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Anderer Seits ist indeß nicht glaublich, daß die germanischen Völker die für die Entwickelung des Naturlebens wichtige Tag- und Nachtgleichen, deren Feier ihnen gewiß aus hohem Alterthume vor ihrer Einwanderung in die nordische Heimath überliefert sein wird, ganz unbeachtet gelassen haben sollten, zumal die ersten Frühlingsboten, wie der Storch und das duftende Märzveilchen allerdings auch bei uns schon im März eintreffen. Sehr wahrscheinlich fand daher schon in diesem Monate eine Art Vorfeier statt, eine feierliche Frühlingsverkündigung, während das eigentliche öffentliche Volksfest bis zum Mai ausgesetzt blieb. Nach Einführung des Christenthums wurden diese heidnischen Feste zwar hauptsächlich durch die christlichen Oster- und Pfingstfeste ersetzt, an welchen deshalb auch in der That die meisten heidnischen Gebräuche haften geblieben sind, allein viele derselben finden wir doch auch in der Fastnachts- und Himmelfahrtsfeier erhalten, und auch der alte Maitag selbst ist noch immer unvergessen. Es ist daher nicht mehr möglich, die ursprüngliche Ordnung dieser verschiedenen Gebräuche zu ermitteln, weshalb ich in dem Folgenden, ohne Rücksicht auf die jetzige Zeitfolge, lediglich das Gleichartige zusammenzustellen mich bemühen werde.
Von höchster Wichtigkeit für die Bedeutung des ganzen Festes ist es nun zuvorderst, daß gerade der Lenzmonat nach dem Donnergotte benannt ward; in Calendarien des Mittelalters findet sich nämlich für den März der Name Thormond, und noch jetzt heißt derselbe in Dänemark Tormaaned. Eben so wurden nach der Predigt des heiligen Eligius schon im 7. Jahrhunderte vorzugsweise im Monat Mai die Donnerstage heilig gehalten, und noch jetzt haften gerade an dem Grünen Donnerstage eine Menge abergläubischer Gebräuche. Allgemein war früher die Sitte, an diesem Tage einen Kohl von neunerlei Kräutern zu essen; wer es nicht that, bekam sicher das Fieber, während andere fürchteten, noch vor Martini ein Esel zu werden (Gr., Aberglaube Nr. 275 und 940). Ja Franck (A. und N. M. I, S. 59) versichert, daß in Meklenburg Mancher der Meinung sei, wenn er an diesem Tage, da Christus das Abendmahl eingesetzt, nicht solchen Kohl esse, welcher vornehmlich aus jungen Nesseln bestanden, daß es um sein Leben wohl so gefährlich stehen mögte als um die Seele dessen, der ein Verächter des heiligen Abendmahls. Andere essen statt des Kohls Bretzel, noch andere endlich fasten, um sich gegen das Fieber zu sichern (Gr., Abergl. Nr. 44 und 84). Ein am Grünen Donnerstage gelegtes Ei trägt man auf den Boden, um das Haus gegen den Blitz zu sichern. (Ueber dies Gründonnerstagsei und das daraus geschlüpfte Huhn vgl. auch Gr., S. 635.) Ueberhaupt spielten Eier und der Hahn, Thor’s Thier, eine wichtige Rolle im Frühlingsfeste: allbekannt sind die Ostereier, und auch die Sitte des Hahnenschlagens um Fastnacht oder Ostern gilt fast durch ganz Deutschland 1). In manchen Gegenden tanzt das jubelnde Volk am Ostertage um Thor’s heilige Eiche (Gr., S. 45). Endlich war es Thor, der die Heilighaltung des Festes überwachte: sein Blitz erschlägt den, welcher an einem der hohen Festtage im Frühlinge arbeitet oder geflickte Kleider trägt 2). Neben Thor wird aber auch seine Gattin nicht vergessen sein. Tacitus nennt zwar die Zeit nicht, wann das von ihm beschriebene Fest der Erdgöttin durch Umführung ihres heiligen, mit Kühen bespannten Wagens, welcher Freude und Frieden brachte, wohin er kam, gefeiert sei. Allgemein wird aber diese Feier, gleich dem ähnlichen Umzuge Freier’e und der Freia in Schweden, in den Frühling versetzt. Sicherer würden die Feste der von Beda genannten angelsächsischen Göttinnen Hrede und Eastra, von welchen jene dem März, diese dem April den Namen gegeben, hieher gehören, wenn die Existenz dieser Göttinnen selbst sicher stände und nicht etwa umgekehrt nur aus dem Namen der Monate und der in ihnen gefeierten Feste gefolgert sein sollte. Eastra, althochd. ôstar, d. h. Osten, scheint im Alterthum der Morgen und der Frühling bedeutet zu haben. Vgl. jedoch Gr., S. 180 ff. und S. 349.
Das also waren die Gottheiten des wiederkehrenden Sommers, denen das Volk sich mit Jubel zuwandte. Aber wie das Herbstfest, so hatte auch die Frühlingsfeier einen doppelten Charakter. Nach der Edda ward das Sommeropfer zugleich für den Sieg (til sigrs) dargebracht und hieß Siegesopfer (sigrblôt), was ich eben von dem Siege des wieder erwachenden Lebens über den Todesschlaf des Winters verstehe. Dieser Rückblick auf den scheidenden Winter tritt daher noch jetzt in zahlreichen Gebräuchen hervor und giebt dem Feste seinen eigenthümlichen Charakter. Hierauf beziehe ich namentlich das nochmalige Wiedererscheinen Wodan’s mitten in dem Jubelfeste des Frühlings. Nach mehren Angaben hält nämlich der Wode mit seinem nächtlichen Gefolge seinen letzten Umzug um Fastnacht, und um eben diese Zeit, oder in einigen Gegenden der benachbarten Mark gar erst um Pfingsten, wiederholt sich die bei den Weihnachtsgebräuchen geschilderte Mummerei des Schimmelreuters (K. und Schw., S. 369 u. 384. Märkische Sagen, S. 308). Schwerlich aber ist diese Erscheinung dem Festzug des Gottes um Mittwinter zu vergleichen, vielmehr glaube ich dieselbe nur auf dessen Abzug, wie seine erste Erscheinung im Herbste auf seinen Einzug, deuten zu müssen 3. Wie nämlich nach nordischen Sagen Thor beim Eintritt des Winters dem Othin die Herschaft abtrat und zum Kampfe mit den Riesen nach Osten zog, so wird auch Othin dem siegreich wiederkehrenden Sommergotte das Feld geräumt und sich mit der ganzen Schaar seiner bösen Wintergeister weiter nach Norden oder in die höheren schneebedeckten Bergregionen zurückgezogen haben. Darauf beziehen sich die in verschiedenen Gegenden üblichen Gebräuche zur Vertreibung der bösen Geister, z. B. im Altenburgischen am Abend vor der Mainacht durch Schlagen mit brennenden Besen, im Harze zu derselben Zeit durch Schießen, unter jubelndem Lärm, und in Hessen zu Fastnacht durch Knallen mit der Peitsche. Dies Peitschenknallen bald am Oster-, bald am Pfingstabend ist auch in der Mark (K. und Schw., S. 376, 377 und 381), sowie in Meklenburg Sitte, namentlich in Parchim, wo die Hirtenknaben und Pferdejungen der gesammten Kämmereidörfer am Pfingstabend in die Stadt kommen und mit mächtigen Peitschen knallend die Straßen durchziehen, wofür sie sich eine Gabe erbitten. Doch ist man sich des in Hessen angegebenen Grundes hier nicht mehr bewusst.
1) In Frankreich opferte man dem Wassergeiste einen Hahn, welcher aus einem an einem Donnerstage des Monats März gelegten Ei geschlüpft war (Gr., S. 566).
2) Haltau’s Jahreszeitbuch der Deutschen, S. 251 - 255. Vgl. Gr. Abergl. Nr. 517, 703 und 772. Der Gott hielt überhaupt was auf Ordnung: Wer sich das Zeug auf dem Leibe flicken läßt, verliert das Gedächtnis. Das Gedächtniß war aber Thor’s Gabe.
3) Im Herbste und Frühling ging daher der Zug durch die Luft, während der Gott in den Zwölften auf der Erde jagte. K. und Schw., S. 427, Nr. 244 und S. 428, Nr. 253. - Der erste Umzug der wilden Jagd, ihr Einzug, fand nach einigen am Bartholomäustage statt, demselben Tage, an welchem früher unser Erntebier gefeiert ward, und der zugleich ein Hexentag war. Gr., 2te Ausg. 883 - 884 und 1003. K. und Schw., S. 300, Nr. 112 - 114. Merkwürdig ist auch die Oldenburger Sage, wornach im Herbste auch die Störche nach dem Blocksberge ziehen, wie im Frühjahr die Hexen, K. und Schw., S. 400, Nr. 116.
Von höchster Wichtigkeit für die Bedeutung des ganzen Festes ist es nun zuvorderst, daß gerade der Lenzmonat nach dem Donnergotte benannt ward; in Calendarien des Mittelalters findet sich nämlich für den März der Name Thormond, und noch jetzt heißt derselbe in Dänemark Tormaaned. Eben so wurden nach der Predigt des heiligen Eligius schon im 7. Jahrhunderte vorzugsweise im Monat Mai die Donnerstage heilig gehalten, und noch jetzt haften gerade an dem Grünen Donnerstage eine Menge abergläubischer Gebräuche. Allgemein war früher die Sitte, an diesem Tage einen Kohl von neunerlei Kräutern zu essen; wer es nicht that, bekam sicher das Fieber, während andere fürchteten, noch vor Martini ein Esel zu werden (Gr., Aberglaube Nr. 275 und 940). Ja Franck (A. und N. M. I, S. 59) versichert, daß in Meklenburg Mancher der Meinung sei, wenn er an diesem Tage, da Christus das Abendmahl eingesetzt, nicht solchen Kohl esse, welcher vornehmlich aus jungen Nesseln bestanden, daß es um sein Leben wohl so gefährlich stehen mögte als um die Seele dessen, der ein Verächter des heiligen Abendmahls. Andere essen statt des Kohls Bretzel, noch andere endlich fasten, um sich gegen das Fieber zu sichern (Gr., Abergl. Nr. 44 und 84). Ein am Grünen Donnerstage gelegtes Ei trägt man auf den Boden, um das Haus gegen den Blitz zu sichern. (Ueber dies Gründonnerstagsei und das daraus geschlüpfte Huhn vgl. auch Gr., S. 635.) Ueberhaupt spielten Eier und der Hahn, Thor’s Thier, eine wichtige Rolle im Frühlingsfeste: allbekannt sind die Ostereier, und auch die Sitte des Hahnenschlagens um Fastnacht oder Ostern gilt fast durch ganz Deutschland 1). In manchen Gegenden tanzt das jubelnde Volk am Ostertage um Thor’s heilige Eiche (Gr., S. 45). Endlich war es Thor, der die Heilighaltung des Festes überwachte: sein Blitz erschlägt den, welcher an einem der hohen Festtage im Frühlinge arbeitet oder geflickte Kleider trägt 2). Neben Thor wird aber auch seine Gattin nicht vergessen sein. Tacitus nennt zwar die Zeit nicht, wann das von ihm beschriebene Fest der Erdgöttin durch Umführung ihres heiligen, mit Kühen bespannten Wagens, welcher Freude und Frieden brachte, wohin er kam, gefeiert sei. Allgemein wird aber diese Feier, gleich dem ähnlichen Umzuge Freier’e und der Freia in Schweden, in den Frühling versetzt. Sicherer würden die Feste der von Beda genannten angelsächsischen Göttinnen Hrede und Eastra, von welchen jene dem März, diese dem April den Namen gegeben, hieher gehören, wenn die Existenz dieser Göttinnen selbst sicher stände und nicht etwa umgekehrt nur aus dem Namen der Monate und der in ihnen gefeierten Feste gefolgert sein sollte. Eastra, althochd. ôstar, d. h. Osten, scheint im Alterthum der Morgen und der Frühling bedeutet zu haben. Vgl. jedoch Gr., S. 180 ff. und S. 349.
Das also waren die Gottheiten des wiederkehrenden Sommers, denen das Volk sich mit Jubel zuwandte. Aber wie das Herbstfest, so hatte auch die Frühlingsfeier einen doppelten Charakter. Nach der Edda ward das Sommeropfer zugleich für den Sieg (til sigrs) dargebracht und hieß Siegesopfer (sigrblôt), was ich eben von dem Siege des wieder erwachenden Lebens über den Todesschlaf des Winters verstehe. Dieser Rückblick auf den scheidenden Winter tritt daher noch jetzt in zahlreichen Gebräuchen hervor und giebt dem Feste seinen eigenthümlichen Charakter. Hierauf beziehe ich namentlich das nochmalige Wiedererscheinen Wodan’s mitten in dem Jubelfeste des Frühlings. Nach mehren Angaben hält nämlich der Wode mit seinem nächtlichen Gefolge seinen letzten Umzug um Fastnacht, und um eben diese Zeit, oder in einigen Gegenden der benachbarten Mark gar erst um Pfingsten, wiederholt sich die bei den Weihnachtsgebräuchen geschilderte Mummerei des Schimmelreuters (K. und Schw., S. 369 u. 384. Märkische Sagen, S. 308). Schwerlich aber ist diese Erscheinung dem Festzug des Gottes um Mittwinter zu vergleichen, vielmehr glaube ich dieselbe nur auf dessen Abzug, wie seine erste Erscheinung im Herbste auf seinen Einzug, deuten zu müssen 3. Wie nämlich nach nordischen Sagen Thor beim Eintritt des Winters dem Othin die Herschaft abtrat und zum Kampfe mit den Riesen nach Osten zog, so wird auch Othin dem siegreich wiederkehrenden Sommergotte das Feld geräumt und sich mit der ganzen Schaar seiner bösen Wintergeister weiter nach Norden oder in die höheren schneebedeckten Bergregionen zurückgezogen haben. Darauf beziehen sich die in verschiedenen Gegenden üblichen Gebräuche zur Vertreibung der bösen Geister, z. B. im Altenburgischen am Abend vor der Mainacht durch Schlagen mit brennenden Besen, im Harze zu derselben Zeit durch Schießen, unter jubelndem Lärm, und in Hessen zu Fastnacht durch Knallen mit der Peitsche. Dies Peitschenknallen bald am Oster-, bald am Pfingstabend ist auch in der Mark (K. und Schw., S. 376, 377 und 381), sowie in Meklenburg Sitte, namentlich in Parchim, wo die Hirtenknaben und Pferdejungen der gesammten Kämmereidörfer am Pfingstabend in die Stadt kommen und mit mächtigen Peitschen knallend die Straßen durchziehen, wofür sie sich eine Gabe erbitten. Doch ist man sich des in Hessen angegebenen Grundes hier nicht mehr bewusst.
1) In Frankreich opferte man dem Wassergeiste einen Hahn, welcher aus einem an einem Donnerstage des Monats März gelegten Ei geschlüpft war (Gr., S. 566).
2) Haltau’s Jahreszeitbuch der Deutschen, S. 251 - 255. Vgl. Gr. Abergl. Nr. 517, 703 und 772. Der Gott hielt überhaupt was auf Ordnung: Wer sich das Zeug auf dem Leibe flicken läßt, verliert das Gedächtnis. Das Gedächtniß war aber Thor’s Gabe.
3) Im Herbste und Frühling ging daher der Zug durch die Luft, während der Gott in den Zwölften auf der Erde jagte. K. und Schw., S. 427, Nr. 244 und S. 428, Nr. 253. - Der erste Umzug der wilden Jagd, ihr Einzug, fand nach einigen am Bartholomäustage statt, demselben Tage, an welchem früher unser Erntebier gefeiert ward, und der zugleich ein Hexentag war. Gr., 2te Ausg. 883 - 884 und 1003. K. und Schw., S. 300, Nr. 112 - 114. Merkwürdig ist auch die Oldenburger Sage, wornach im Herbste auch die Störche nach dem Blocksberge ziehen, wie im Frühjahr die Hexen, K. und Schw., S. 400, Nr. 116.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Erinnerungen an die nordische Mythologie in den Volkssagen und Aberglauben Mecklenburgs.