Die einzelnen Stadtteile

Ein Blick auf den Plan oder besser noch ein Überblick von einem Turm aus zeigt uns bei jeder der hier in Rede stehenden Städte, dass dieselbe nicht in allen ihren Teilen gleichförmig ist, sondern dass sie sich aus einer größeren oder geringeren Anzahl deutlich voneinander unterscheidbarer Teile zusammensetzt. Unterscheidbar sind diese Teile durch die Art, wie die Straßen in ihnen verlaufen, durch die Dichte, in der sie bebaut sind, und — wie wir bei einer späteren Durchwanderung sehen — zum Teil auch durch die verschiedene Bauart der Häuser.

Zunächst können wir eine innere von einer sie umgebenden äußeren Stadt unterscheiden; bei Danzig kann man allerdings kaum von einer äußeren Stadt reden, dagegen lassen sich in Königsberg beide Stadtteile innerhalb des jetzigen Festungsgürtels sehr wohl von einander trennen*).


Innere und äußere Stadt sind durch einen zusammenhängenden Straßenzug wie in Hamburg, Stettin und Königsberg, oft auch durch Reste des alten Stadtgrabens oder sonstige Gewässer wie in Bremen, Kiel und Lübeck scharf voneinander getrennt. Die erstere wird immer von der zweiten mehr oder weniger an Größe übertroffen, desto mehr natürlich, je größer das Wachstum der betreffenden Stadt in neuerer Zeit gewesen ist; so ist der Flächenraum der äußeren Stadt besonders bedeutend in Hamburg, Kiel und Stettin (vgl. Fig. 2, 3 und 5).

*) Die innere Stadt wird in Königsberg gebildet durch die drei alten Stadtteile: Altstadt, Löbenicht und Kneiphof.

Jeder der beiden Stadtteile besteht aber wieder aus mehreren ungleichartigen Bestandteilen. Betrachten wir zunächst diejenigen der inneren Stadt. Oben erwähnten wir, dass der älteste Teil der Ansiedelung sich immer am Abhang einer Höhe befand. In Bremen, Hamburg, Stettin und Danzig war dieser älteste Teil eine Fischerniederlassung, die natürlich unregelmäßig gebaut und mehr einem Dorfe als einer Stadt ähnlich war. Sie ist jetzt meist verschwunden; wo sie aber noch erhalten ist, kennzeichnet sie sich durch enge, unregelmäßige und winkelige Straßen. Am deutlichsten sehen wir sie noch in Danzig, wo sie den zwischen Radaune und dem altstädtischen Graben liegenden Teil der heutigen Altstadt bildet (Fig. 14 auf Beilage 8). Bis vor kurzem viel deutlicher als heute nach großen Umbauungen der letzten Jahre hob sich auch „der Kessin“, die alte Wendenstadt Stettins in der nordöstlichen Ecke der jetzigen inneren Stadt durch kurze und winkelige Straßen ab*) (Fig. 12). Äußerlich nicht mehr zu erkennen ist diese Uransiedelung in Bremen — sie lag dort am Westrand des östlichen Geestrückens an der Weser zu beiden Seiten der jetzigen Großen Brücke**) — und ganz verschwunden ist sie schon auf den ältesten Plänen von Hamburg.

*) H. Lemcke, Die älteren Stettiner Straßennamen. Stettin 1881, S. 1 — 2.
**) Buchenau, Bremen, Taf. 4.


Ein zweiter Teil der inneren Stadt zeichnet sich im Gegensatz zu dem oben besprochenen durch außerordentliche Regelmäßigkeit aus. Die Straßen haben in demselben einen fast völlig geraden Verlauf und schneiden sich meist genau in einem rechten Winkel und in regelmäßigen Zwischenräumen. Dieser Stadtteil ist — mit Ausnahme Hamburgs — nicht nur ein gemeinsames Merkmal der von uns besprochenen Städte, sondern findet sich fast in allen ostelbischen Städten Deutschlands wieder und weist überall dieselbe Regelmäßigkeit, ja denselben Umfang und dieselbe Gestalt, nämlich die eines Ovals von 600 m Längs- und 300 — 400 m Querdurchmesser auf. Das Verdienst, diese auffallende Erscheinung als eine weitverbreitete festgestellt zu haben, hat der Straßburger Gymnasiallehrer Johannes Fritz, der in einer Programmarbeit unter dem Titel „Deutsche Stadtanlagen“ seine Forschungen niedergelegt hat. Fritz fand jenes Oval (bei nicht vollständigem Material) in etwa 200 Städten und erklärt es in jedem Falle als eine deutsche Ansiedelung, die nach einem bestimmten, überall gleichen Plane angelegt ist. Dieser Plan, dessen Herkunft Fritz nicht vollständig sicher nachweisen kann, ist nach ihm das Schema für alle Stadtgründungen vom 12. — 14. Jahrhundert in dem den Slaven abgerungenen deutschen Kolonisationslande. Seine genaue Ausführung wurde von Lokatoren überwacht: „Reißbrett und Stift, Messkette und Pflugschar haben bei derselben eine Rolle gespielt.“

In den hier behandelten Städten kommt dieser „deutsche Gründungsplan“ in verschiedenen Graden der Deutlichkeit vor. Am schönsten findet er sich in Kiel, wo er den ganzen Raum zwischen Kleinem Kiel und der Förde ausfüllt (Fig. 10), in Danzig, wo er die sogen. Rechte Stadt bildet (Fig. 14) und in Königsberg (Fig. 15). In Bremen hat nur die mittlere von Otto I. gegründete Stadt zwischen Markt einerseits und Papen- und Pieperstraße andererseits eine planmäßige Anlage erfahren*) (Fig. 8), während die Gestaltung der Dom- und der Stephanistadt mehr durch willkürliche Erweiterung und durch die Form der beiden Geestrücken, auf denen jene liegen, bedingt wurde. Der Anschluss an eine schon vorhandene Ansiedelung und topographische Verhältnisse sind auch für die Gestalt des alten Hamburg maßgebend gewesen. Die Stadt entstand auf einer in die Niederung hinausziehenden dreieckigen Landzunge, deren Form den Umriss der Stadt und die Richtung ihrer Straßen naturgemäß bestimmte. Dazu kommt, dass Hamburg und Bremen als deutsche Gründungen schon vor jener Kolonisationsperiode entstanden, in einer Zeit also, in der jenes Schema wahrscheinlich noch gar nicht, sicher wenigstens nicht in der späteren verknöcherten Form angewendet wurde. Vielleicht sind auch in beiden Städten Übergangsformen zu den westdeutschen Städten zu erblicken**), deren Straßenanlage Fritz als vollständig regellos bezeichnet***), während Otto Schlüter in ihr ein Schema von im ganzen radial verlaufenden Straßenzügen, die durch Querwege miteinander verbunden sind, nachweist****). Interessant liegen die Verhältnisse bei Lübeck (Fig. 11). Auch für den Aufbau dieser Stadt war das Normalschema maßgebend. Jedoch geschah dessen genaue Innehaltung jedenfalls nur im Anfang der Bebauung, bei den dem Markte unmittelbar benachbarten Teilen, während sich das Wachstum des Ortes später mehr an die vorhandenen topographischen Verhältnisse anschloss. Freilich waren diese derart, dass sich von selbst eine Anlage ergab, die jenem Schema außerordentlich nahe kam. Lübecks Bauplatz ist der zwischen Trave und Wakenitz liegende Werder; derselbe fällt nach den beiden Flüssen zu steil ab, und seine einzige Landverbindung liegt in der Längsrichtung des Höhenrückens. In der Fortsetzung der von außen an die Stadt herankommenden Straße legte man auf der Höhe zwei Längsstraßen an. Von diesen wurden dann in rechtwinkeliger Richtung zu ihnen Straßen nach den beiden Flüssen hinabgeführt. Die Bebauung derselben geschah zunächst bis an den Rand des Höhenrückens. Später entstand dann noch eine Häuserreihe in den Niederungen der Flussläufe und damit auch noch je eine Straße zu beiden Längsseiten des Höhenrückens, so dass auf diese Weise das Straßennetz eine an jenen Plan erinnernde Regelmäßigkeit erhielt*****). Letzterer hat wohl als Vorbild der Bebauung vorgeschwebt, ist aber in freierer Weise angewandt worden.

*) Buchenau, Bremen, S. 81.
**) Solche Übergangsformen, die nur den Anfang des Normalschemas haben, planmäßige Anlage der Ansiedelung um den Markt, sind im Binnenlande die Altstadt Braunschweig und Freiburg im Breisgau(?). G. v. Bei o w, Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum S. 30.
***) Fritz, a. a. O. S. 9.
****) O. Schlüter, Grundriss der Städte. Zeitschrift des Vereins für Erdkunde zu Berlin, 1899 S. 456.
*****) Dr. W. Brehmer, Beiträge zu einer Baugeschichte Lübecks, Zeitschrift des Vereins für Lübeck. Geschichte und Altertumskunde, Bd. V S. 135.


Eine Eigentümlichkeit des ostelbischen Planes besteht darin, dass die nach der vollständigen Bevölkerung einer vorgesehenen Anlage sich nötig machende Erweiterung nicht in konzentrischen Zonen oder strahlenförmig geschah, sondern dadurch bewirkt wurde, dass man eine zweite oder gar dritte Anlage gleicher Art neben die erste legte, sodass wir jenes Schema in einer Stadt oft mehrmals wiederholt finden*). In Königsberg ist es zweimal sehr deutlich in der Altstadt und im Kneiphof und ein drittes Mal weniger deutlich im Löbenicht vorhanden (Fig. 15). Auch Danzig hat neben der Rechten Stadt den Normalplan noch zweimal, wenn auch nur angefangen: in der südlichen Vorstadt und in dem nördlichen Teile der Altstadt (Fig. 14). Ebenso hat Rostock drei solcher Gründungen.

Eine so vollkommene Durchführung eines bestimmten Planes ist nur denkbar, wenn entweder die neuen Städte an Orten gegründet wurden, die vorher noch keine Ansiedelung trugen, wie dies bei Kiel, Lübeck und Königsberg der Fall war, oder wenn die Kolonisten sich neben, nicht in der schon vorhandenen Ansiedelung anbauten.

Fritz scheint zwar anzunehmen , dass auch der andere Fall vorgekommen sei, dass nämlich ein schon bestehender unregelmäßig gebauter Ort durch die westdeutschen Kolonisten umgeformt, ihm nachträglich jenes Schema aufgeprägt worden sei**). Allein er führt hierfür als einziges Beispiel Stettin an. Den zwischen der Oder und der Höhe liegenden Teil dieser Stadt hält er für die alte slavische Siedelung, die aber im Sinne des Schemas modifiziert sei. Wie wir oben bereits erwähnten, war jedoch der alte wendische Flecken bis vor kurzem noch deutlich erkennbar und ist auch jetzt noch durch auffallend kurze und zum Teil steile Straßen charakterisiert***). Die deutsche Kolonie aber liegt im Nordwesten neben diesem auf der Höhe und ist durch weite, geräumige, rechtwinkelig sich schneidende Straßen gekennzeichnet. Fritz fasst in dem von ihm bezeichneten Stadtteil zwei verschiedene Elemente zu einem zusammen: die eine nördliche Hälfte ist ein Teil der slavischen Siedelung, die andere südliche ein Teil der deutschen, der allerdings nicht zu der eigentlichen planmäßigen Anlage gehört, sondern diese nur mit der Oderniederung verbindet****). Kurz, auch in Stettin wurde die neue Ansiedelung nicht der alten aufgepropft, sondern entstand neben ihr; und dies scheint die Regel für jene Neugründungen gewesen zu sein. Diese Wahrscheinlichkeit hat viel für sich, wenn man bedenkt, dass einerseits eine Umformung eines schon bestehenden Fleckens in eine Stadt von ganz anderen Grundrissen immer mit großen Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, und dass es andererseits dem Charakter des Mittelalters entspricht, Standes- und besonders Stammesunterschiede auch durch räumliche Trennung zu kennzeichnen.

*) Vgl. Fritz, a. a. O. S. 18..
**) Er schreibt a. a. O. S. 33: Die erste deutsche Ansiedelung Stettins liegt „der Wendenstadt benachbart, ja mitten in derselben“.
***) Vgl. auch H. Hering, Beiträge zur Topographie Stettins in älterer Zeit, S. 11.
****) Die von der Höhe herabführenden deutschen Straßen sind bezeichnenderweise nicht so steil wie die wendischen, sondern überwinden die Höhenunterschiede durch Krümmungen.


Wie oben erwähnt, ist der besprochene schematische Stadtteil in Bremen nur angedeutet, in Hamburg gar nicht vorhanden; dafür haben beide in der inneren Stadt einen regelmäßigen Stadtteil, der den anderen Orten fehlt. Es ist in Bremen die am linken Ufer liegende Neustadt (Fig. 8, II); in Hamburg der Teil der Neustadt, der zwischen Poolstraße und Kohlhöfen einerseits und Mühlen- und Schlachterstraße andererseits gelegen ist (Fig. 9). Beide Stadtteile sind im Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden und Produkte holländischer Baukunst, sogar desselben Meisters. Als sich nämlich zu dieser Zeit drohender Kriegsgefahren wegen eine stärkere Befestigung vieler deutscher Städte nötig machte, ließen mehrere norddeutsche Städte, darunter Bremen, Hamburg und Lübeck einen holländischen Baumeister Namens Valckenburgh kommen*). Dieser behandelte bei seinen Arbeiten alle Städte unbekümmert um deren Gestalt und topographische Verhältnisse nach demselben Plane, indem er sie alle mit einem möglichst kreisrunden Festungsgürtel umzog. Dem dabei innerhalb dieser Kreislinie fallenden noch unbebauten Terrain gab er dann mit Zirkel und Lineal jenen schachbrettartig regelmäßigen Verlauf der Straßen, den wir in den bezeichneten Teilen Bremens und Hamburgs heute noch finden. Beide Städte erfuhren also eine Erweiterung auf Grund der Theorie eines Baumeisters. Die von Valckenburgh für Lübeck beabsichtigten Befestigungen unterblieben der zu großen Kosten wegen**).

Durch Regelmäßigkeit der Bebauung zeichnen sich auch diejenigen der inneren Stadtteile aus, die auf Inseln liegen, wie die Speicherinsel und Niederstadt in Danzig, das Nikolaikirchspiel, der Grimm und der Cremon in Hamburg. Einmal bieten Inseln an sich Veranlassung zu regelmäßiger Anlage, da der Verkehr auf ihnen Straßen fordert, die den Inselrändern entweder parallel laufen oder rechtwinklig auf diese treffen***), und sodann überließ man in den norddeutschen Städten die erste Bebauung des niedrigen sumpfigen Terrains gewöhnlich den mit solchem Boden vertrauteren niederländischen Kolonisten, die als Meister des Wasserbaues in diesen Städten immer gern gesehen wurden****), und die die Gewohnheit regelmäßiger Straßenführung aus ihrer Heimat mitbrachten.

Damit haben wir die Hauptteile der inneren Stadt besprochen und gehen nun zu einer Betrachtung der äußeren über. Diese zerlegt sich meist in zwei Teile, in einen älteren, allmählich entstandenen und einen jüngeren rasch emporgeblühten. Letzterer zeichnet sich durch große Regelmäßigkeit, ersterer durch das Gegenteil aus. Beide werden durchzogen von mehreren ziemlich breiten und gerade verlaufenden Straßen; es sind dies die uralten Landstraßen, die die Stadt mit ihrer näheren und weiteren Umgebung verbinden. Sie bestanden natürlich lange vor den peripherischen Stadtteilen, und wir werden später sehen, von wie großer Bedeutung sie für deren Entstehung waren und noch sind.

*) W. Brehmer, Die Befestigungswerke Lübecks. Zeitschr. des Ver. für Lüb. Gesch. u. Altert. Bd. VII S. 406.
**) Einen anderen Überrest holländischer Befestigungsmanier haben wir in dem geschlängelten Verlauf der Stadtgrabenreste z. B. Bremens und Lübecks. Derselbe hat seine Ursachen in dem System spitzwinklig vorspringender Bastionen, aus denen sich der Befestigungsgürtel zusammensetzte, und die ja an den Festungen der Gegenwart noch angewandt werden. (Buchenau, Bremen, S. 86.)
***) Man denke an die regelmäßige Straßenanlage New-Yorks, der größten aller Inselstädte.
****) Vgl. Gaedechens, Topographie Hamburgs, S. 15.


Der inneren Stadt zunächst liegt häufig eine Zone äußerst unregelmäßig verlaufender Straßen; es ist die Zone der alten Vorstädte, die allmählich vor den Mauern entstanden ist. Ihre Unregelmäßigkeit hat ihren Grund darin, dass den Ansiedlern vor den Toren von den städtischen Behörden keine Bauvorschriften gemacht wurden, zumal ja die Vorstädte bei Kriegsgefahr in der Regel rasiert wurden*). So war hier der Willkür des einzelnen freier Spielraum gelassen, was zu jenem dem Ganzen später unbequemen Straßengewirr führte.

Sehr schön ist diese Zone ausgeprägt in Bremen, wo sie die ganze Altstadt umlagert, besonders deutlich in der Ostvorstadt zwischen der heutigen Kembertistraße, dem Dobben und der Weser hervortretend (Fig. 8, III). Wenn die eigentliche städtische Bebauung dieser Zone zum Teil auch erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit geschah, so schloss sich dieselbe doch an die schon vorhandene mehr ländliche Ansiedelung an und behielt deren unregelmäßigen Straßenverlauf bei. In Kiel liegt die alte Vorstadt südlich von der inneren Stadt und hebt sich durch ihre kurzen winkeligen Straßen (auch durch ihre alten Straßennamen) von den sie umgebenden regelmäßig modernen Stadtteilen scharf ab. In Königsberg findet sich diese Zone besonders deutlich ausgeprägt in der nördlichen und nordwestlichen Vorstadt zwischen der Laak, dem Steindamm und der Tragheimerstraße. Nur sehr geringen Umfang hat sie in Danzig am Bischofsberg, und gar nicht vorhanden ist sie in Lübeck. In beiden Städten fand eben infolge geringen Wachstums die Bevölkerung Raum innerhalb des Festungsgürtels. Freilich haben auch die seit den sechziger Jahren entstandenen modernen Vorstädte Lübecks durch das Bemühen der Baubehörden einen ländlichen Charakter bewahrt.

Dass die alten Vorstädte Stettins, die Lastadie und die allerdings erst kurz vor der Entfestigung der Stadt entstandene Silberwiese regelmäßig gebaut sind, verdanken sie vor allem dem Umstand, dass sie auf Inseln erwachsen sind**).

In Hamburg liegen die Verhältnisse so, dass die Zone alter Vorstädte seit der Neubefestigung im 17. Jahrhundert einen Teil der inneren Stadt bildet; sie ist deutlich zu erkennen in dem mittleren Teil der jetzigen Neustadt, dem sogenannten Gängeviertel oder Labyrinth und in den die Michaeliskirche im Süden und Osten umlagernden Stadtteilen.

*) Jedoch geschah der Wiederaufbau fast immer unter vollständiger Beibehaltung der alten Grundrisse.
**) Auch die Lastadie war früher eine Insel, indem an Stelle der jetzigen Parnitzstraße ein Wasserarm floss, der Parnitz und Danzig verband. Berghaus, Stettin I S. 220.


Die peripherischen Teile der äußeren Stadt nimmt die Zone der modernen, erst in den letzten Jahrzehnten entstandenen Vorstädte ein. Ihr Hauptmerkmal ist strenge Regelmäßigkeit: lange, breite und schnurgerade verlaufende Straßen, die sich in bestimmten Zwischenräumen unter einem rechten Winkel kreuzen. Diese Regelmäßigkeit nimmt im ganzen nach der Peripherie hin immer mehr zu und erreicht ihren Höhepunkt in jenen sternförmigen und schachbrettartigen Erscheinungen, die wir in fast allen unseren heutigen Großstädten wieder finden. Besonders kultiviert wurde das Schachbrettsystem bekanntlich in den jungen Städten des atlantischen Nordamerika.

Was die hier behandelten Städte angeht, so ist der Komplex moderner Regelmäßigkeit aus naheliegenden Gründen besonders groß in Hamburg, Kiel und Stettin. Dabei bilden nicht selten die alten Landstraßen die Rahmen für die neuen schematischen Straßenfiguren. So finden wir in Hamburg zwischen der Rotenbaumchaussee und der Grindelallee ein mathematisch genaues Schachbrettsystem, in Stettin zwischen der Falkenwalder- und Pölitzerstraße erst ein regelmäßiges Achtecksystem und an dieses nach außen sich anschließend die Schachbrettfigur (Fig 13). Übrigens ist ersteres, wie Schlüter bemerkt*), an dieser Stelle Stettins durchaus nicht angebracht, denn jene beiden alten Straßen, auf denen der von Norden her kommende rege Verkehr der Stadt zustrebt, bedürfen einer möglichst kurzen Querverbindung, die aber durch jenes künstliche System nur in sehr unvollkommener Weise geschaffen ist. In Kiel droht vor allem der nach Norden wachsende Teil der Stadt auf immer größerem Räume ein Schachbrettmuster zu werden.

Das außerordentlich schnelle Wachstum ließ jene Städte bald an sie umgebende Dörfer gelangen und diese überdecken. Besonders gilt dies von Hamburg, von dessen zwanzig Stadtteilen, aus denen es jetzt besteht, zwölf frühere Dörfer und Vogteien gewesen sind**). Aber auch in den peripherischen Teilen Bremens und Stettins finden wir oft ehemalige Dörfer und ländliche Vororte wieder. Infolge der Berührung mit der Stadt verloren diese natürlich einen großen Teil ihres ländlichen Charakters***), indem nicht nur die Art des Hausbaues sich änderte, sondern auch Regulierungen der Straßenanlagen nach modernem Muster vorgenommen wurden. Aber der Kern der Ortschaft blieb doch in vielen Fällen ziemlich unberührt und bildet jetzt, wie der Kristall im Sendimentgestein, eine wohltuende Abwechslung zwischen den breiten und geraden Straßen des städtischen Bebauungssystems. Besonders deutlich kommt diese Wirkung im Stadtbild von Hamburg zur Geltung. In Königsberg und Danzig ist eine größere Zone ausgesprochener moderner Regelmäßigkeit nicht vorhanden, weil diese Städte nicht jene plötzlichen neuzeitlichen Erweiterungen erfuhren, die mit ihren Massenbauten immer den Schematismus begünstigen. Ebenso haben die langsamer entstandenen modernen Vorstädte Lübecks , wie wir schon erwähnten, einen erfreulicheren Charakter****).

*) O. Schlüter, Grundriss der Städte. Zeitschr. der Gesellsch. f. Erdkunde
zu Berlin, 1899 S. 461.
**) W. Me1hp , Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg. Hamburg 1895 S. 3.
***) Vgl. Buchenau, Bremen, S. 130, 300, 330.
****) Geogr. Gesellschaft, Die Freie und Hansestadt Lübeck, S. 223.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die wichtigsten deutschen Seehandelsstädte