden wir fast bei allen indogermanischen Völkern in Europa und Asien, ohne daß das eine sie von dem andern entlehnt hätte. Ueberdies sind die Osterfeuer vorzugsweise nur im Norden Deutschlands gebräuchlich, während sie in dem, dem römischen Einflusse zugänglicheren, Süden und Westen in der Regel durch Johannisfeuer ersetzt werden. Die katholische Kirche wußte sich übrigens den heidnischen Gebrauch allerdings schon früh für ihre Zwecke anzueignen, indem die Geistlichkeit, wahrscheinlich nur die Stelle der verdrängten heidnischen Opferpriester vertretend, der am Osterabende entzündeten Flamme, durch welche dann das vorher auf allen Herden sorgsam gelöschte Feuer erneuet ward, förmlich die religiöse Weihe ertheilte, und dadurch die segensreiche Kraft, welche das Volk dieser Flamme zuschrieb, als Wirkung des geistlichen Segens darstellte. Unser Nicolaus Gryse berichtet ausführlich über diese, mit der gleichfalls zu Ostern stattfindenden Kerzenweihe nicht zu verwechselnde, Feuerweihe, ohne jedoch des vom Volke entzündeten Festfeuers zu gedenken, welches also damals in Meklenburg nicht mehr in Gebrauch gewesen zu sein scheint. Die Bitte des segnenden Priesters aber lautete nach ihm: „Godt wolle alle dat by dem sülven hilligen Füre, nevenst dem Für, so van dissem wyder angesticket und gebödt wert, gesaden unde gebraden werd, hilligen, und den kolden Lyff der Menschen, so sick darby wermeden, segnen, ja ock de fürigen Pile des Düvels uthlöschen“. Schon hieraus läßt sich schließen, daß das Osterfeuer ursprünglich zugleich ein reines und reinigendes Nothfeuer war, wie dies in Bezug auf das Johannisfeuer ausdrücklich bezeugt wird. Höchst merkwürdig aber ist der alterhümlich-mystische Name „Bocksdorn“ für das Osterfeuer, den Grimm (S. 349) nicht zu erklären weiß. Wahrscheinlich ist in der von ihm angeführten Belagstelle „Borckshorn“ zu lesen; wenn man sich aber erinnert, daß die Götter häufig durch die ihnen geheiligten Thiere vertreten wurden, so scheint der Vergleich der heiligen Flamme des Thor mit dem Horne des Bockes nicht grade sehr ferne zu liegen. Ist das richtig, so würde zugleich das räthselhafte Sprichwort: „Jemanden ins Bockshorn jagen“, durch die Hinweisung auf die durch das lodernde Nothfeuer getriebene Heerde eine sehr passende Erklärung finden. Aber selbst die Bezeichnung der Flamme als Bocksdorn scheint mir in demselben Sinne nicht unstatthaft. Auf jeden Fall aber liegt hierin eine neue Bestätigung des Zusammenhanges dieser Feuer mit dem Thordienste.
Ich wende mich jetzt zu dem Mittsommerfeste, worüber ich kürzer sein kann. Unter den nordischen Opferfesten fehlt das-selbe, und eben so ist auch auf dem Festlande keine allgemeine Volksversammlung zur Zeit der Sommersonnenwende nachzuweisen. Dagegen ward das ungebotene Ding schon in älteren Zeiten an einzelnen Orten um Johannis gehalten, wogegen dann das gewöhnlichere Herbstding wegfiel 1). Hiernach scheint es allerdings, daß man ursprünglich in ganz Deutschland kein Johannisfest kannte und daß es erst später an einzelnen Orten anstatt des Herbstfestes eingeführt sei, und dies wird noch dadurch bestätigt, daß mit Rücksicht auf das nördliche Klima, wie wir gesehen haben, das Frühlingsopferfest überall bis zum Mai verschoben, das Herbstopfer dagegen an das Ende der Ernte zurückgelegt ward, wodurch der Raum zwischen beiden für ein drittes Fest allzu sehr beengt scheint. Allein dies scheint dennoch nur von dem mit einer allgemeinen Volksversammlung verbundenen öffentlichen Opferfeste zu gelten, denn daß man den wichtigsten Zeitabschnitt des Jahres, die Sommersonnenwende, unbeachtet und ohne alle religiöse Feier hätte vorüber gehen lassen, ist kaum denkbar. In der That finden sich denn auch in ganz Europa Spuren einer Sonnenwendsfeier, welche sich in ein hohes Alterthum zurückführen lassen und unbezweifelt heidnischen Ursprungs sind. Auch ist an eine Entlehnung von den heidnischen Römern und die spätere Verbreitung durch das Christenthum um so weniger zu denken, als wir in dem alten Rom kein ähnliches Fest von Bedeutung um diese Zeit kennen und auch in den neueren Zeiten grade in Italien die geringsten Spuren desselben finden, wogegen der Hauptherd desselben in Gallien und demnächst in Deutschland gelegen zu haben scheint.
Der Verlauf dieser Sonnenwendsfeier ist übrigens dem der Frühlingsfeier sehr ähnlich, und nur eine Wiederholung der Hauptmomente der letzteren, namentlich des heiligen Bades am Morgen und des Freudenfeuers am Abende des Festtages. Wie die Frühlingsfeste war auch der Johannistag ein Ruhetag, namentlich mußte die Gartenarbeit ruhen; wer an diesem Tage Kraut holt, bekommt den Krebs und eben so, wer in der heiligen Nacht die Wäsche hängen läßt. Dagegen sammelte man die uns schon bekannten Heilkräuter, namentlich Beifuß, Rittersporn, Lattich, Knabenkraut u. a. m., vorzugsweise am Johannistage, wodurch ihre Kraft erhöhet ward; ja der Rauch solcher Johanniskräuter, während eines Gewitters entzündet, schützte das Haus selbst gegen Blitz und Donner und beschwichtigte den Sturm. Wie im Frühlinge unter dem Fuße dessen, der die erste Schwalbe erblickte, so fand man auch am Johannistage an der Wurzel verschiedener Pflanzen eine heilkräftige Kohle, an andern aber einen Blutstropfen. Zu den Volksbelustigungen gehörte namentlich das gleichfalls schon aus dem Frühlingsfeste bekannte Hahnenschlagen. Eigenthümlich sind dagegen die in vielen Gegenden am Johannistage gefeierten Rosenfeste (K. u. Schw., S. 391), worauf sich vielleicht auch die Rosengärten, d. h. öffentliche Belustigungsplätze vor unsern Städten, namentlich Rostock und Schwerin, beziehen mögen 2). Ueber das Johannisbad und seine wunderthätige Wirkung handelt Grimm S. 330 ff. Aus unserer Heimath weiß ich nichts Aehnliches beizubringen. Die Hauptfeierlichkeit war aber auch hier das Freudenfeuer, welches noch jetzt in einem großen Theile Europa’s, bei den Völkern gallischer und germanischer Herkunft, am Johannisabend zum Himmel emporlodert, so namentlich in dem ganzen südlichen Deutschland und den deutschen Provinzen Oesterreichs, ferner am Unterrhein, dem katholischen Westfalen, am Südharze, in Thüringen, einem Theile von Brandenburg, Meißen, Schlesien und den russischen Ostseeprovinzen. Auch jenseits des Meeres, in Stockholm, war es noch vor wenigen Jahren ein wahres Volksfest und ist es in den schwedischen Gebirgen noch jetzt. In Frankreich erhält dasselbe sogar noch gegenwärtig die kirchliche Weihe, indem die Geistlichkeit in feierlicher Procession zu der Höhe zieht auf welcher der Scheiterhaufen steht, um denselben zu entzünden 3). Eben so war es früher in Deutschland, wo das Feuer in den alten Reichsstädten Nürnberg, Augsburg und andern selbst auf öffentlichem Markte unter Theilnahme der Fürsten und des Adels, welche Tänze um dasselbe aufführten, entbrannt ward. Die Entzündung geschah aber durch Reibung, wie bei dem außerordentlichen Nothfeuer. Wie dieses war auch das Johannisfeuer heilkräftig; nicht bloß die Viehheerden jagte man durch die Flamme, sondern auch Menschen sprangen hinüber, um sich gegen das Fieber und andere Gebrechen zu schützen. Erbsen am Johannisfeuer gekocht, heilen alle Wunden (Gr., S. 350).
1) Unter den 22 Ortschaften, aus welchen Grimm die Zeit der ungebotenen Dinge mittheilt, hatten 6 ein Johannisding und darunter nur 2 daneben noch ein Herbstding zu Michaelis und Martini; an einem Orte ward dasselbe im Juli gehegt, an 2 Orten im August, an 40 im September, darunter 7 am Michaelistage selbst, an dreien unbestimmt im Herbst, an einem im October und an zweien am Martinitage.
2) Sollte in dem bekannten, jetzt allerdings sinnlosen Gesange der im Kreise tanzenden Kinder: „Kringelkranz, Rosendanz, Ketel hängt up’n Für u. s. w.“, ursprünglich ein Opfergesang am Johannisfeste stecken? Vgl. Müllenhof, S. 484, wo indeß der erste Vers lautet: „Ringeldanz, Rosenkranz .“
3) Grimm, S. 353. Eine sehr anziehende Schilderung des Johannisfeuers in den Pyrenäen-Departements findet man in den Blättern f. literar. Unterhalt., Mai 1843, Nr. 135 und 136.
Ich wende mich jetzt zu dem Mittsommerfeste, worüber ich kürzer sein kann. Unter den nordischen Opferfesten fehlt das-selbe, und eben so ist auch auf dem Festlande keine allgemeine Volksversammlung zur Zeit der Sommersonnenwende nachzuweisen. Dagegen ward das ungebotene Ding schon in älteren Zeiten an einzelnen Orten um Johannis gehalten, wogegen dann das gewöhnlichere Herbstding wegfiel 1). Hiernach scheint es allerdings, daß man ursprünglich in ganz Deutschland kein Johannisfest kannte und daß es erst später an einzelnen Orten anstatt des Herbstfestes eingeführt sei, und dies wird noch dadurch bestätigt, daß mit Rücksicht auf das nördliche Klima, wie wir gesehen haben, das Frühlingsopferfest überall bis zum Mai verschoben, das Herbstopfer dagegen an das Ende der Ernte zurückgelegt ward, wodurch der Raum zwischen beiden für ein drittes Fest allzu sehr beengt scheint. Allein dies scheint dennoch nur von dem mit einer allgemeinen Volksversammlung verbundenen öffentlichen Opferfeste zu gelten, denn daß man den wichtigsten Zeitabschnitt des Jahres, die Sommersonnenwende, unbeachtet und ohne alle religiöse Feier hätte vorüber gehen lassen, ist kaum denkbar. In der That finden sich denn auch in ganz Europa Spuren einer Sonnenwendsfeier, welche sich in ein hohes Alterthum zurückführen lassen und unbezweifelt heidnischen Ursprungs sind. Auch ist an eine Entlehnung von den heidnischen Römern und die spätere Verbreitung durch das Christenthum um so weniger zu denken, als wir in dem alten Rom kein ähnliches Fest von Bedeutung um diese Zeit kennen und auch in den neueren Zeiten grade in Italien die geringsten Spuren desselben finden, wogegen der Hauptherd desselben in Gallien und demnächst in Deutschland gelegen zu haben scheint.
Der Verlauf dieser Sonnenwendsfeier ist übrigens dem der Frühlingsfeier sehr ähnlich, und nur eine Wiederholung der Hauptmomente der letzteren, namentlich des heiligen Bades am Morgen und des Freudenfeuers am Abende des Festtages. Wie die Frühlingsfeste war auch der Johannistag ein Ruhetag, namentlich mußte die Gartenarbeit ruhen; wer an diesem Tage Kraut holt, bekommt den Krebs und eben so, wer in der heiligen Nacht die Wäsche hängen läßt. Dagegen sammelte man die uns schon bekannten Heilkräuter, namentlich Beifuß, Rittersporn, Lattich, Knabenkraut u. a. m., vorzugsweise am Johannistage, wodurch ihre Kraft erhöhet ward; ja der Rauch solcher Johanniskräuter, während eines Gewitters entzündet, schützte das Haus selbst gegen Blitz und Donner und beschwichtigte den Sturm. Wie im Frühlinge unter dem Fuße dessen, der die erste Schwalbe erblickte, so fand man auch am Johannistage an der Wurzel verschiedener Pflanzen eine heilkräftige Kohle, an andern aber einen Blutstropfen. Zu den Volksbelustigungen gehörte namentlich das gleichfalls schon aus dem Frühlingsfeste bekannte Hahnenschlagen. Eigenthümlich sind dagegen die in vielen Gegenden am Johannistage gefeierten Rosenfeste (K. u. Schw., S. 391), worauf sich vielleicht auch die Rosengärten, d. h. öffentliche Belustigungsplätze vor unsern Städten, namentlich Rostock und Schwerin, beziehen mögen 2). Ueber das Johannisbad und seine wunderthätige Wirkung handelt Grimm S. 330 ff. Aus unserer Heimath weiß ich nichts Aehnliches beizubringen. Die Hauptfeierlichkeit war aber auch hier das Freudenfeuer, welches noch jetzt in einem großen Theile Europa’s, bei den Völkern gallischer und germanischer Herkunft, am Johannisabend zum Himmel emporlodert, so namentlich in dem ganzen südlichen Deutschland und den deutschen Provinzen Oesterreichs, ferner am Unterrhein, dem katholischen Westfalen, am Südharze, in Thüringen, einem Theile von Brandenburg, Meißen, Schlesien und den russischen Ostseeprovinzen. Auch jenseits des Meeres, in Stockholm, war es noch vor wenigen Jahren ein wahres Volksfest und ist es in den schwedischen Gebirgen noch jetzt. In Frankreich erhält dasselbe sogar noch gegenwärtig die kirchliche Weihe, indem die Geistlichkeit in feierlicher Procession zu der Höhe zieht auf welcher der Scheiterhaufen steht, um denselben zu entzünden 3). Eben so war es früher in Deutschland, wo das Feuer in den alten Reichsstädten Nürnberg, Augsburg und andern selbst auf öffentlichem Markte unter Theilnahme der Fürsten und des Adels, welche Tänze um dasselbe aufführten, entbrannt ward. Die Entzündung geschah aber durch Reibung, wie bei dem außerordentlichen Nothfeuer. Wie dieses war auch das Johannisfeuer heilkräftig; nicht bloß die Viehheerden jagte man durch die Flamme, sondern auch Menschen sprangen hinüber, um sich gegen das Fieber und andere Gebrechen zu schützen. Erbsen am Johannisfeuer gekocht, heilen alle Wunden (Gr., S. 350).
1) Unter den 22 Ortschaften, aus welchen Grimm die Zeit der ungebotenen Dinge mittheilt, hatten 6 ein Johannisding und darunter nur 2 daneben noch ein Herbstding zu Michaelis und Martini; an einem Orte ward dasselbe im Juli gehegt, an 2 Orten im August, an 40 im September, darunter 7 am Michaelistage selbst, an dreien unbestimmt im Herbst, an einem im October und an zweien am Martinitage.
2) Sollte in dem bekannten, jetzt allerdings sinnlosen Gesange der im Kreise tanzenden Kinder: „Kringelkranz, Rosendanz, Ketel hängt up’n Für u. s. w.“, ursprünglich ein Opfergesang am Johannisfeste stecken? Vgl. Müllenhof, S. 484, wo indeß der erste Vers lautet: „Ringeldanz, Rosenkranz .“
3) Grimm, S. 353. Eine sehr anziehende Schilderung des Johannisfeuers in den Pyrenäen-Departements findet man in den Blättern f. literar. Unterhalt., Mai 1843, Nr. 135 und 136.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Erinnerungen an die nordische Mythologie in den Volkssagen und Aberglauben Mecklenburgs.