Giovanni Maria Nosseni (1544-1620) schweizer Bildhauer

Giovanni Maria Nosseni kam im Januar 1575 nach Dresden. Dieser Künstler, der einen so entscheidenden Einfluß auf Dresdens Kunst gewann, war am 1. Mai 1544 zu Lugano geboren und entstammte einer Bildhauerfamilie von handwerksmäßiger Tüchtigkeit, die er selbst wohl zu Hause sich zu eigen machte. Nach seiner Lehrzeit ging er im Jahre 1577 in die Fremde. In Mailand, Padua, Venedig, Florenz mag er tätig gewesen sein und die Eindrücke der großen Kunstwerke in sich aufgenommen haben, welche der Bildhauer Sansovino und seine Schüler, ferner die Architekten Scamozzi und Palladio, die Maler Tizian, Tintoretto und Veronese teils eben schufen, teils kürzlich geschaffen hatten. Auch Michelangelos und Giovanni da Bolognas Werke muss er kennen gelernt haben.

Die Berufung Nossenis nach Dresden hing mit Augusts Bestrebungen, das Kunsthandwerk zu heben, zusammen. Besonders lag ihm die Kunst des Drechselns, die er selbst betrieb, am Herzen. "Als nun im Jahre 1574 nahe bei dem Städtchen Weißensee neue Alabasterbrüche entdeckt wurden, suchte er nach einem Künstler, der aus dem schönen weichen Stein allerlei Gefäße drehen und Schmucksachen fertigen könne.“ Graf Johann Albrecht von Sprinzenstein, der im Jahre vorher als Gesandter des Großherzogs von Florenz in Dresden gewesen war, empfahl dem Kurfürsten Nosseni. Im Januar 1575 kam dieser mit einem Gesellen in Dresden an. Zunächst fertigte er aus dem neuentdeckten Alabaster einige kleine kunstgewerbliche Gegenstände. Dann aber — im Frühjahr 1575 — beauftragte ihn der Kurfürst, in ganz Sachsen Marmor zu suchen, der zu Bauten und Bildwerken gebraucht werden könnte. Nosseni löste diese Aufgabe mit gutem Erfolg, wovon die oben erwähnten 32 Gesteinsarten in der Kunstkammer zeugen. Noch heute sind einige davon erhalten und in der mineralogischen Sammlung der technischen Hochschule zu Dresden aufgestellt. Er fand u. a. am Sandersberge zwischen Rauenstein und Lengefeldt einen ausgezeichneten weißen Marmor, der sich gut zu Bildhauerarbeiten eignete, und er erhielt zur freien Verfügung über diesen Marmorbruch eine sogenannte Befreiung unterm 5. Mai 1585. Später erhielt er sogar und zwar auf Lebenszeit das Recht, ganz allein in Sachsen nach Marmor, Alabaster, Serpentinstein, Kristallen und Amethysten zu suchen und diese zu brechen. Nur der Kurfürst und ausländische Fürsten sollten jederzeit über diese Steine frei verfügen dürfen. So wurde Nosseni der erste, der sächsischen Marmor zu Bildwerken verwendete. Noch sind von ihm einige Möbel, an denen sächsische Steine verwendet wurden, vorhanden: ein ziemlich ungeschickter Tisch aus Alabaster und Serpentin im königlichen Porzellanmuseum, einige Stühle aus Ebenholz mit Sitzen aus Serpentin im historischen Museum und zwei Tische in der königlichen Bibliothek zu Dresden. Auch zu Mosaikfußböden wurden Alabaster und Serpentin verwendet. Am 10. Juli 1575 ernannte der Kurfürst Nosseni zum Hofbildhauer und Maler; später schenkte ihm der Kurfürst ein Haus, an dessen Stelle heute das neue sächsische Landhaus von Wallot steht.


Nossenis Hauptwerk ist nun bekanntlich nicht in Dresden, sondern in Freiberg zu suchen: das Grabdenkmal für das sächsische Fürstengeschlecht im Chore des Doms zu Freiberg, das er 1585—1594 schuf. Von diesem bedeutenden Werke der Hochrenaissance kann hier nicht gesprochen werden. Doch sei erwähnt, daß Nosseni — wie Mackowsky nachweist — im wesentlichen als der geistige Urheber des Werkes anzusehen ist. Er entwarf die Pläne und die Modelle, bei der Ausführung war er nur als Bauleiter tätig. Überhaupt war er mehr Architekt als Bildhauer. Der plastische Teil der Freiberger Fürstengruft rührt von Carlo de Cesare her, den Nosseni aus Florenz nach Dresden holte. Mackowsky sieht in ihm einen Schüler des Jacopo Sansovino und des Leone Leoni.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Dresden