Gestalt

Die in Fig. 1 — 7 (Beilage 7) dargestellten Stadtumrisse sondern sich auf den ersten Blick in zwei Gruppen. Zu der einen gehören Danzig und Königsberg, zu der anderen die übrigen Städte*). Die Vertreter der ersten Gruppe sind gekennzeichnet durch eine runde, geschlossene Form der eigentlichen Stadt: bei Königsberg ist aus einem fast vollständigen Kreis nur ein dreieckiges Stück sumpfiger Niederung zwischen altem und neuem Pregel herausgeschnitten, Danzigs Kreisform erleidet noch geringere Abweichungen durch die gerade verlaufenden Höhenzüge des Bischofs- und Hagelsberges, an die sich die Stadt im Westen lehnt. Die Vororte sind nur spärlich entwickelt, besonders bei Königsberg, das bisher immer noch im Innern genug Raum bot. Bei Danzig beginnen sie erst in einer gewissen Entfernung von der Stadt. Ihre lang gestreckte Gestalt erklärt sich durch die topographische Beschaffenheit der Umgebung. Sie liegen teils an dem oben erwähnten Höhenrand im Norden und Süden der Stadt (Neuschottland, Teile von Langfuhr, Petershagen, Altschottland, St. Albrecht), teils ziehen sie sich in Talrinnen zwischen den Hügeln bergan (Neugarten, Schidlitz, Langfuhr). Die Niederung östlich der Stadt ist frei von Vororten*).

*) Nicht befestigte Städte haben eigentlich keine festen Grenzen, sondern verlaufen allmählich in ihre Umgebung. Um aber doch ein Bild des Stadtindividuums zu erhalten, haben wir die Grenzen da gezogen, wo große Lücken in der zusammenhängenden Bebauung auftreten.


**) Vgl. Hahn, a. a. O. S. 44.


Die geschlossene Gestalt, die spärliche Entwicklung der Vorstädte, der Zwischenraum zwischen diesen und der eigentlichen Stadt sind Merkmale befestigter Städte. Danzig und Königsberg sind heute noch Festungen, damit ist ihre Gestalt erklärt.

Festungen aber mussten die mittelalterlichen Städte alle sein, darum ist die Kreisform, als die zu Verteidigungszwecken günstigste, die allgemeine bei ihnen, und wir finden dieselbe in den meisten deutschen Großstädten in der sogenannten inneren Stadt wieder, so auch bei den Städten der zweiten Gruppe mit Ausnahme Stettins, dessen innere Stadt eine mehr rechteckige, aber auch geschlossene Form aufweist.

Die Kreisgestalt suchte man auch immer wieder zu gewinnen, wenn man mehrere vorher selbständige Ansiedelungen mit einer gemeinsamen Befestigung umzog; ihr zuliebe erweiterte man sogar oft die Stadt, wie uns Beispiele aus Bremen und Hamburg später zeigen werden.

Auch natürliche Hindernisse konnten selten diese regelmäßige Linienziehung hindern: über Berg und Tal setzte sie sich fort und überschritt sogar große Wasserflächen, wie das an der betreffenden Stelle 200 m breite Alsterbecken Hamburgs. Als besonders günstigen Umstand begrüßten es natürlich die Gründer einer Stadt, wenn sie einen Bauplatz fanden, dem schon die Natur eine derartig geschlossene Gestalt gegeben hat. Das alte Kiel liegt auf einem fast kreisrunden Landvorsprung zwischen dem Kleinen Kiel und der Förde, Lübeck auf einem ovalen Hügel, der von der Trave und der in sie mündenden Wakenitz umflossen wird.

Sobald eine Stadt bei ihrer Ausdehnung nicht mehr auf strategische Erwägungen Rücksicht zu nehmen braucht, geschieht diese und damit die Bildung ihrer Gestalt nach mehr geographischen Gesichtspunkten. Die Rücksichtnahme auf Form und Beschaffenheit des Bodens, auf verkehrsgeographische Verhältnisse u. s. w. lassen den Stadtumriss meist zu einem von jener künstlich regelmäßigen Festungsform vollständig abweichenden Umriss gelangen.

Das auffallendste Merkmal in der Gestalt der Städte der zweiten Gruppe besteht vielleicht in dem Hinausziehen langer Strahlen vom Rande der mehr geschlossenen Stadtmasse, die jedesmal von einer die Stadt verlassenden Straße durchzogen werden. Besonders stark sehen wir die Strahlen ausgebildet, die in der Nähe des Wassers ziehen.

Nördlich und südlich von Stettin zieht sich an dem die Oder begleitenden Höhenrand eine Kette von Vorstädten hin, deren nördlicher Teil bereits eine Ausdehnung von mehr als 5 km erreicht hat, und die immer noch wächst. Eine ähnliche Bildung sehen wir in den nach Südosten und Nordwesten gerichteten Ausläufern Bremens.

Mit dieser Bevorzugung der Wasserverkehrsstraßen hängt zusammen, dass die Ausdehnung der ganzen Stadtmasse in der Richtung des Wassers meist eine größere ist als in der rechtwinklig zu ihr liegenden. Besonders deutlich kommt dies wieder bei Stettin und Bremen*) und außerdem bei Kiel zum Vorschein. Dass Hamburgs ostwestliche und südnördliche Ausdehnung ziemlich gleich ist, kommt daher, dass die Alster, die für kleine Fahrzeuge schiffbar ist, ihrerseits auch die Ansiedelung an ihren Ufern hinaufzieht. — Hat der Rand des Wassers einen gebogenen Verlauf, so erhält die Ansiedelung eine entsprechende Gestalt. Der Ansiedelungskomplex von Kiel, Gaarden und Ellerbeck, der allerdings von mehreren Punkten aus entstanden ist, hat den ganzen Hintergrund der Förde umzogen, einen Rahmen oder eine Haube um dieselbe bildend. Dieselbe Gestalt finden wir auch bei anderen Fördenstädten, z. B. Flensburg und Schleswig wieder.

*) Die Sonne geht für das nordwestliche Ende Bremens 17 Sekunden später auf als für das südöstliche. Die gewaltige Längsentwicklung der Stadt hängt allerdings zum Teil auch damit zusammen, dass diese durch die im Norden liegenden Bahnhofsanlagen verhindert ist, nach dieser Seite sich auszudehnen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die wichtigsten deutschen Seehandelsstädte