Chortitza-Rosenthal, am 11. Februar 1920.
Ich ging heute trotz des Schneetreibens hinaus. Es litt mich nicht mehr im Zimmer. Mein erster Gang galt jenem Häuschen oben, wo ich in meinen gesunden Tagen wohnte. Da saß nun in traurig leerem Hause die alte Großmutter bei den beiden verwaisten Kindern. Sie schmiegten sich an mich, als haftete an mir ein Stück ihrer Eltern, die meine nahen Freunde waren. Ich vermied, von ihren Eltern zu sprechen; ich vermochte es nicht; die Worte blieben mir in der Kehle stecken. Unvergesslich bleibt mir der Blick des kleinen 8jährigen Mädchens; ein Blick, der abgrundtiefes Leid verriet. Für sie hatten Vater und Mutter die ganze Menschheit bedeutet. Aus allen Häusern starrt jetzt das nackte Elend und niemand ist, der diesen armen Waisen helfen kann. Der Hunger quält sie, an Schuhen und Kleidern fehlt es. Jemand kommt täglich und heizt ihnen den Ofen. Blutleer sehen sie aus und haben doch kräftige Nahrung. Jedes Mittel wäre mir recht, wenn ich hier helfen könnte.
Auf dem Heimweg wurde ich so schwach, dass ich fürchtete, in der Schneedüne liegen zu bleiben. Deshalb trat ich in ein Haus, um auszuruhen. Der Vater sei gestorben, sagte die erwachsene Tochter auf meine Frage, und die Mutter könnte nicht mehr gehen seit der Krankheit. Eine Schwulst ganz böser Art hindere sie daran. Der ältere Bruder sei gestorben und der jüngere habe das Gehör verloren. Schwerhörig sind wir Genesenden alle, aber manche trifft es besonders hart. Frau Gretes Nichte ist sozusagen erblindet. Ihre Pupillen haben sich so sehr geweitet, dass das Sehvermögen fast geschwunden ist. Ein junger, lehr religiöser Mann zeigt seit seiner Krankheit ein wunderliches Benehmen. Vor einiger Zeit ist er auf die Straßen gegangen und hat zu sich ins Haus eingeladen, wen er fand. Er hat sie zur Mahlzeit eingeladen, ohne dass seine Frau darum wusste. Dann hat er mit irrem Verstand wunderliche und unverständliche Reden geführt. Arm und hilflos sind wir dem Schicksal preisgegeben! —
Auf dem Heimweg wurde ich so schwach, dass ich fürchtete, in der Schneedüne liegen zu bleiben. Deshalb trat ich in ein Haus, um auszuruhen. Der Vater sei gestorben, sagte die erwachsene Tochter auf meine Frage, und die Mutter könnte nicht mehr gehen seit der Krankheit. Eine Schwulst ganz böser Art hindere sie daran. Der ältere Bruder sei gestorben und der jüngere habe das Gehör verloren. Schwerhörig sind wir Genesenden alle, aber manche trifft es besonders hart. Frau Gretes Nichte ist sozusagen erblindet. Ihre Pupillen haben sich so sehr geweitet, dass das Sehvermögen fast geschwunden ist. Ein junger, lehr religiöser Mann zeigt seit seiner Krankheit ein wunderliches Benehmen. Vor einiger Zeit ist er auf die Straßen gegangen und hat zu sich ins Haus eingeladen, wen er fand. Er hat sie zur Mahlzeit eingeladen, ohne dass seine Frau darum wusste. Dann hat er mit irrem Verstand wunderliche und unverständliche Reden geführt. Arm und hilflos sind wir dem Schicksal preisgegeben! —
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Tagebuch aus dem Reiche des Totentanzes