Durch nichts wird der Mensch auf Gottes schöner Erde mehr angezogen und erfreut, als durch anmutige Gegenden; ...

Durch nichts wird der Mensch auf Gottes schöner Erde mehr angezogen und erfreut, als durch anmutige Gegenden; nichts erheitert sein Gemüt mehr, als der großartige Anblick der herrlichen Natur; nichts gewährt größere, reinere und edlere Genüsse, als sie. Erquickt durch die Lieblichkeit ihrer unendlichen Reize, bewegt sich dann das frohe Herz zum schuldigen Danke gegen den Allerhöchsten, den Schöpfer aller Welten mit ihrer ganzen Fülle unendlicher Pracht und Schönheit, unendlicher Güte und Größe. Kaum sind des Frühlings oder Sommers erste Sprösslinge erschienen, so wird es dem Städter zu enge in den Mauern, zu heiß unter der Last seiner Berufsgeschäfte. Lieblicher noch als das holde Antlitz einer zärtlichen Braut, lächelt ihm dann die herrliche wieder erwachte Natur entgegen; diese wünscht er zu umfassen und die von ihr gespendeten Reize mit liebender Sehnsucht einzusaugen. Eine Reise ins Bad, oder ein Besuch bei Freunden auf dem Lande, ist im Frühling und Sommer der Wunsch und der sehnsüchtige Gedanke der mehrsten Städter, und jeder, dessen Amtsgeschäfte es nur irgend erlauben, sucht den Becher der Sommerfreuden und der Lebenslust am Busen der hehren Natur bis zur Hefe zu leeren; jeder strebt sich den Armen des alltäglichen Lebens zu entwinden, und feiner freien Neigung nachzugehen. Aber leider! nicht ein jeder, der diesen süßen Wunsch hegt, kann mit frohem Herzen in ein Bad reisen, oder auf das Land eilen. Durch der Krankheit bittere Leiden und durch die Qual der Schmerzen, die nicht immer bloß körperlich sind, sondern leider! nicht selten auch das Innerste der Seele angreifen, werden manche tief niedergebeugt, und wenn diese in ein Bad oder aufs Land schleichen, so geschieht dies nur, um der Notwendigkeit zu genügen, um die schwankende Gesundheit zu stärken, oder die durch Siechtum verlorenen Kräfte wiederzugewinnen. Es liegt fürwahr etwas Erhebendes, etwas Beseligendes in dem Genusse der freien Natur, in der Heilung durch sie, in der Genesung durch das Bad. Mag man, Alöopath oder Homöopath sein, beständig muss man anerkennen, dass der beste Arzt die Natur, und wie ich wohl hinzufügen darf, das Wasser ein Universal- und oft zugleich auch Radikal-Mittel ist. Wo aber lebt der Mensch so ausschließlich der Natur, als im Badeorte? Hier ist der Tummel-Platz der Freude, hier lebt man im steten Scherz und Frohsinn, hier konzentrieren sich alle Mittel zu diesem Zwecke. Man hüpft und Springt in Unschuld, wie das Kind, und in dem Jubel wird der Kranke zum Besten der Gesundheit oft mit fortgerissen. Die Blinden gehen, die Lahmen sehen und die Liebenden lesen sich einander die Epistel. In dem Badeorte gilt Freiheit und Frohsinn; Frohsinn aber führt zum Freisinn und dieser mitunter zum Leichtsinn.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Doberan und seine Umgebungen.