Eine empfindsame Reise im Automobil

von Berlin nach Sorrent und zurück an den Rhein.
Autor: Bierbaum, Otto Julius (1865-1910), Erscheinungsjahr: 1902
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bruno, Graf Khuen, Sankt Michael, Otto Julius Bierbaum, Rhein, Alf Bachmann, Sorrent
Inhaltsverzeichnis
    Vorwort
  1. Von Berlin nach Wien
    1. An Herrn Alf Bachmann in München. Berlin, am 1. April 1902.
    2. Großenhain in Sachsen, den 10. April 1902.
    3. Dresden, den 11. April 1902.
    4. Teplitz in Böhmen, den 12. April 1902.
    5. Prag, den 13. April 1902.
    6. Prag, den 14. April 1902.
    7. Beneschau, den 15. April 1902.
    8. Wittingau, den 16. April 1902.
    9. Wien, den 25. April.
  2. Von Wien nach München
    1. An Frau Anna Croissant-Rust in Ludwigshafen am Rhein Wels am Traunflusse, den 24. April.
    2. München, 27. April 1902. (Am 25. von Wels nach Salzburg. Dort Aufenthalt über den 26. Am 27. von Salzburg nach München.)
  3. Von München nach Eppan
    1. An Professor Ludwig Thuille in München. Mittenwald an der Isar, den 4. Mai
    2. Innsbruck im Goldenen Stern, den 5. Mai 1902.
    3. Brixen, im Elefanten, 6. Mai.
    4. Schloß Englar in Eppan, den 8. Mai.
  4. Von Eppan nach Venedig
    1. An Herrn Dr. Franz Blei in München. Trient, den 10. Mai
    2. Bassano an der Brenta im Allergo del Mondo (Deutsch: Zur Weltkugel), 11. Mai
    3. Venedig, den 12. Mai.
    4. Venedig, im Hotel de Milan, den 14. Mai
    5. Venedig, den 15. Mai.
  5. Von Venedig nach Rimini
    1. An Herrn Max Schillings in München. Padua im Hotel croce d’oro, den 16. Mai 1903.
    2. Ferrara, 17. Mai.
    3. Rimini, den 20. Mai 1902, im Aquila d’oro.
  6. Von Rimini nach San Marino und zurück
    1. An Herrn Bruno Grafen Khuen in Sankt Michael bei Eppan. Rimini, den 22. April 1902.
  7. Von San Marino bis Florenz
    1. An Herrn Izsó Hajós in Nagy Banom. Florenz, den 25. Mai 1902 im Hotel Paoli.
    2. Florenz, den 27. Mai 1902.
    3. Florenz, den 29. Mai 1902.
    4. Florenz den 30. Mai 1902.
    5. Spätere Nachschrift (Mai 1903).
  8. Von Florenz bis Siena
    1. An Herrn Professor Peter Behrens in Darmstadt. Cortona, den 4. Juni 1902 im Albergo nationale.
    2. Foligno, den 6. Juni 1902, Albergo La Posta.
    3. Torni, den 7. Juni, Albergo Europa.
  9. Von Siena bis Perugia
    1. An Herrn Professor Hans Thoma in Karlsruhe. Rom, den 12. Juni 1902, im Albergo Italia.
  10. Von Perugia bis Terni
    1. An Frau Malgonia Stern in Berlin. Rom, den 14. Juni 1902.
  11. Von Terni bis Frascati
    1. An Herrn Professor Franz Stuck in München. Rom, den 10. Juni 1902.
    2. Frascati, den 13. Juni 1903.
  12. Von Frascati bis Neapel
    1. An Detlev Freiherrn von Liliencron in Alt-Rahlstädt bei Hamburg. Terracina, den 14. Juni 1902.
    2. Neapel, den 15. Juni 1902, in Bertolinis Palace-Hotel. (Terracina – Fondi – Itri – Formia – Cascano – Capua – Aversa – Neapel.)
  13. Aus Neapel
    1. An Frau Marie Immerwahr in Berlin. Neapel, den 18. Juni 1902.
    2. Neapel, den 19. Juni.
    3. Neapel, den 26. Juni.
  14. Ausflüge von Neapel (Solfatara, Pompeji, Vesuv) und Fahrt nach Sorrent
    1. An Herrn Major Oscar von Chelius, Militärattaché bei der Kaiserlich Deutschen Botschaft in Rom. Cocumella bei Sorrent, den 26. Juni 1902.
  15. Cocumella und Ausflüge von dort (Amalfi, Capri)
    1. An Herrn Professor Fritz von Uhde in München. Cocumella, den 30. Juni 1902.
    2. Cocumella, den 2. Juli 1902.
  16. Von Sorrent bis Rom
    1. An Herrn Felix vom Rath in München. Montecassino, bei den Benediktinern, den 3. Juli 1902.
    2. Rom, den 4. Juli, im Hotel Continental.
  17. Von Rom bis Mailand
    1. An Herrn Friedrich von Schirach in München. Grosseto, den 5. Juli 1902.
    2. Pisa, den 6. Juli 1902.
    3. Spezia, den 7. Juli, im Malteserkreuz.
    4. Genua, den 8. Juli, im Eden-Hotel.
    5. Mailand, den 10. Juli, im Albergo Europa.
    6. Mailand, den 12. Juli.
  18. Von Mailand bis Stein am Rhein
    1. An Herrn Dr. August Smith in Wangen am Bodensee. Bellinzona, den 13. Juli, im Hirschen.
    2. Stein am Rhein im Sankt Georgen-Kloster, den 17. Juli 1902.
Vorwort

Wenn jemand eine Reise tut,
So kann er was erzählen


sagt Herr Urian, und ich füge hinzu: er kann’s nicht bloß, er will’s meist auch. Das Erzählen in langen und breiten Briefen aber, wie und es hier verübt habe, ist im allgemeinen aus der Mode gekommen. Erstens wohl, weil das Reisen nichts weiter besonderes mehr ist, dann, weil man heute überhaupt nicht mehr gerne lange Briefe schreibt, und schließlich, weil es überall Ansichtspostkarten gibt. Wenn ich trotzdem diese Briefe geschrieben und mich sozusagen in einen gewissen Gegensatz zu meinen Zeitgenossen gebracht habe, so ist dies nicht lediglich aus der bösen Lust am Andersmachen zu erklären, sondern, vielleicht, zu entschuldigen durch folgende drei Umstände. Erstens: Meine Reise war etwas besonderes. Zweitens: Ich schreibe gerne lange Briefe. Drittens: Auf den Ansichtspostkarten ist so schrecklich wenig Platz, daß sie meinem Mitteilungsbedürfnis nicht genügen.

Der Hauptgrund ist natürlich der erste. Es wird zwar, wie ich glaube, nicht mehr lange dauern, und das Reisen im Automobil ist etwas gewöhnliches; vor der Hand aber gehören längere Reisen dieser Art noch zu den Seltenheiten. Die vorliegende Schilderung eines solchen Unternehmens ist, soviel ich weiß, die erste, die in Deutschland als Buch veröffentlicht wird. Nur in Sportszeitungen bin ich kürzeren Beschreibungen längerer Touren begegnet, und bei ihnen handelte es sich fast ausschließlich um Äußerungen rein sportlichen Interesses. Meine Reise aber hat mit dem Automobil sport als solchem nicht viel zu tun, – sonst hätte ich sie nicht als eine empfindsame Reise bezeichnen können, denn was ein richtiger „Automobilist“ ist, der kennt die Empfindsamkeit nicht. Ich meine das Wort natürlich in seiner alten Bedeutung und nicht in dem Sinne von Sentimentalität, den es jetzt angenommen hat. Empfindsamkeit heißt mit der Zustand und die Gabe stets bereiter Empfänglichkeit für alles, was auf die Empfindung wirkt, die Fähigkeit und Bereitschaft, neue Eindrücke frisch und stark aufzunehmen. Mit offenen, wachen, allen Erscheinungen des Lebens, der Natur zugewandten Sinnen reisen nenne ich empfindsam reisen, und dieses Reisen allein erscheint mir als das wirkliche Reisen, wert und dazu angetan, zur Kunst erhoben zu werden. Doch darüber wird man in diesen Briefen meine Meinung öfter vernehmen, und ich hoffe, daß dieses Buch meine Leser davon überzeugen wird, daß wir jetzt im Automobil das Mittel an der Hand haben, die Kunst des Reisens aufs neue zu pflegen und noch weiter zu führen, als es ihr in der Zeit der Reisekutschen beschieden gewesen ist, denen unsre Vorfahren Genüssen zu verdanken gehabt haben, wie sie der Eisenbahnreisende nicht einmal ahnt. Der gewöhnliche „Automobilist“ allerdings auch nicht; der ist dazu zu sehr Sportsman. Erst, wenn der Automobilismus aufhört, ausschließlich ein Sport zu sein, wird er für die Kunst des Reisens das bedeuten, was seine eigentliche Bestimmung ist.

Ich möchte nicht mißverstanden werden: Ich unterschätze die Bedeutung des Automobilsports für die Entwickelung der Sache keineswegs, schlage sie vielmehr hoch an und lasse mich darin auch durch die Auswüchse des Rennwagenwesens nicht irre machen. Dieses wird für die Motorwagenindustrie immer die Bedeutung haben, die der Rennpferdesport für die Pferdezucht hat. Aber das Eigentliche dieser großen neuen Erscheinung, die den Rang eines starken Kulturfaktors hat, liegt nicht im Sport. Der hat nur Experimentalwert. In der Ausnutzung seiner Resultate für das allgemeine, in seiner Übersetzung ins praktische Leben liegt die Zukunft des Automobilismus.

Meine Reise war der Versuch einer praktischen Probe auf das Exempel des Sports, und ich bringe ihre Schilderung vor die Öffentlichkeit, weil sie gelungen ist, und zwar gelungen nicht mit einem der Millionärsvehikel, die nur Portemonnaiegranden erschwinglich sind, sondern mit einem leichten, billigen Wagen. – Für mich wäre er freilich immer noch zu teuer gewesen, und so will ich, um mich keiner Vorspiegelung falscher Tatsachen schuldig zu machen, und um gleichzeitig gebührenden Dank auszusprechen, zum Schlusse nicht verhehlen, daß ich die Möglichkeit, diesen angenehmen Versuch zu machen, nicht meinen Einkünften als deutscher Dichter, sondern der Freundlichkeit des Verlags August Scherl G. m. b. H. verdanke, der mir den Wagen für die Dauer der Reise zur Verfügung gestellt hat.

Nymphenburg, im November 1903.
OTTO JULIUS BIERBAUM

Sorrent, Radierung von Julius Schnorr von Carolsfeld

Sorrent, Radierung von Julius Schnorr von Carolsfeld