Das Georgentor

Gelegenheit die neuen Formen zu zeigen gab der Umbau des alten Elbtors, den Herzog Georg im Jahre 1530 begann. Das Tor stand auf den beiden ersten Landpfeilern der Elbbrücke, die damals bis zum Anfang der jetzigen Schlossstraße reichte, und vermittelte die Verbindung von der Stadt zur Brücke sowie nach dem Elbufer. Bei dem Umbau handelte es sich darum, eine Verbindung zwischen dem Schloss und dem Tor herzustellen, dadurch aber den Zugang vom Schloss zur Brücke zu erleichtern. Der Unterbau des alten Elbtors wurde bei dem neuen Tor mit verwendet. Als Erbauer des neuen Georgenbaues ist von jeher Hans Schickentantz genannt worden, ohne daß sich dieses urkundlich belegen lässt. Jedenfalls zeigen die Formen des Georgenbaues, daß er nicht von einem Italiener herrühren kann. Der Georgenbau aber war ein turmartiges Bauwerk mit Giebeln auf allen vier Seiten, geschmückt mit Bildsäulen, Erkern, ornamentierten Friesen, Wappen, Bildnis-Medaillons und Reliefs — ein kräftiges Zeugnis des neuen Kunstgeistes im 16. Jahrhundert, der die Architektur wesentlich dekorativ behandelte.

Der gewaltige Schlossbrand des Jahres 1701 hat leider den Georgenbau von Grund aus zerstört, so daß von dem stattlichen Gebäude nur wenige Reste übrig geblieben sind. Ein einheitlicher Gedanke ging durch seinen künstlerischen Schmuck: an der Nordseite war dargestellt, wie der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen ist, an der Südseite die Erlösung der Welt von der Sünde durch Christi Opfertod. Dieser Gedankengang mochte dem Herzog Georg wohl naheliegen, denn der bedauernswerte Mann sah alle seine fünf Söhne und drei von seinen vier Töchtern dahinsterben, während des Baues starben seine Gattin Barbara 1534 und seine Tochter Magdalene, drei Jahre später sein letzter Sohn Johann. So pochte der Tod gewaltig an die Pforte seines fürstlichen Hauses. Kein Wunder, daß wir hier und anderwärts in der Stadt aus jener Zeit mannigfache künstlerische Hindeutungen auf den Tod finden. Mit der Darstellung des Todes aber einte Herzog Georg, der hartnäckige Verfechter des katholischen Glaubens inmitten eines Volkes, das sich mehr und mehr der protestantischen Lehre zuwandte, eine künstlerische Darstellung seines Glaubensbekenntnisses: eine Mahnung zugleich und ein Trost im Leid.


Abb. 16 Das Georgentor des Kgl. Schlosses 1701-1893

Von der Nordseite des Georgenbaues ist vor allem das Tor erhalten, das beim Umbau des Schlosses 1899 in den Schlosswinkel gegenüber der katholischen Hofkirche versetzt wurde. Am Schlussstein des Bogens ist eine kleine Scheibe mit einem Totenkopf angebracht; in den Zwickeln sehen wir in feinem flachem Relief das erste Elternpaar trauernd um das verlorene Paradies, links Adam mit der Hacke im Arm, rechts Eva mit dem Spinnrocken und einem Kind auf dem Schoß; beiderseits üppige Apfelzweige mit Blättern und Äpfeln, die Adam und Eva mit der Hand umfassen. Man sieht, wie sich der Künstler bemüht hat, die beiden Gestalten ohne Zwang in den Zwickeln unterzubringen und mit Hilfe der Apfelzweige den Raum anmutig zu füllen. Reich verziert sind die Füllungen der Pilaster, die Bogen, die Schäfte, die vortretenden beiden kandelaberartigen Säulen, die Füllungen des Gesimses, hervorragend reizvoll die eigenartigen Kapitelle, nicht minder die Reigen von tanzenden Kindern an den Wülsten der Säulenschäfte. Die Inschrift zwischen den Verkröpfungen am Sims lautet:

Per invidiam dyaboli mors intravit in orbem (Durch die Missgunst des Teufels ist der Tod in die Welt gekommen.)

Die architektonische Bekrönung des Tores enthielt ein Relief, das 1899 beim Umbau zum Vorschein kam und jetzt mit anderen Resten in der Durchfahrt des Jagdtores bewahrt wird. Es zeigt in schlichter Umrahmung, wie Kain missgünstig über das Gott wohlgefällige Opfer Abels den Bruder mit gewaltigen Keulenschlägen ermordet; links und rechts von diesem Relief standen die Bildsäulen Adams und Evas, darüber wand sich die Schlange in dem Geäst, das den Tragstein des Erkers umrankte.




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Abb. 16 Das Georgentor des Kgl. Schlosses 1701-1893

Abb. 16 Das Georgentor des Kgl. Schlosses 1701-1893

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