Großenhain in Sachsen, den 10. April 1902.

Lustig wird man durch das Reisen im Laufwagen, lieber Freund, aber nicht schreiblustig. Daher nur ganz kurz: Wir sind um 11 Uhr in Berlin abgefahren, durchs Tempelhofer Feld hinaus über Zossen, Baruth, Luckau, Elsterwerda hierher, wo wir gegen ½7 Uhr angekommen sind. Bald langsam, bald schnell, fast immer mit Gegenwind kämpfend und sehr oft behindert durch die Notwendigkeit, auf unruhige Pferde Rücksicht zu nehmen, die instinktiv eine Antipathie gegen den Laufwagen haben, der bestimmt ist, sie im Amte der Beförderung von Menschen und Lasten abzulösen. Man muß alles lernen, auch die Kunst, an Pferden vorbeizukommen, ohne daß sie scheuen. – Unser Hauptinteresse bei dieser ersten Fahrt galt dem Wagen. Wir sind erstaunt, auf was für schlechten Wegen er sicher zu fahren imstande ist. Bei glatter, freier Bahn ist es wie ein Fliegen, und man begreift, daß der Sportsautomobilist schließlich nur das eine Interesse hat: die Schnelligkeit zu steigern.

Wir, die wir keine Sportsleute, sondern einfache Reisende sind, die nicht fahren, um irgend einen Rekord zu schlagen, sondern um möglichst viel und intim zu sehen, werden uns kaum dazu verlocken lassen, andauernd ein Gewalttempo einzuhalten, wenngleich wir streckenweise recht gern den Reiz genießen wollen, den es hat, im offenen Wagen auf schnurgerader, glatter Chaussee hast du nicht gesehen dahinzurollen. Es ist ein ganz eigenartiges Gefühl, das fast etwas Berauschendes hat, nur daß auf diesen Rausch kein Katzenjammer, sondern eine gesteigerte Lebensfrische folgt. – Da unsere Augen an den verstärkten Luftzug noch nicht gewöhnt sind, haben wir die großen Schutzbrillen benützt und gefunden, daß sie nicht halb so lästig sind, wie wir gedacht hatten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine empfindsame Reise im Automobil