Der Dresden Totentanz

Erhalten sind ferner einige Wappen und der berühmte Dresdner Totentanz in Relief, der über dem zweiten Obergeschoss angebracht war und durch den Erker in zwei ungleiche Hälften geteilt wurde. Er steht jetzt links vom Eingange zum Neustädter Friedhof (Friedensstraße). Der Totentanz ist in vier Reigen gegliedert: ein von Schlangen und Bandwerk umschlungener Tod, die Schalmei blasend und ein Weinglas emporhaltend, eröffnet den ersten Reigen; ein zweiter, der mit Totengebeinen die Trommel rührt, führt den zweiten Reigen an; ein dritter mit der Sense schließt den ganzen Zug. Den ersten Reigen bilden die Vertreter des geistlichen Standes: der Papst mit der dreifachen Krone und dem Hirtenstab; der Kardinal mit Hut und Stab; Bischof und Abt mit Krummstab und Mitra, der Domherr mit Doktorhut und Hermelinmantel, ein Priester mit einem Kreuz in der Hand (Monstranz?) und ein gebückt dahinschreitender barhäuptiger Mönch, der ein Buch in der Hand trägt. Im zweiten Reigen schreiten die höchsten Vertreter der weltlichen Macht: Kaiser Karl V. mit Schwert, Krone und Szepter; der König oder Kurfürst (?) mit Schwert und geschultertem Szepter; der Herzog Georg der Bärtige (der nach dem Tode seiner Gattin den Bart lang wachsen ließ) mit dem Orden des goldenen Fließes, dem Rosenkranz und dem Schwert; der Kanzler als höchster Beamter des Hofstaates und der Ritter; den dritten Reigen, bei dem man ebenso wie im vierten den voranschreitenden Toten vermisst, führt der Hauptmann der Landsknechte; es folgt der Gelehrte oder Ratsherr und der Steinmetz Hans Schickentantz mit Spitzhacke und Winkelmaß (der Schöpfer des ganzen Werkes), weiter ein Stadtknecht mit Hellebarde und Schwert, der Bauer mit Dreschflegel und Krummschwert und der Bettler mit der Krücke. Den vierten Reigen endlich bilden die Äbtissin mit dem Krumm-Stab, die Bürgersfrau, die Bäuerin mit der Riese, die das Kinn verhüllt, und mit Gänsen im Sack auf dem Rücken. Hieran schließt sich als letzte Gruppe der Wucherer mit der Geldtasche am Gürtel und einem Geldsack im linken Arm, den er ängstlich umfasst, denn ein Bettler von einem Knaben geführt nimmt bittend vor ihm den Hut ab. Den Schluss bildet der Tod mit der Sense.

Bei der Deutung einiger Personen kann man zweifelhaft sein; es kommt indes wenig darauf an, ob man den einen als König oder Kurfürst, einen zweiten als Graf oder Ritter, einen Dritten als Ratsherrn oder Gelehrten anspricht. Bezeichnend für das Werk ist die Stimmung des unentrinnbaren Todesverhängnisses, das über allen schwebt: mit dumpfer Ergebung, meist starr geradeaus blickend, schreiten sie eilends vorwärts, als könnten sie nicht anders, und nur Herzog Georg schaut trauernd zu seinem Kanzler zurück, der ihm die Rechte unter den Arm schiebt, und auch die behäbige Äbtissin nimmt sich etwas Zeit. Der Künstler hat die Gefolgschaft des Todes in Gruppen zu Dreien angeordnet, innerhalb deren jeder seinen Vordermann anfasst. Nur der Priester und der Mönch bilden eine Gruppe zu zweien. Die Charakteristik einzelner Personen ist meisterhaft, wirksamer aber in ihrer eindringlichen Kraft ist die Todesstimmung, die über dem ganzen liegt. Davon ist nur die letzte Gruppe auszunehmen, die mehr ein Lebensbild darstellt und auch im Stil sich von den anderen Gestalten unterscheidet. Diese Gruppe nebst dem abschließenden Tode ist fast zwei Jahrhunderte jünger als der übrige Totentanz. Als am 25. März 1701 das Schloss zum größten Teil abgebrannt war, wurde der Totentanz herabgenommen und der Dreikönigskirche in Dresden Neustadt übergeben. Fünf Figuren fehlten; an ihrer Stelle führte der Dresdner Bildhauer Johann Emanuel Brückner die genannte Gruppe aus; sie verleugnet den Stil ihrer Zeit nicht.


Von dem südlichen Teile des Georgenbaues sind noch weniger Reste erhalten als vom nördlichen. In den Zwickeln des einen Tores waren Löwe und Lamm dargestellt, die den Tod und die Schlange ,,dämpfen“. Über dem Sims befand sich ein Kruzifix mit zwei Kindern am Fuß des Kreuzesstammes. Von dem anderen Tore sind in den Zwickeln die rund umrahmten Bildnisse des Herzogs Georg und seines Sohnes des Herzogs Johann mit breitem Hute, Federn und Wappen erhalten, breit modellierte Arbeiten von trefflicher Charakteristik.





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