Wer in ein Bad reisen will, oder reisen muss, der wähle Doberan, unstreitig einer der reizendsten und angenehmsten Badeorte im Norden Deutschlands. ...

Wer in ein Bad reisen will, oder reisen muss, der wähle Doberan, unstreitig einer der reizendsten und angenehmsten Badeorte im Norden Deutschlands. Zwei Meilen von der Seestadt Rostock und eine halbe Meile von den schäumenden Wogen der Ostsee entfernt, liegt dasselbe in einer der anmutigsten und fruchtbarsten Gegenden Mecklenburgs, rings umsäumt von prächtigen Waldungen, die in ihrem Bezirke den Freunden der Natur die angenehmsten Spaziergänge darbieten.

Wichtig ist die Rolle, welche Doberan in den Büchern der Geschichte spielt. Aus einem berühmten Mönchskloster vom Orden der Zisterzienser, welches Pribislaw II., der letzte Obotriten-König, gegen das Jahr 1171 stiftete, blühte Doberan hervor. Dieses Kloster ward eine Viertelmeile vom jetzigen Doberan entfernt erbauet, und zwar dort, wo der Hof Althof liegt. Im Jahre 1173 war der Bau vollendet. Noch nicht sieben Jahre hatte das Kloster gestanden, als dasselbe ein Raub der Flammen ward. Das Heidentum hatte in diesen Gegenden von neuem Wurzel geschlagen und sich viele eifrige Anhänger erworben, was zur Zerstörung des Klosters die Veranlassung herbeiführte. Sechs Jahre nach dieser Zerstörung entschloss sich Heinrich Burvin I. zu einem Neubau des Klosters, welcher 1186 begonnen ward, aber nicht auf der alten Stelle, sondern in dem heutigen Doberan, an dem Orte, wo wir noch die Klostergebäude und die prachtvolle Kirche vorfinden.


Die Sagen, welche über des Klosters Entstehen im Munde des Volks leben, und sich im mythischen Gewande von einer Generation zur andern durch Tradition fortgepflanzt haben, sind verschieden. Aus jenen finstern Zeiten des Aberglaubens erhielten sie sich bis auf den heutigen Tag.

Die erheblichsten mögen hier einen Platz finden.

Burvin I. unschlüssig, an welchem Orte er das Kloster anlegen sollte, beschloss in kindlicher Ergebenheit, diese Wahl dem leitenden Schicksal zu überlassen, nämlich in der schönen Hölzung einen Hirsch zu schießen und dort, wo dieser sein Leben enden würde, die Kirche zu erbauen. Hierher mag es sich denn auch wohl schreiben, dass Doberan einen Hirsch im Wappen führt.

Eine andere Mythe berichtet, dass der Platz zur Anlegung des Klosters zwar schon bestimmt gewesen sei, man aber die Überschwemmung der Ostsee habe fürchten müssen. Um schleunige Abhilfe dieses großen Übelstandes hätten nun die von Frömmigkeit durchdrungenen Väter im inbrünstigen Gebete Gott angefleht. Im Himmel muss wahrscheinlich ihr Ansehen auch groß gewesen sein; denn sie vermochten es, dass in einer Nacht aus des Meeres Tiefe ein ewiger Damm aus kleinen, länglichrunden, glatten Steinchen, zur Bändigung des stürmischen Meers, ohne jegliche menschliche Hilfe hervorging, welchen noch jetzt der Fremde als ein großes Wunder mit dankbarer Gesinnung für so große Wohltat anstaunt, und wovon die Doberaner noch zur Stunde bedeutenden Nutzen und Vorteil haben. Diesen Damm nennt man den Heiligen Damm. Gegen des Meeres Gewalt und den fürchterlichen Andrang der schäumenden, tosenden Wellen hatte man sich früher durch einen starken, hölzernen Damm und durch Bollwerke zu schützen gesucht; allein durch diese Wehr war man bei einem flutenden Ungestüme des Meers doch nicht gegen reißende und zerstörende Überschwemmungen geschützt. Wegen dieser Gefahr war aber niemand ängstlicher besorgt, als die guten fratres in Doberan, denen das heulende Getöse der kämpfenden Wogen oft die süße Stunde im Refektorium verbitterte, oft ihnen auch die holden nächtlichen Phantasien verscheuchten, die ihnen das Nachdenken über die genossenen Tagesfreuden wieder vor Augen brachte und ihnen auf diese Weise das Gluck eines doppelten Genusses verschaffte. Ihren Wünschen, Bitten und Befehlen gehorchte das Meer nicht, und deshalb nahmen sie frommen, inbrünstigen Gebete die letzte Zuflucht. Damit es vom Himmel um so lauter gehört werden möchte, bestimmten sie einen Tag, an welchem im ganzen Lande Andacht und Gebet gegen des Meeres Gewalt und für dessen Bekämpfung gehalten werden musste. Dies hatte denn auch den erwünschten Erfolg, – und mit schweigendem und bewunderungswürdigem Erstaunen sah man am andern Morgen den schönen Damm gegen die tobende Flut des Meers emporgewachsen, und das Meer besänftigt.

„Wunder über Wunder!“ schrie man nun, und in Scharen zog man gen Doberan, um in Ehrfurcht den heiligen Vätern Huldigungen darzubringen, und den Damm mit eigenen Augen zu sehen. Mit unschätzbaren frommen Seltenheiten waren die ehrwürdigen Väter beschenk worden, die ihnen allerdings das Patrocinium und die mächtige Fürsprache vieler verstorbenen Heiligen im Himmel bescheren mussten.

Eine dritte Sage stimmt mit der vorigen ziemlich überein. Man hatte zwar an einem Damm gegen das Meer lange gearbeitet. Was man aber am Tage zustande brachte, wurde jedes Mal in der Nacht wieder von den Fluten weggespült. Endlich ließ sich aus des Meeres Tiefe eine Stimme vernehmen, die davon die Verkündigerin war, dass der Wellen schreckliche Wut nicht eher Schwinden würde, als bis ein menschliches Wesen derselben zum Sühnopfer gebracht worden sei. Auf eine hierzu absichtlich erbaute Fallbrücke lockte man ein unschuldiges Kind. Das Opfer stürzte ins Meer und wurde von demselben verschlungen. Zur Vergeltung dieses Frevels entstand jedoch in der nächstfolgenden Nacht an der Ostsee Gestade, unter heftigen Stürmen, von Donner und Blitz begleitet, der Heilige Damm.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan und seine Umgebungen.