Der Altar der Sophienkirche

Auch Dresden besitzt ein plastisches Werk, das dem Nosseni zugeschrieben wird: den Altar der Sophienkirche, den der Künstler 1606 im Auftrag der Kurfürstin-Witwe Sophie aus buntem sächsischem Marmor herstellte: ein Altartisch, darüber zwei Säulenordnungen, ein barocker Giebel. Die untere Säulenordnung korinthisch mit verkröpftem Gebälk, links und rechts zwischen den Säulen Moses und Petrus, in der Mitte in einem Blendbogen Christus am Kreuz mit Maria und Johannes, in der Fußleiste über dem Altartisch ein Relief mit der Einsetzung des Abendmahls. Zwischen den oberen, ionischen Säulen ein Relief: die Beweinung von Christi Leichnam, seitlich der Säulen Konsole und Bogenschwünge, darauf Engel mit den Leidenswerkzeugen; oben auf dem barocken Giebel der auferstandene Christus mit der Fahne.

Der Altar ist in guten Verhältnissen ruhig und klar aufgebaut, die Figuren sind geschickt angeordnet, eine vornehme Arbeit, auf deren Zusammenhang mit der Schule des jungen Sansovino und den Werken des Giovanni de Bologna schon Gurlitt aufmerksam macht. Die ungeschickten barocken Schwünge könnten zum Vorteil des Werkes fehlen. Zu dem lebendig bewegten, geschickt komponierten Abendmahlsrelief hat vielleicht Nosseni den Entwurf geliefert. Vielleicht geht auch das Alabasterrelief der Grablegung Christi in der nordöstlichen Kapelle der Sophienkirche auf Nosseni zurück. Die Figuren sind stark bewegt, die ganze Komposition ist malerisch lebendig in kräftigem Wechsel von Licht und Schatten, auch ist der Vorgang wohl zusammengehalten, aber daneben sieht man Härten und Unzulänglichkeiten in der Behandlung des Reliefstils und der Formen, und die Gesichter sind starr und maskenhaft. Ob die "scharf umgeknickten, glattgestrichenen, leeren Falten der Gewänder und der magere, trockene Gesichtsausdruck“ überhaupt den Stil von Nossenis eigener Arbeit oder nur seinen Altersstil bezeichnen oder aber nur auf ungeschickt ausführende Hände zurückzuführen sind, steht dahin. Richtig ist, daß die Freiberger Figuren weit edler im Ausdruck und weicher in der Linienführung der Gewänder sind. Wir tappen in der Zuweisung dieser Werke noch im Dunkeln, die bezeichnenden Merkmale und Unterschiede sind nicht bestimmt genug und es mangelt an festen Anhaltspunkten, von denen man sicher weiter schließen könnte. Nosseni wird ein starker Einfluß auf die sächsischen Bildhauer seiner Zeit zugeschrieben. Er selbst war — wenigstens als Bildhauer — kein so hervorragender Künstler, wie ehedem angenommen wurde. Indes hat er sicherlich die Renaissanceformen in Sachsen noch fester eingepflanzt, als sie es schon vorher waren. "Er gab den sächsischen Bildhauern eine Fülle anregender Gedanken, eine Welt von neuen Formen: ein verjüngender, ein belebender Zug ging von ihm aus, der eine Menge anmutiger Werke in Kirchen und Schlössern Sachsens entstehen ließ.“ Allerdings ging damit der sächsischen Bildhauerschule immer mehr die Volkstümlichkeit verloren.


Namentlich haben offenbar die Bildwerke der Freiberger Fürstengruft einen starken Eindruck auf die sächsischen Künstler der damaligen Zeit gemacht: wir hören ausdrücklich, daß die Dresdner Künstler zur Besichtigung des Werkes nach Freiberg reisten. So besuchte 1598 und ebenso wieder 1599 der Dresdner Bürgermeister und Bildhauer Hans Walther "in Begleitung vieler Steinmetzen“ Freiberg, um die Fürstengruft zu sehen. Allerdings waren diesem die Formen der Renaissance keineswegs neu; denn vermutlich hat gerade er mit an dem Tor der Schlosskapelle gearbeitet; auch ist er der Schöpfer des Altars der Kreuzkirche zu Dresden von 1579, der nach dem Brande von 1760 in die Annenkirche versetzt worden ist. "Durch diese beiden Werke hat er bewiesen, daß auch vor Nossenis Auftreten die sächsischen Bildhauer in Werken der Renaissance Tüchtiges leisteten.“ (Knebel.)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden