01. Abreise. Besuch auf Madeira. Die Naturbeschaffenheit der Insel. Die Bevölkerung. Die Brustkranken. Die schöne Novize.

Am 5. März 1860 verließen wir den Hafen von Hamburg und sagten damit dem deutschen Vaterlande Lebewohl und zwar für lange lange Zeit. Der Nordostwind blies scharf und kalt die Türme der alten Hansestadt hüllten sich allmählich in einen Schleier den Schneeflocken immer dichter um sie webten, die Ufer wurden öder und einförmiger sie traten immer weiter zurück, und als uns der Schleppdampfer wegen der eintretenden Flut bei Freiburg loswarf, der Anker in den Grund rasselte zeichneten sie sich an dem trüben Himmel nur noch als dunkle Linien ab, über welche dann und wann eine Kirchturmspitze oder ein kahler Baumwipfel als einzige Abwechslung emporragte. Die Möwen flogen kreischend um unser Schiff, die schmutzig gelbe Fläche des Stromes war eine trübselige Umgebung und wir wünschten sehnlichst den folgenden Tag herbei, um mit ihm in die freie See zu kommen. Er erschien ebenso trüb und kalt, wie der gestrige Abschied genommen, aber er brachte einen stürmischen Nordost mit, der bald unsere Segel schwellte und uns mit Windeseile der Nordsee zuführte. Um Mittag flogen wir bei Cuxhaven vorbei, dann kam der Turm von Neuwerk, dann das Feuerschiff, die Umrisse von Helgoland tauchten schwach am Horizonte auf, um bald in der grauen Dämmerung wieder zu verschwinden, und nun schwammen wir allein auf dem weiten Wasser, dessen schaumgekrönte Wellen der scharfe Bug unseres Schiffes durchschnitt. Der Wind nahm beständig an Stärke zu, bald hatten wir den schönsten Sturm, aber er war uns günstig, und wenn er uns auch empfindlich schaukelte, brachte er uns dafür schon nach 48 Stunden in den Kanal und am dritten Tage nach Portsmouth, wo wir das Geschwader trafen. Wir lagen hier vier Wochen, teils um unsere Ausrüstung zu vervollständigen, teils um die Vorratsgegenstände für die übrigen Schiffe einzunehmen. und erst am 5. April traten wir unsere Weiterreise an. Wir waren sehr froh, als wir der Kreideküste Englands Lebewohl sagen konnten. Das lange Verbleiben dort, das in unvorhergesehenen und deshalb um so unangenehmeren Verzögerungen seinen Grund hatte, wirkte vollständig niederdrückend auf uns, und jeder atmete hoch auf, als die „Nadeln“, die zackigen Klippen an der Westspitze der Insel Wight, unsern Blicken entschwanden, sich unser Schiff auf den lichtgrünen Wellen des Kanals wiegte und mit schneller Fahrt vor der frischen Brise dahinflog. Unser nächstes Ziel war Madeira, jene Perle des nordatlantischen Ozeans, die selten ein nach dem Süden gehendes Kriegsschiff unbesucht lässt. Unsere Reise verlief ohne alle Unfälle mit den gewöhnlichen Attributen von Seekrankheit für die Neulinge, lächerlichen Intermezzos und traurigen Mienen der darunter Leidenden. Einstimmig ward aber das wärmere Klima von uns begrüßt, dessen schneller Eintritt von uns täglich angenehmer empfunden wurde.

Nach zehntägiger Fahrt tauchte Porto Santo am Horizonte auf, eine den Portugiesen gehörige und 6 Meilen nördlich von Madeira gelegene Insel. Bei Annäherung zeigte sich eine kahle, rötliche, steil aus dem Meere emporsteigende Felsenmasse, reich an schroffen Abhängen und Klippen, die ihre scharfen Spitzen in die Luft hinausstrecken und nur den Vögeln des Meeres zum Wohnorte dienen. Hier und dort schaute jedoch auch die grüne Kuppe eines weiter im Inneren liegenden Hügels durch eine Felsspalte und verriet, dass nicht die ganze Insel so unwirtlich sei, als es an der Nordseite, welche wir passierten, den Anschein hatte. Porto Santo hat eine durchschnittliche Höhe von 1.200- 1.400 Fuß und wird, da der Boden nicht sehr fruchtbar ist, nur spärlich bewohnt. Die ganze Insel zählt auf 3 Quadratmeilen 1.800 Einwohner und dient als Verbrecherkolonie von Madeira.


Gegen Abend erblickten wir Madeira und gelangten bei dem fortdauernd guten Winde um Mitternacht auf die Reede von Funchal, konnten aber erst am andern Morgen ankern, da uns Windstille überfiel und uns etwa eine Meile von der Stadt entfernt hielt.

Madeira, das politisch zu Europa, physikalisch aber zu Afrika gehört, ist trotz seiner Nähe zur Alten Welt nicht so früh bekannt gewesen wie die Kanarischen Inseln. Seine Entdeckung fällt um das Jahr 1344, und zwar geht die Sage, dass ein Liebespaar, Robert Machim und Anna d'Arfel, das vor dem Zorne harter Verwandten aus England nach Frankreich fliehen wollte, von einem Sturme nach der damals unbekannten und unbewohnten Insel verschlagen wurde. Sie landeten in einer Bucht, die noch heute die Bucht von Machico heißt und an der ein kleiner Flecken gleiches Namens liegt. Die Strapazen der Reise brachten jedoch beiden den Tod, und in der Kirche von Machico wird noch als Reliquie ein Stück des Kreuzes aufbewahrt, das einst auf ihrem gemeinschaftlichen Grabe von den späteren Wiederentdeckern Madeiras gefunden wurde. Ebenso verewigt ein in dem Gouvernementsgebäude von Funchal befindliches sehr altes Gemälde das tragische Ende des Paares. Da nach ihrem Tode das Schiff, mit dem sie gekommen wieder absegelte, verschwand die Insel abermals über ein halbes Jahrhundert aus der Geschichte. Zwischen 1417 und 1419 fällt ihre zweite Entdeckung durch spanische Ansiedler auf Porto Santo, die zur Eroberung der Kanarischen Inseln von Spanien ausgesegelt waren und infolge einer beständig in Südwest sichtbaren dunkeln Wolke dort Land vermuteten.

Die erste Erscheinung Madeiras entspricht nicht den Erwartungen, die man sich nach den Schilderungen beredter Reisender von dieser schönen Insel macht. Auf weitere Entfernungen zeigt es sich nur als eine kahle Felsenmasse von gewaltigen Dimensionen, deren breite Kuppen fast immer von einem trüben Wolkenschleier verhüllt sind, und die zwar großartig und imposant sich aus der blauen Tiefe erhebt, immer aber einen besonders dunkeln und tristen Eindruck macht. Die Insel besteht aus einer dichtgedrängten Gruppe von schroff aufsteigenden und von jähen Abgründen durchschnittenen Bergen, deren bedeutendster, der Pico Ruivo von 6.056 Fuß Höhe, ungefähr den Mittelpunkt bildet. Der Lomba Grande, ein Gebirgskamm von etwa gleicher Erhebung und einer halben Meile Länge, steigt an ihrem westlichen Ende auf und bildet den Nordrand der gewaltigen Schlucht, die unter dem Namen des Curral zu den Wundern Madeiras zählt. Die westliche Wand der Schlucht formt ein anderer Kamm, dessen höchste Spitze, der Vico Grande, 5.391 Fuß emporsteigt. Südlich vom Ruivo zeigen sich noch drei Spitzen: der Torinhas von 5.980 Fuß Höhe, der Vico Sidrao und der Vico Arriero von 5.893 Fuß Höhe. Diese Gipfel bilden mit dem Ruivo gewissermaßen die Achse der Insel, von der aus das Land nach Süden hin allmählich sich abflacht, während fast die ganze Nordküste steil und schroff gegen das Meer abfällt.

So kahl und düster aber die Insel in der Ferne dem Auge erscheint, so romantisch und zugleich lieblich zeigt sie sich in der Nähe. Der gleichmäßig graue Ton der Berge verschwindet und macht den mannigfachsten Schattierungen Platz. Auf den Bergen wechselt das saftige Grün einer üppigen Vegetation mit dem Dunkelrot des Basalts, der die Grundlage der Insel bildet.

An den Abhängen schweben Häuser in schwindelnder Höhe, als ob sie dort angeklebt wären, und ihr weißer Anstrich lässt sie wie schimmernde Lichtpunkte aus dem sie beschattenden Grün hervorstrahlen. Dazu tritt das umgebende Meer, dessen tiefes Blau im Sonnenglanze mit dem Azur des Himmels wetteifert, dessen Wogen sich mit donnerähnlichem Tosen an der zerrissenen Felsenküste brechen und ihren dampfenden Gischt hoch in die Lüfte peitschen.


Hamburgs Werften und Docks, Der Fünfmaster - Preußen - auf dem Off-Shore-Dock der Reiherstieg-Werft

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Hamburg, Blick auf die Unterelbe

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Hamburg, Flet in der Altstadt

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Hamburg - Deichstraßenfleet

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Hamburg - Leitergasse

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Madeira, A Chapel Doorway

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Madeira, A Drinking Fountain

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Madeira, A Group of Senecio

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Madeira, Almond Blossom

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Madeira, Aloes and Daisy-Tree

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Madeira, Azaleas in a Portuguese Garden

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