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Aus dieser Ansicht erklärt sich ferner die wunderbare Hexenfahrt in der Nacht des ersten Maitags, an welcher das Volk in Schweden und Dänemark, wie in ganz Deutschland mit unerschütterlichem Glauben festhält und sie fast in jedem Dorfe durch eigenthümliche Sagen und Märchen zu bekräftigen weiß. Auch bringt die Sage diese Hexenfahrt hin und wieder noch mit dem Schmelzen des Schnees in Beziehung, ohne doch den rechten Sinn zu treffen (K. und Schw., S. 376). In Schweden und Norwegen nennt man die Zusammenkunftsorte böse Felder (balvolde, campus malus), welche auf Bergen liegen, z. B. auf Trommenfjeld, einem Berge der Insel Tromsö, oben an der Finnmark, oder auf Blakulla, einem einsamen Meeresfelsen zwischen Seeland und Oeland. In Dänemark geht der Zug zum Hekla auf Island (Hekkelfjelds oder Haekenfeld), welcher Name des Hexenberges: Hekelvelde sich merkwürdiger Weise auch in Niedersachsen wiederfindet 1). Der berühmteste Hexenberg in ganz Norddeutschland ist aber bekanntlich der Blocksberg oder Brocken, die höchste Spitze des Harzes, während in Mittel- und Süddeutschland verschiedene Höhen des Thüringer Waldes, Riesengebirges, Schwarzwaldes u. s. w. seine Stelle vertreten. In dieser unheimlichen Nacht ist es rathsam, sehr auf der Huth zu sein, damit die vorbeiziehenden Hexen den Menschen und dem Viehe keinen Schaden zufügen, weshalb man auf dem Lande Haus- und Stallthüren häufig mit Kreuzen bezeichnet, oder durch sonstige Hexen scheuchende Mittel sichert. Uebrigens ziehen die Hexen, als irdische Zauberer, nur zur Theilnahme an dem großen Festschmause ihres Meisters, des Teufels, nach dem Blocksberge und kehren am Morgen mit dem ersten Hahnenkrat oder nach anderen am 12ten Tage zurück. Daß aber andere böse Geister ihren bleibenden Aufenthalt dort haben, scheint schon aus dem unchristlichen Fluche zu folgen: „Fahre zum Blocksberg“, oder dem Wunsche, einen lästigen Plagegeist los zu werden: „Ich wollte, er säße auf dem Blocksberge“, wie man ganz eben so in Dänemark sagt: fara til Hekkelfjelds, oder gaa du dig til Hekkenfjelds (Scheer dich zum Teufel)!
Unzweideutiger ist dieser Sieg des Sommers über den Winter in den von Grimm, S. 440, aus verschiedenen Gegenden Deutschlands gesammelten Gebräuchen am Maitage dargestellt, unter welchen das feierliche Maireiten in Schweden und Norddeutschland den ersten Rang einnimmt, und welches in älterer Zeit auch in Meklenburg wohl bekannt war. In den Städten Schwedens und Gothlands pflegten nämlich im Mittelalter nach alter Sitte zwei Reiterschaaren junger Bürger am ersten Mai zu einem Festspiele auszureiten, der Führer der einen Schaar in Pelz und Winterkleider gehüllt, mit dem Speer bewaffnet, der andere aber, Blumengraf genannt, unbewaffnet und mit Laub und Blumen geschmückt. Dennoch überwindet der Blumengraf seinen Gegner im Kampfe, an welchem auch das beiderseitige Gefolge Theil nimmt, indem er ihn zu Boden rennt, worauf das umstehende Volk ihm feierlich den Sieg zuerkennt. Dies Fest, dessen weiterer Verlauf nicht mitgetheilt wird, galt in mehren Städten für wichtig genug, um zu seiner Begehung förmliche Maigrafengilden zu gründen. Ein solches Maireiten und die Maigrafschaft war nun auch im nördlichen Deutschland mit geringeren oder größeren Abweichungen wohlbekannt, namentlich in Stralsund, Greifswald, Hildesheim, Köln u. s. w. 2). Eben so finden wir auch in Wismar unzweideutige Spuren desselben Festes, welches hier in der Pfingstwoche von der sogenannten Papegoyengesellschaft, einer schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts bestehenden, ziemlich reich dotirten Zunft der wohlhabendsten Bürger der Stadt, gefeiert ward und dadurch noch an Interesse gewinnt, daß damit zugleich ein Papegoyen- oder Vogelschießen verbunden war, welches wenigstens in späterer Zeit als Hauptzweck der Innung erscheint. Aus den ältern Zeiten fehlt uns leider jede genauere Nachricht über den Verlauf dieses Festes, allein eine Schilderung des Festzuges aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts 3) läßt im Vergleiche mit der angeführten schwedischen Sitte keinen Zweifel über dessen Bedeutung zu. Am Morgen des Pfingstmontags begab sich nämlich die Gesellschaft in folgender Ordnung zu dem Schießplatze vor dem Lübschen Thore hinaus: voran ein reitender und auf’s Beste geschmückter Knabe, von zwei Rathsdienern geführt; ihm folgte zu Fuß der vorigjährige König in der Mitte der beiden Bürgermeister, darauf der ganze Rath, und hinter diesem der sogenannte Maigraf, von zwei Schaffnern der Gesellschaft begleitet, endlich die gesammten Zunftgenossen, sämmtlich zu Fuß. Auf dem Platze angelangt, begann sofort das Vogelschießen, nach dessen Beendigung sich die Brüderschaft in demselben Zuge, dem sich diesmal auch die Frauen und Töchter anschlossen, anscheinend jedoch ohne den zugführenden Knaben, zum Tanze nach dem sogenannten Thiergarten vor dem Altwismarschen Thore hinaus begab, wo zuvörderst zwei Jungfrauen dem neuen König einen silbernen Becher überreichten, demnächst aber der alte und der neue König nebst drei Bürgern und vier Gesellen und eben so viel Frauen und Jungfrauen den ersten Tanz aufführten, den zweiten aber der Maigraf und seine Zugeordneten. Am folgenden Donnerstage oder Freitage gab endlich der neue König, nach einer sehr unvollständigen Aufzeichnung der Statuten der Gesellschaft aus dem Jahre 1379, ein Gastmahl (Krud), auf welchem auch der neue Maigraf für das folgende Jahr gewählt ward. Ueber den Zweck dieser Wahl giebt weder jene Aufzeichnung, noch irgend eine andere Nachricht die gewünschte Auskunft. Aus seinem Namen erkennt man jedoch mit Sicherheit den Repräsentanten des Sommers, während der allein in der ganzen Gesellschaft berittene Knabe an der Spitze des Zuges ursprünglich ohne Zweifel den Winter vorstellte. Beide aber werden schon Morgens auf dem Schießplatze den alterthümlichen, mit der Besiegung des schwächeren Winters endenden Kampf ausgefochten haben, wodurch die ursprüngliche Veranlassung und die eigentliche im 18. Jahrhundert längst vergessene Bedeutung des Festes charakterisirt ward.
1) (Gr., S. 561 und 592). Könnte vielleicht auch der im Harze und andern Gegenden Niedersachsens statt des Wode als Führer der wilden Jagd genannte Hackel- oder Heckelberend, Heckelberg oder Heckelblock, welches Gr. S. 519 von dem nordischen hökull und als femin. hekla-Gewand, Mantel, ableitet, hieher zu ziehen sein?
2) Ueber das Stralsunder Maireiten s. Jahrb. VIII, S. 229 ff., wo Beispiele aus dem 15. Jahrhundert gegeben werden. 1564 ward es, nachdem es längere Zeit nicht gehalten, wieder eingeführt. Vgl. auch Baltische Studien, Jahrgang 1841.
3) Dietr. Schröder (Diacon. zuWismar), Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar, S. 134 ff. (1743). Vgl. Jahrb. VII, S. 179 ff. und VIII, S. 228 ff.
Unzweideutiger ist dieser Sieg des Sommers über den Winter in den von Grimm, S. 440, aus verschiedenen Gegenden Deutschlands gesammelten Gebräuchen am Maitage dargestellt, unter welchen das feierliche Maireiten in Schweden und Norddeutschland den ersten Rang einnimmt, und welches in älterer Zeit auch in Meklenburg wohl bekannt war. In den Städten Schwedens und Gothlands pflegten nämlich im Mittelalter nach alter Sitte zwei Reiterschaaren junger Bürger am ersten Mai zu einem Festspiele auszureiten, der Führer der einen Schaar in Pelz und Winterkleider gehüllt, mit dem Speer bewaffnet, der andere aber, Blumengraf genannt, unbewaffnet und mit Laub und Blumen geschmückt. Dennoch überwindet der Blumengraf seinen Gegner im Kampfe, an welchem auch das beiderseitige Gefolge Theil nimmt, indem er ihn zu Boden rennt, worauf das umstehende Volk ihm feierlich den Sieg zuerkennt. Dies Fest, dessen weiterer Verlauf nicht mitgetheilt wird, galt in mehren Städten für wichtig genug, um zu seiner Begehung förmliche Maigrafengilden zu gründen. Ein solches Maireiten und die Maigrafschaft war nun auch im nördlichen Deutschland mit geringeren oder größeren Abweichungen wohlbekannt, namentlich in Stralsund, Greifswald, Hildesheim, Köln u. s. w. 2). Eben so finden wir auch in Wismar unzweideutige Spuren desselben Festes, welches hier in der Pfingstwoche von der sogenannten Papegoyengesellschaft, einer schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts bestehenden, ziemlich reich dotirten Zunft der wohlhabendsten Bürger der Stadt, gefeiert ward und dadurch noch an Interesse gewinnt, daß damit zugleich ein Papegoyen- oder Vogelschießen verbunden war, welches wenigstens in späterer Zeit als Hauptzweck der Innung erscheint. Aus den ältern Zeiten fehlt uns leider jede genauere Nachricht über den Verlauf dieses Festes, allein eine Schilderung des Festzuges aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts 3) läßt im Vergleiche mit der angeführten schwedischen Sitte keinen Zweifel über dessen Bedeutung zu. Am Morgen des Pfingstmontags begab sich nämlich die Gesellschaft in folgender Ordnung zu dem Schießplatze vor dem Lübschen Thore hinaus: voran ein reitender und auf’s Beste geschmückter Knabe, von zwei Rathsdienern geführt; ihm folgte zu Fuß der vorigjährige König in der Mitte der beiden Bürgermeister, darauf der ganze Rath, und hinter diesem der sogenannte Maigraf, von zwei Schaffnern der Gesellschaft begleitet, endlich die gesammten Zunftgenossen, sämmtlich zu Fuß. Auf dem Platze angelangt, begann sofort das Vogelschießen, nach dessen Beendigung sich die Brüderschaft in demselben Zuge, dem sich diesmal auch die Frauen und Töchter anschlossen, anscheinend jedoch ohne den zugführenden Knaben, zum Tanze nach dem sogenannten Thiergarten vor dem Altwismarschen Thore hinaus begab, wo zuvörderst zwei Jungfrauen dem neuen König einen silbernen Becher überreichten, demnächst aber der alte und der neue König nebst drei Bürgern und vier Gesellen und eben so viel Frauen und Jungfrauen den ersten Tanz aufführten, den zweiten aber der Maigraf und seine Zugeordneten. Am folgenden Donnerstage oder Freitage gab endlich der neue König, nach einer sehr unvollständigen Aufzeichnung der Statuten der Gesellschaft aus dem Jahre 1379, ein Gastmahl (Krud), auf welchem auch der neue Maigraf für das folgende Jahr gewählt ward. Ueber den Zweck dieser Wahl giebt weder jene Aufzeichnung, noch irgend eine andere Nachricht die gewünschte Auskunft. Aus seinem Namen erkennt man jedoch mit Sicherheit den Repräsentanten des Sommers, während der allein in der ganzen Gesellschaft berittene Knabe an der Spitze des Zuges ursprünglich ohne Zweifel den Winter vorstellte. Beide aber werden schon Morgens auf dem Schießplatze den alterthümlichen, mit der Besiegung des schwächeren Winters endenden Kampf ausgefochten haben, wodurch die ursprüngliche Veranlassung und die eigentliche im 18. Jahrhundert längst vergessene Bedeutung des Festes charakterisirt ward.
1) (Gr., S. 561 und 592). Könnte vielleicht auch der im Harze und andern Gegenden Niedersachsens statt des Wode als Führer der wilden Jagd genannte Hackel- oder Heckelberend, Heckelberg oder Heckelblock, welches Gr. S. 519 von dem nordischen hökull und als femin. hekla-Gewand, Mantel, ableitet, hieher zu ziehen sein?
2) Ueber das Stralsunder Maireiten s. Jahrb. VIII, S. 229 ff., wo Beispiele aus dem 15. Jahrhundert gegeben werden. 1564 ward es, nachdem es längere Zeit nicht gehalten, wieder eingeführt. Vgl. auch Baltische Studien, Jahrgang 1841.
3) Dietr. Schröder (Diacon. zuWismar), Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar, S. 134 ff. (1743). Vgl. Jahrb. VII, S. 179 ff. und VIII, S. 228 ff.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Erinnerungen an die nordische Mythologie in den Volkssagen und Aberglauben Mecklenburgs.