Staatsbürger und Heeresdienst

Die Angelegenheit gelangte indessen erst zum Schluß, als Freiherr von Hardenberg am 6. Juni 1810 die Staatskanzlergeschäfte übernahm. Unter den mannigfachen Berichten und Gutachten, die von ihm verlangt und schließlich zu dem berühmten Edikt vom 11. März 1812 benutzt wurden, befindet sich auch eine Auseinandersetzung der Polizeideputation der kurmärkischen Regierung vom 10. Dezember 1810, in der als unabweisliche Forderung aufgestellt wurden ,,Kein Jude darf, wenn ihn das Los bei der Konskription trifft, einen Stellvertreter stellen, sondern er muß in Person dienen.“

In den übrigen Gutachten, die Hardenberg einforderte, wurden alle sonstigen Gegenstände. Eidesablegung, Handel, deutsche Namen, Einwanderung usw. sehr breit behandelt; die Militärverhältnisse dagegen sehr gering. Der Geheime Staatsrat Sack bemerkte, daß die Juden nicht schlechthin zum Militärdienst verpflichtet werden sollten, sondern nur unter den gleichen Bedingungen wie die Christen, ,,ihres Wohnorts, Standes und Gewerbes“. Dann fuhr er fort: ,,Denn solange das Kantonwesen noch besteht, würde es unbillig sein, die Juden ohne Ausnahme zum Militärdienste heranzuziehen, während den Christen so vielerlei Kantonbefreiungen zustehen. Gibt es einmal eine allgemeine Konskription für die Christen, so wird sie auch für die Juden allgemein.“ Nach dem schließlich von dem Minister v. Bülow ausgearbeiteten Entwurfe sollten die Juden ,,der Militarkonskription oder Kantonpflichtigkeit und den damit in Verbindung stehenden gesetzlichen Vorschriften“ gleich den übrigen Staatsuntertanen unterworfen werden. Dafür wünsche der König indessen die Bestimmung, ,,der Militärkonskription usw. sind die einländischen Juden ebenfalls unterworfen.“ Und ferner den Zusatz: ,,die Art und Weise der Anwendung dieser Verpflichtung auf sie wird durch die Verordnung wegen der Militärkonskription näher bestimmt werden.“


In den zahllosen Schreiben, welche von der Berliner Judenschaft und anderen Gemeinden an den König, an den Staatskanzler Hardenberg und an einzelne Minister gerichtet wurden, wird die Heeresfrage kaum berührt. Hervorhebung verdient nur der schöne Satz in dem Briefe der Berliner Judenschaft vom 1. Februar 1810, der so lautet: ,,Weder in unserer Religion, noch in unseren Zeremonial- oder Ritualgesetzen gibt es, oder soll es irgend ein Hindernis geben, eine noch so schwere Pflicht, welche Vaterland oder Staatsgesetze fordern, unerfüllt zu lassen.“

Im Edikt vom 11. März 1812 selbst lautet die Bestimmung, die die Militärverhältnisse regelt - sie sieht im § 16 folgendermaßen: ,,Der Militärkonskription oder Kantonpflichtigkeit und den damit in Verbindung stehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften sind die einländischen Juden gleichfalls unterworfen. Die Art und Weise der Anwendung dieser Verpflichtung auf sie wird durch die Verordnung wegen der Militärkonskription näher bestimmt werden.“

Diese Verordnung erfolgte wenig später; noch im Jahre 1812 wurde die allgemeine Wehrpflicht für Preußen eingeführt. So waren die Juden Staatsbürger geworden und als Staatsbürger hatten sie die Verpflichtung, Heeresdienst zu leisten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die deutschen Juden und der Krieg